1 Kapitel aus Fol Danepen,

Egbert

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Draußen weht der Wind und bringt die Blätter der Bäume zum rauschen. Regnet es schon? Keine Ahnung, nur kalt ist es, das weiß ich. Irgendwo weit oben donnert leise ein Flugzeug seine Tonspur in den Himmel. Das macht mich immer ganz kribbelig. Höre ich ein Flugzeug, kann ich mich nicht auf dem Platz halten, ich muß ans Fenster springen, den Kopf in den Nacken werfen und dem Stahlkoloß hinterherblicken. Aha. Airbus. Alitalia. Italien. Sommer, Sonne, Sommersonne.
Gerade erwischt mich wieder ein kalter Windstoß, ein Stößchen eher, kalt am Arm. Ich habe meinen Pulli hochgekrempelt. Iregndwie gefällt mir diese Stimmung, auch wenn der Himmel grau und trüb ist, schwere Wolken durchs Fenster triefen. Trotzdem, kann ich’s verleugnen. Natürlich wäre ich lieber weg, am Strand, im Freien, im Warmen unter Palmen und nicht alleine, nicht alleine, nicht wie hier wie hier.
Das Telephon reißt mich aus dem Träumen, oh Mann, die Frau. Ja, hallo, ja, natürlich, nein, ich hab dich nicht vergessen, ja, doch natürlich, du bist mir wichtig, nein, ja, aber ich kann doch nicht jeden Tag anrufen, nein, doch ja natürlich, ja, ok, ja, ich dich auch. Du mich auch. Was ist das eigentlich. Als wir zusammenkamen, sagte ich, ich bin kein Gefängnis. Frauen brauchen Freiheit, das hatte ich gelernt, Frauen wollen frei sein, das wurde mir beigebracht, keine Eifersucht, keinen Streß, Frauen sind selbständige Wesen, stehen auf eigenen Füßen, ja, natürlich, und Männer engen sie ein, Männer klammern, Männer sind eifersüchtig, Männer wollen immer nur das Eine, nämlich Geld, jajaja, und ich habe gesagt: Ich bin kein Gefängnis – und landete selber dort. Irgendwie erinnert mich das an den Pseudosimon aus dem Leben des Brian. Seit zwei Jahren geht das so. Seit zwei Jahren bin ich und rede mir ein, glücklich zu sein, in der Beziehung, es klappt ja auch gut, wir verstehen uns prächtig. Ist es das? Manchmal denke ich, ist doch alles halb so schlimm und lebe wie der kalte Bauer.
War da nicht vor jahren etwas? Etwas Großes, Wunderschönes? Etwas, das mich bsi heute nicht losläßt, dem nachzutrauern idiotisch wäre, das sich nicht wiederzuwünschen unmöglich ist? Ich weiß es noch, weiß es genau. Nur, hat es geklappt? Nein. Es ist schief gelaufen, typisch für mich, was schiefgehen kann, geht schief.
Verlieben müßte man sich, ja, denke ich, das müßte man, und versinke wieder im trüben Grau des Tages. So dumm das ist, aber es ist die größte Kraft. Nach Geld und Sex. Die Wolken ziehen vorbei, ohne daß man es merkt. Sind doch eh alle gleichgrau, gleichtrüb, gleichfett. Regnet es schon? Ich weiß es nicht. Was weiß ich schon? Bin ich nicht das geborene Mittelmaß? Der Durchschnitt des Durchschnitts? Ist nicht mein Leben gespickt mit Fettnäpfen, Löchern, in die ich zuverlässig falle, Stricke, über die ich kontinuierlich falle. Ja, was schief gehen kann, geht schief. Gut, mag sein, ich bin nicht der klassische Pechvogel, doch was schief geht, geht schief. So ist das eben. So ist das. Ich bin mir sicher, nach bald dreißig jahren, ich bin mir sicher, fast sicher, es zu wissen. Da gibt es mehr, ohne religiös zu werden, aber da gibt es mehr. Viel mehr noch. In meienr Welt gilt nicht das BGB, guilt nicht das deutshce Starfgesetz. In meiner Welt herrscht Murphy! Und das ganz real Realer als real. Ist es Zufall, daß diese Dinge an mir beobachtbar passieren? Immer ist es so, immer immer immer.
Wieder donnert ein Flieger nicht nah und nicht fern über das dach meines Hauses hinweg. Ein pulsierendes geräusch ist es mit einbem leichten sirrenden Ton, wie eine Säge, nur viel feiner. Wohin es wohl fliegt? In den Süden, zur Sonne, zur Frauheit? Braune Körper am sandstrand? Oben ohne, als wäre das das Normalste der Welt. Ungezwungen, nackt, wie Got das Walroß schuf. Ich brauche frei, brauche frei von meiner bziehung. ich muß weg hier, weg aus meinem Gefängnis, das ich nie sein wollte, in dem ich nun bin. Das ewige Weib lockt, doch der einzige Ort, an dem ich es finde, ist in meinem Kopf. Die Gedanken sind frei. Von wegen. Mist, jetzt kommt das wieder, kommt und wieder stehe ich da, mit dem Besen in der hand, dem lappen und fege den Boden des Gemeinschfatsbads im Gasthaus und dann kommt sie herein umd Adieu zu sagen und zu gehen. Es wird ein Abschied für immer, denn sie geht fort. Nun kommt sie, da steh ich und sie umarmt mich und küßt mich, erst links, dann rechts dann mittenrein, da, wo’s so schön weh tut und wieder und wieder und bald liegen wir da am Boden im schaumigen Spülwasser und küssen und halten uns. Sie hatte schon einen kleinen Knall, hatte sie! „Beiß mich“,s agte sie und spielte Vampier. Ich muß lachen, wenn ich daran denke, aber es war schön. Iregdnwann kam mein Kollege. Mist, er war sauer, denn er hatte feierabend und wollte gehen. Nun warette er auf mich, seit einer dreiviertel Stunde, hatte Überdreiviertelstunden gemacht und für mich die zeit totgeschlagen während ich mich auf weißen Kacheln wälzte, bis mir der Rücken die Freundschaft kündigte. Ich sagte, es tut mir leid, er sagte, ich solle mein Maul halten und verschwand. Wir zupften unsre Kleider zurecht, denn, ja, wir hatten sie an, noch an, und sie klebten, sie stanken etwas nach Spüli und dreckigem Badezimmerboden. Sie hielt sich an mir fest, während wir über den glitschigen Boden liefen und runter ind die Stube, wo ich mit meinem Dienst dran war. Über mir, einen Stock höher, wohnte der Boß mit seiner Familie. Sie verließen mich und sich auf mich. Da stand ich da und sie stand neben mir, naß und bibbernd und sie drückte sich an mich und wir nahemn uns in und auf den Arm, legten uns hin auf den Tisch in der Rezeption, spielten Räuberhöhle, Vampier und Dracula. „Beiß mich, rief sie“ und ich biß sie bis sie glücklich war. Ihr schwarzes Haar flog um ihr Gesicht, wie ein Kissen aus Watte. Und dann trieben wir es auf dem Tisch neben dem Putzeimer und dem Besen mit dem stinkenden gelbschwarzen Wischmob und kamen zusammen mit meinem Boß, sie mit mir, ich in ihr, er ins Zimmer und ich lernte Fliegen.
IIIIIIIIIK, die U-bahn hält, Endstation. Mist. Soweit wollte ich gar nicht fahren. Ich steige aus. Warten bis die nächste kommt, um zurückzufahren Muß wohl, geht wohl nicht anders. Irgendwo höre ich Musik. Ein Fest, Volksfest sogar. Da geh ich hin, warum nicht. Auch wenn das kein wirklich guter Grund ist, aber besser, als zu Hause zu sitzen und aus lauter Langeweile zu onanieren.
 



 
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