23. Ein Ferientag

molly

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Die Hütte am Waldrand

Michael ging gerne zur Schule, doch die Sommerferien fand er wunderbar. Vom Morgen bis zum Abend spielten die Freunde zusammen. Erst wenn die Dämmerung sich über den Tag legte, mussten sie ins Bett. Jeder Tag brachte ein neues Abenteuer und eines führte sie in die Hütte am Waldrand.

Am ersten strahlend heißen Ferientag beschlossen die Kinder, zur Waldhütte hinaufzuwandern. Sie nahmen alle etwas zum Trinken und Essen mit und versprachen, pünktlich um sechs Uhr nach Hause zu kommen. Sie zogen ihre roten Schildmützen auf, die beiden großen Mädchen nahmen Sabinchen in die Mitte und los ging es. An der Querstraße hielten sie an. Michael wollte nachsehen, ob David mit seiner Bande in der Nähe lauerte.
„Ich komme mit“, rief die Prinzessin und lief ihm nach. Er hatte keine Lust mit ihr zu streiten und war auch froh, dass er nicht alleine nachschauen musste. Auf der Dorfstraße blieb alles still. Kein Hund bellte, die Bauern arbeiteten auf den Feldern und von David hörten und sahen sie auch nichts. Beruhigt setzten sie ihren Marsch fort. Am Rathaus angekommen, wuschen sie sich am Brunnen die Hände.
„Jetzt muss ich mal Pipi machen", verkündete Sabinchen.
Nele und die Prinzessin verschwanden mit ihr hinter dem Rathaus. Florian und Klaus planschten und spritzten am Brunnen.
Sie hielten sich schon zu lange hier auf, fand Michael. David hatte sie sicher gehört und würde bald kommen.
„Beeilt euch doch“, rief Michael den Mädchen zu. Natürlich protestierte die Prinzessin. „Hetze uns nicht, wir sind ja schon da", fuhr sie ihn an. Aber auch sie atmete erleichtert auf, als sie in den Feldweg einbogen, der vom Rathaus aus hinauf zur Hütte führte. Das Dorf lag bald hinter ihnen. Sie wanderten an Äckern, Wiesen und Feldern vorbei, grüßten die Bauern und sangen ihr Lieblingslied "Der Hahn ist tot".

Unterwegs hielten sie oft an, denn Sabinchens Beine wurden schnell müde. Bei der dritten Rast schimpfte Florian: „Du bist eben viel zu klein. Beim nächsten Ausflug bleibst du daheim.“ Das jedoch gefiel Sabinchen nicht und sie stimmte ihr Sirenengeheul an. Klaus und Florian hielten sich die Ohren zu. Die Prinzessin versicherte Sabinchen, dass sie nicht ohne sie wandern würden und blickte Florian wütend an. Augenblicklich hörte Sabinchen auf zu heulen und Michael sah, dass sie keine einzige Träne geweint hatte. Das bemerkte auch die Prinzessin. "Sabine“, sagte sie streng, „bei uns wird nicht geschrien. Du musst nur sagen, wenn du müde bist. Dann machen wir eine Pause!" Sabinchen schaute die Prinzessin ängstlich von der Seite an. Sabine genannt zu werden, bedeutete nichts Gutes, die Prinzessin wackelte mit dem Zeigefinger hin und her. Von nun an lief Sabinchen ohne Murren und müde Beine weiter.
Bald schon sahen sie die Hütte am Waldrand. Den Rest des Weges rannten sie schreiend und jubelnd hinauf.

Vor der Hütte hatten Waldarbeiter einen Grillplatz angelegt. Es gab einen Steintische und zwei Steinbänke. Die Hütte war aus dicken Baumstämmen gebaut und hatte zwei Fenster, eines an der Ostseite, eines an der Westseite. Die Tür lag auf der Südseite. In dieser schönen Blockhütte spielten die Kinder gern. Dann wurde aus der Hütte ein Schloss, das sie vor Räubern verteidigten und in dem sie Feste feiern konnten.

Jetzt allerdings hatten sie Durst. Klaus und Florian packten schon ihren Tee und das Brot aus. Die Prinzessin setzte sich auf eine Bank und sprang im gleichen Augenblick wieder hoch. „Auf den Steinbänken ist es viel zu heiß, ich gehen in die Hütte“, sagte sie. In der Hütte war es fast dunkel. Die Holzläden außen lagen vor den Fenstern und wurden mit Eisenstangen festgehalten. So verschlossen sah man die Hüttenfenster eigentlich nur im Winter. Die Prinzessin saß mit Sabinchen schon auf einer Holzbank und rief die anderen herein.
„Die Tür lassen wir aber auf“, sagte Nele und setzte sich neben Sabinchen. Michael trank gerade aus seinen Becher, als von außen die Tür zugeschlagen wurde. Nun saßen sie im Dunkeln. Michael sprang von seinem Platz hoch. Leider tat das auch die Prinzessin und sie stießen zusammen. Vorsichtig tastete er sich zur Tür und rüttelte an der Türklinke. Doch die Türe blieb zu.
Draußen lachte David. Er hatte mit der Eisenstangen die Tür von außen verriegelt und rief: „Ihr wollt die Rotkäppchenbande sein? Ich glaube, in der Hütte sitzt der Kindergarten.“ Dann klopfte er mit den Fäusten gegen die Tür, aber nicht alleine. Die Bande musste dabei sein. Von allen Seiten wurde jetzt mit Stöcken gegen die Wände geschlagen. Michael hörte nicht, was die Prinzessin rief, verstand nicht, was Nele sagte. Das Pochen an den Wänden und Davids Lachen dröhnte ihm in den Ohren. Dann hörte der Lärm plötzlich auf.

„Ich mag nicht, wenn es so dunkel ist. Mach wieder hell!“ verlangte Sabinchen. Doch, was sollten sie nur tun?
„Wir werden erst einmal laut schreien“, verkündigte die Prinzessin. Nun widersprach Sabinchen. „Aber du hast doch selbst gesagt, dass bei uns nicht geschrien wird“, sagte sie empört. Die Prinzessin war sprachlos und das kam selten vor.
Michael erwiderte: „Irgendjemand muss die Hüttentür von außen wieder öffnen und damit jemand kommt, müssen wir jetzt alle laut schreien."

Sie riefen und schrien lange, hämmerten mit ihren Fäusten gegen die Wände. Die Zeit verging so langsam, doch niemand kam. Die Bauern auf den Feldern hörten sicher ihre Schreie, aber sie wussten, dass die Kinder beim Spielen oft lärmten, und beachteten die Rufe nicht.
„Hört auf“, brüllte Michael seinen Freunden zu. „Wir müssen uns etwas anderes ausdenken.“
„Vielleicht können wir durchs Dach schlüpfen?" schlug Florian vor. Michael fand die Idee toll. Nur, wie sollten sie bis zum Dach kommen? Inzwischen hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt und sie merkten, dass die Hütte nicht nur im Dunkeln lag. Ein winziger Lichtstrahl schimmerte durch die Tür und auch um die beiden Fenster herum war es nicht ganz finster. Aber vom Dach her war es dunkel. „Erkläre uns einmal, wie du zum Dach kommen willst" fragte er.
Florian wollte auf die Schultern von Michael und der Prinzessin klettern und dann am Dach rütteln. Vielleicht saß ein Ziegelstein lose und würde herunterfallen. Das wollten sie einmal ausprobieren. Sie stellten sich nun Rücken an Rücken. Nele und Klaus halfen Florian beim Aufsteigen und hielten ihn fest. Doch als er endlich auf ihren Schultern stand, war der Abstand zum Dach immer noch viel zu groß. Er kletterte wieder herunter und sie grölten noch einmal laut und kräftig. Sabinchen schrie eifrig mit und feuerte die anderen an, als diese mit dem Gebrüll kurz aussetzten.
Sie rief: „Mehr, mehr" und klatschte dabei in die Hände. Die Kinder gaben sich so viel Mühe, aber es schien sie niemand zu hören.
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Was die Kinder in der Hütte noch erleben und wer sie endlich befreit, davon erzählt die nächste Geschichte.
 



 
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