3 Tage im Oktober (2.Tag)

Aquasculum

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Erinnert ihr euch noch, was ihr euch vorstellen solltet? Ja, genau, diese junge Frau, gekleidet in ein schönes Kleid. Sie sitzt an einem alten, schweren, hölzernen Schreibtisch, die rote Kerze brennt wieder neben ihr, die Flamme spiegelt sich in ihrem Augen.
Die Feder kratzt wieder über das Papier, ich hoffe, ihr könnte sie hören...

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Es ist mir klar geworden, dass die Zeilen, die ich
gestern schrieb, nicht von irgendwo kamen, ich habe
gemerkt, dass sie nicht nur irgendein Bild, irgend-
eine Stimmung in meinem Kopf, meiner Seele, meinem
Herzen beschreiben...
Ich weiß jetzt, was sie in Wirklichkeit zu Papier
gebracht haben und es erschreckt mich.
Der Nebel, das Pferd, die Männergestalt, die wie
ein Geist verschwand, all das stammte aus einem
Traum den ich hatte, bevor ich mitten in der
Nacht schweißgebadet aufwachte.
In diesem Traum war ICH die einsame Reiterin
gewesen... ich hatte den Traum erneut, jetzt weiß
ich warum man die junge Frau ausgestoßen hatte.
Sie hatte ihn geliebt, doch er liebte sie nicht wider.
Ihr Sehnsucht, ihre Liebe wuchs, doch er zeigte ihr
gegenüber kein Gefühl, vielleicht konnte er es nicht,
vielleicht wollte er es nicht, vielleicht...ja, vielleicht
war ihr Charakter, ihre Art einfach zu fremd
für ihn, vielleicht konnte er sie einfach nicht ver-
stehen, sie nicht lieben. Vielleicht tat er’s auch, doch
er konnte es nicht zeigen...who knows? I don’t!!
Es kam zur Eskalation als die beiden einmal
alleine sich trafen...auf seinen Wunsch hin.
Ihre Gefühle, ihre Sehnsucht, Sehnsucht, ihm endlich
das zu zeigen, das zu geben, was sie für ihm
empfand kamen zum Ausbruch, ließen sich nicht mehr
zurückhalten...und so versank sie in seinen
Augen, in diesen tiefen Wäldern voller wohligem
Schatten...versank in ihnen, verlor sich in ihnen
und ihre Lippen drängten nach einem Kuss, und
sie gewährte ihnen diesen Wunsch, denn das
Verlangen danach steckte auch ihn ihrem Herzen.
Er ließ es geschehen, doch sagte er ihr, es wäre nicht
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sein Wille gewesen.
Sie aber hatte so gedacht, hatte geglaubt, er würde ihr
auch endlich sein Herz schenken, sich ihr öffnen, doch
sie hatte sich täuschen lassen. Von ihrer Phantasie,
in der es schon längst so gekommen war, hatte
sich täuschen lassen von ihren Träumen...die Arme.
Sie wand ihren Blick von ihm ab, blickte zu
Boden, um die glitzernden Tränensterne vor ihm zu verstecken,
dann ging sie, nein, lief sie davon.
Sie schämte sich, ihre Gefühle nicht unter Kontrolle
gehabt zu haben, schämte sich, sich von ihren Wunschvorstellungen
täuschen zu lassen, schämte sich so sehr...
Er würde es erzählen, alle am Hof würden wissen,
dass sie, die Träumerin mit der Sehnsucht nach
Liebe, ihn geküsst hatte. Sie würden es alle wissen,
mit dem Finger auf sie zeigen und lachen.
Nie wieder konnte sie ihm in die Augen blicken
ohne beschämt den Blick abzuwenden. Nie wieder.
Auch die anderen würde sie nicht mehr sehen wollen.
„If this is a dream, wake me up now...
if this is a movie, let’s edit these scenes out...“
So verstieß sie sich selbst, packte ihre Satteltaschen
mit Proviant und einigem Kleinkram, der ihr wichtig
war, zog die wärmsten Sachen an, die sie besaß,
sattelte ihr Pferd und ritt los, hinein in
die kalte Herbstwelt des Novembertages...
Das ist wieder der Punkt, an dem ich die
Szene verlassen muss, ich, die ich gleichzeitig
Autor und Protagonist des Stückes bin.
Die Reiterin wird weiterreiten, ohne auf den Weg
zu achten, denn sie hat kein Ziel, sie will einfach
nur weit weit weg und nie wieder zurück-
kehren. Wozu also den Weg merken?!
Dann wird sie in den Wald kommen, der
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Nebel wird aufziehen und den Rest kennt der auf-
merksame Leser!
Auch heute kann ich nicht mit einer Fortsetzung dienen, denn
noch habe ich selber keine gesehen. Jede Nacht dieser
Traum, immer die Gestalt im Nebel, die vergeblichen
Rufe, die erfolglose Suche, die Verzweiflung...
Werde die Geschichte sobald wie möglich weitererzählen.
Nun, heute sagte jemand zu mir, ich erinnere ihn
an seinen kleinen Bruder. Ich fragte wieso und er antwortete
mir, dass sein Bruder auch alles immer mit Witz sehen
würde, und über alles lachen würde. Ich sagte ihm, dass
es doch eine gute Lebenseinstellung wäre. Von Grund
auf Positiv, und er stimmte mir zu. Doch ist es wirklich so?
Vor allem, bin ICH wirklich so? Ich glaube nicht, nicht
ganz, nicht absolut, ich denke, nach außen hin sicher-
lich, alles witzig, doch wer sieht denn schon mal nach
innen?! Es ist nicht alles so positiv, nicht über
alles kann man lachen, oder?!
Würde ich über den Traum, der mich verfolgt, lachen,
so würde ich nicht so erschrocken darüber sein, so
würde ich nicht meine Gedanken aufschreiben, oder?!
Würdet Ihr, lieber Leser, über das lachen, was ich schreibe,
oder würdet Ihr nachdenken? Würdet Ihr denken,
dass in meinem „vernebelten“ Kopf, alles einen Witz
beinhaltet? Hmmm...
Ich denke, ich muss mich nun verabschieden, zu
viele solcher Gedanken trüben vielleicht sogar die
aufgesetzte Fröhlichkeit.
I think, eigentlich fühle ich im Moment gar
nicht das, was ich schreibe, doch warum
schreibe ich trotzdem so? Wer löst dieses Rätsel
für mich?!
Till then,
Erbaria
26. Oktober
 



 
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