3 min aufenthalt

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revilo

Mitglied
plakative fetzen von geschichten,
die niemand hören möchte

durchreis(s)ende blicke
in lichtlosen raum

niemand kommt, niemand geht

ein schnarren, über dieser einfalt
zertrümmerter Zeit

der asthmatische bahnhof
lässt sich wertlos zurück

wenn ich richtig gezählt habe, sind es in dem kurzen Text 6....ich lese so etwas häufig....gegen eine verknappte Sprache ist nichts einzuwenden....aber der fast absolute Verzicht auf Verben bewirkt, dass das Gedicht sehr gedrungen wirkt...lg revilo
 

tangoed

Mitglied
den inhalt verstehe ich nicht

das ist sehr schade, da er so schwer nicht zu erkennen ist.

er basiert auf einer zugfahrt anfang der 90´ger durch die ehemalige DDR.

mal als ansatz:

die plakate zeigen eine "andere welt" (die des konsums), an der diese provinz nicht in vollem umfang partizipieren konnte und gleichzeitig waren da noch die alten DDR überbleibsel (wo alles irgendwie plakativ war), neue und alte geschichten, eine übersättigung an informationen und dazwischen orientierungslose menschen (quasi in einer zwischenwelt), die noch keinen festen halt in der mittlerweile herrschenden realität gefunden hatten. passivität, gleichgültigkeit, die phase der hochstimmung der wiedervereinigung bereits verebbt,das "alte" verrottet, das "neue" wird nicht angenommen, eine zwischenwelt halt.

als durchreisender wessi und beobachter:

durchreis(s)ende blicke
in lichtlosen raum

ist man passiv gebannt, registriert (3 minuten), sieht (lichtlos) ins Dunkel, reisst diese Dunkelheit gedanklich auf

niemand kommt, niemand geht

verdeutlicht die bedeutungslosigkeit

und so weiter ...
 

tangoed

Mitglied
Adjektive

Ich habe in einem Text wirklich noch nie die Adjektive gezählt und schon gar nicht Texte an der Zahl der Adjektive in Ihrer Qualität bemessen, aber naja...

6 sind hier ja anscheinend zuviel, aber ich wüsste wirklich nicht, wie dieser Text ohne sie an Aussage gewinnen könnte???

Der Text muss gedrungen sein, denn der Zug fährt ja nach nur 3 minuten weiter ...
 

Tula

Mitglied
Hallo tangoed

Auf die inhaltliche Absicht wäre ich so niemals gekommen. Vielleicht könntest du im Titel oder im Text auf Jahr und Ort anspielen.
Ansonsten finde ich einige Beschreibungen nicht so sehr glücklich, zumindest vor meinen Augen entwickelt sich die beschriebene Szene nicht. Eine Vopo-Uniform, ein alter SED-Slogan oder sonstwas könnte das Bild klarer machen.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Mir gefällt der Text gut. Er versetzt mich in einen solch typischen 3min-Aufenthalt an einem kleineren Bahnhof. Man schaut raus, nimmt dies und das auf, ohne es wirklich zu registrieren, geschweige denn zu verarbeiten. Und oft, wie hier gelich mit Beginn, bleibt man an einem Plakat hängen, das irgendwo angeklebt prangt.
Die einzige Stelle, an der ich stutze und das gefühl habe, das etwas nicht stimmig ist:

ein schnarren, über dieser einfalt
zertrümmerter Zeit
Mit dem "über dieser einfalt zertrümmerter Zeit" komme ich nicht klar. Worauf bezieht es sich, wieso überhaupt "dieser Einfalt"? Stimmt es da grammatikalisch, wo ist der Bezug?
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
@tula (unsere Kommentare haben sich überschnitten ;-))

Eine Vopo-Uniform, ein alter SED-Slogan oder sonstwas könnte das Bild klarer machen.
das würde den Text in meinen Augen viel zu sehr einschränken. Überhaupt muss der Text meiner Ansicht nach gar nicht mehr in der ehemaligen DDR spielen, er passt ebenso für viele andere Bahnhöfe in Deutschland. Fahr doch mal durch Teile des Ruhrgebiets.

Nein, der Text ist so offen und nicht festgelegt für mich gut, weil er dem Leser die Möglichkeit gibt, ihn auf seine Weise, in seiner Situation zu verstehen. Er transportiert ein Erlebnis, viel mehr ein Gefühl, und der Leser macht etwas daraus (oder auch nicht).
 

tangoed

Mitglied
plakative fetzen von geschichten,
die niemand hören möchte

durchreis(s)ende blicke
in lichtlosen raum

niemand kommt, niemand geht

ein schnarren legt sich über die einfalt
zertrümmerter Zeit

der asthmatische bahnhof
lässt sich wertlos zurück
 

Tula

Mitglied
Hallo nochmal

Ich stimme zu, dass der zeitliche Bezug wie im Kommentar angegeben jetzt nicht mehr so aufregend ist. Dann lieber einen abgedroschenen Spruch der letzten Wahlen und eben 'irgendein' Bahnhof. Dann fehlt aber mMn noch ein inhaltlicher Kontrast, der das Ganze wirklich interessant macht. Das Plakat könnte auch in dieser Hinsicht nützlich sein. Oder jemand verzweifelt mal wieder am Fahrkartenautomat, denn auf den seelenverlassenen Kleinstadtbahnhöfen gibt es ja keine Angestellten mehr. Dafür wird der Bahnsteig video-überwacht, einer von 300 Monitoren im 50km entfernten CCTV-room
Man fühlt sich sicher ...

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
@tula,

vielleicht hast du Recht: so ein reales Bild als Zusatz würde dem Leser ggf. helfen, in den Text einzusteigen. Wie gesagt, als Zusatz: ansonsten würde ich am Text nicht viel ändern.
 

tangoed

Mitglied
plakative fetzen von geschichten,
die niemand hören möchte

durchreis(s)ende blicke
in lichtlosen raum

niemand kommt, niemand geht

ein schnarren legt sich über die einfalt
zertrümmerter Zeit

der asthmatische bahnhof
bleibt wertlos zurück
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Der Titel dürfte genügen, um den Leser auf die richtige Spur zu führen. Da stimme ich dir zu.
Tulas Vorschläge würden den Text etwas plastischer gestalten.

Mir (ich hatte mich ja bereits geäußert und auch entsprechend gewertet) reicht das, was der Originaltext liefert. Da scheine ich die Ausnahme zu sein. Mit dieser kleinen Erweiterung würdest du vermutlich weitere Leser für dich gewinnen. ;-)
 

revilo

Mitglied
Guten Morgen....die Intention des Autors ist für mich zweitrangig....auf diese Geschichte wäre ich nie gekommen....dafür bin ich wahrscheinlich zu blöd....ich habe leider nur Bahnhof verstanden...es geht mir hier primär um das Handwerk,nicht um den Inhalt....es ist vollkommen ok, wenn du dein Gedicht verteidigst....deine Argumente sind absolut nachvollziehbar....mein Beitrag ist nur als Anregung zu verstehen....was du daraus machst, ist natürlich deine Sache......
LG von revilo,der dir einen schönen ersten Advent wünscht...
 



 
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