Blutige Heilige Nacht - 4. Zungenkuss

ahorn

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4. Zungenkuss

»Chef!«, hallte eine Herbert Tamban bekannte Stimme durch den Empfangsbereich des Polizeireviers.
Er schlug an seine Stirn, schleppte die müden Knochen, den knurrenden Magen am Tresen vorbei, an dem Monika Ferigart mit ihrem Hintern wackelte. Sie spielte mit ihrer Kette, derweil präsentierte sie ihre Brüste, einem Uniformierten. Nicht unterscheidbar von der Frau, welche, ohne Zweifel dem waagerechten Gewerbe angehörte, einen weiteren Beamten bearbeitete.
»Chef!«, grölte die Gestalt, die in ihrem Kostüm dem Täter ähnelte, nur mit dem Unterschied, dass sie keinen weißen Bart, stattdessen einen ungepflegten mit Essens Resten bekleckerten Vollbart trug. Nicht nach Rosenwasser mit einer Note Nelke duftete, sondern eine Wolke von billigen Fussel ausdünstete.

Herbert baute sich, die Arme verschränkt, in einem Sicherheitsabstand auf. »Na Kalle, wen hast du erschossen.« Dabei erinnerte sich an das letzte Weihnachtsfest. Diese armselige Kreatur machte ihm weis, er hätte einen alten Mann mit einem Buschmesser erlegt. Indessen baumelte der Körper des Einsame an der Wohnzimmerdecke. Ein frühzeitiges Ende hatte er seiner Seele zur Weihnacht geschenkt.

»Erstochen beide Mann nebst Frau«, lallte Kalle und bewegte dabei die Rechte oberhalb seines Schosses in einer Weise auf sowie ab, die, wäre Herbert eine Dame, ihn zwänge, sich mit Scham abzuwenden. Da er unwiderlegbar maskulin war, verdrehte er einzig die Augen.
»Kalle zieh Leine und hör nicht immer den Polizeifunk ab!«, harschte er ihn an, schritt zum Empfangstresen zurück.

»Frau Ferigart sie sollen hier nicht herum schäkern«, schnauzte Herbert sie an. »Besorgen sie diesem Christbaumständer Klamotten!«
»Ja! Ja! Man darf sich wohl Mal unterhalten«, beschwerte sie sich und schob ihren Oberkörper näher an den Beamten in Uniform.

Herbert stellte sich vor den Kaffeeautomaten, holte Münzen aus seiner Hosentasche, steckte die Erste zur Hälfte in den Schlitz. Ein Druck der Blase überkam ihm, woraufhin er das Geldstück wieder einsteckte und gen Örtlichkeit marschierte.

Herbert drückte in einer Hand seinen Kaffeepott mit der anderen die Klinge der Tür herunter, auf dem jeweils die Hälfte eines Jungen sowie eines Mädchens in trauter Zweisamkeit klebten. Das Bouquet einer Bahnhofstoilette aus den Siebzigerjahren des zwanzigstens Jahrhundert empfing ihn.

Er klemmte sich den Kaffeepott unter die linke Achsel, ziepte den Reißverschluss der Hose auf, stellte sich die Beine gespreizt, vor das Urinal und fischte nach seinem besten Stück.
Die Stirn in Falten, drehte er den Kopf über die rechte Schulter, nahm die Kaffeetasse in die linke Hand und schritt zur Tür. An dem mit einer Unzahl vulgären Sprüchen verzierten Türblatt, taste er das Türschloss ab. Kopfschüttelnd wandte er sich ab, durchquerte die Toilette, steuerte die Rechte der beiden Kabinen an.
Nachdem er die Reste des letzten Gastes von der Brille entfernt hatte, glitt seine Hose herab, woraufhin er es sich bequem machte. Dabei achtete er darauf, dass der Stoff die urinschwangeren Fliesen nicht berührte.
Ein Feuerzeug auf dem halb abgerissenen Papierhalter animierte ihn, die letzte Zigarette aus der Hemdentasche zu angeln. Nach einem Blick zum Feuermelder, welcher keinen Brand zu melden in der Lage war, jene zu entzünden.

»Die Hexe hat meinen Sack«, schrie Kalle über den Flur, nachdem Herbert die Tür zur Toilette geschlossen hatte.
»Nicht in dem Ton«, zischelte eine Frau und klemmte eine Strähne ihres schulterlangen, gewellten kastanienbraunen Haars hinter ihr rechtes Ohr.
Tamban stampfte zu ihr. »Frau Seibot, was machen sie hier!«
»Meiner Arbeit nachgehen.«
Herbert beugte sich vor, bis beinahe seine Nase die ihrige berührte. »Welcher Arbeit! Sind hier irgendwelche durchgeknallten Psychos.« Er fuchtelte mit den Armen. »Nein! Ein klarer Mordfall und damit basta.«

Er konnte diese Frau nicht ausstehen. Nicht sie in Person, sondern ihren Berufsstand verabscheute er. In jeder Tat sahen sie die miese Jugend des Verbrechers, standen dem Täter näher als dem Opfer. Gut. Sie war nur für ein paar Wochen in seiner Abteilung – zur Probe. Aus Kiel hatte die Chefin sie eingeführt. Die Kollegen vor Ort ohne Frage froh darüber, dass sie weg war.

»Sie haben Urlaub«, schrie er, »genießen sie die freie Zeit mit ihrer Familie.« – »Geben sie Kalle seinen Sack zurück!«
Sie strafte ihren Rücken. »Ich habe in nur nach Beweismittel untersucht.«
»Und!«
»Er ist leer.«
»Toll!«

Herbert entriss ihr den Sack, stampfte zum Tresen, an dem weiterhin Monika Ferigart mit ihrem Kollegen flirtete.
»Könnten sie eventuellerweise endlich ihrer Arbeit nachgehen und…« Er erhob den Arm, wies auf die Tür des Revierleiters, in dem das Verhör stattfand.
Sie kickte mit ihrem spitzen Absatz gegen eine Plastiktüte. »Erledigt!« – »Chef!«
Tamban schüttelte sich. »Wie haben sie …«
Monika drehte sich zu ihren Dienstherren um, blies dabei eine Strähne von ihrer Stirn. »Charme!«.
Sie hob ihre Brüste und wandte sich erneut dem Kollegen zu.
Herbert wies mit dem Daumen zur Ausgangstür. »Dann bewegen sie ihren weiblichen Hintern zum Dezernat!«
Sie blickte auf ihre Armbanduhr.
»Sie wollen zum Kriminal Dauerdienst«, donnerte Herbert ihr entgegen. »Dauer heißt bis wir fertig sind. Wir treffen uns dann am Tatort.«
Monika wandte ihm ihren Rücken zu, schnappte die Tasche, schwank ihr Gesäß, schritt zum Ausgang und winkte dem Herrn in Uniform, ein Auge zwinkernd, zu.
»Außerdem für sie immer noch Kriminaloberrat Tamban Frau Kriminalkommissarin Ferigart«, schrie er ihr hinterher.
Er stampfte zu Kalle.
Jener lächelte und kreuzte seine Unterarme. »Bin ich jetzt verhaftet?«
Frau Seibot trat an Herberts Seite. »Was machen wir als Nächstes?«
»Wir?«, brüllte er. »Sie fahren nach Hause.«
»Aber«, stotterte sie und zeigte zur Reviertür. »Ich bin mit Monika hier!«
»Dann nehmen sie sich ein Taxi!«
»Chef!«, trällerte Kalle und erhob die gekreuzten Arme.
»Sind hier den alle verrückt«, donnerte Herberts Stimme durch den Gang. Er winkte dem Beamten zu, mit dem Monika geflirtet hatte. »Herr Polizeimeister nehmen sie dieses Individuum fest.«
Herbert zerrte Kalle vom Stuhl, schleifte ihn zum Tresen.
»Mit welcher Begründung?«, fragte der verdutzte Staatsdiener.
»Blödheit oder Behinderung von Ermittlungen.« Er schlug auf den Tressen. »Denken sie etwas aus. Waren sie nie auf der Polizeischule«, schnauzte ihn Herbert an und begab sich zum Kaffeeautomaten.

Der Polizist ergriff ein Formular, nahm einen Kugelschreiber in die Rechte.
»Name?«
»Sascha Svinemotski«
»Geboren?«
»Ja!«

Das Plätschern des Kaffees besänftigte Herberts Nerven. Der Nebel des Dampfes, der Schaum, welcher sich in der Tasse bildete, der letzte Tropfen, der in die Crema versank, Wellen schlug, um anschließend als Schaumball wieder neu geboren zu werden, verzückte ihn.

Den Kaffeepott unter der Nase, den Duft des frisch gebrühten Getränkes inhalierend, drückte er mit der anderen Hand die Türklinke der Tür des Büros des Revierleiters herunter, stieß das Türblatt auf, erstarrte.
Er sah sich um, streckte den Kopf um die Kante und musterte den Weihnachtsbaum. Die Ferigart musste total verrückt geworden sein. Hatte er vor geraumer Zeit den Täter, verkleidet in einem Weihnachtsmannkostüm, zurückgelassen, erblickte er ihn nun ihn einem knielangen roten Kleid mit einen in weißen Plüsch besetzten Rocksaum. Die Beine gehüllt in schneeweißen Strümpfen. Den Rumpf gebeugt über den Schreibtisch, die plüschumrahmte Kapuze des Kostüms über den Kopf gezogen, kramte er in einer Schublade.
»Was machen sie da?«
»Ich suche eine Nagelfeile!«
Baum-Ständer erhob sich. Die Kapuze glitt über seine Augen. Er richtete, die Hüfte schwingend, das Kleid, strich über den Rock, hielt die Rechte unter sein Kinn und zupfte an einem Fingernagel. »Ich habe mir den Nagel eingerissen.« Demonstrativ zeigte er Herbert, die Finger gespreizt, die Hand hin.
»Setzten sie sich«, schnarrte Tamban ihn an, schritt zum Schreibtisch, packte an seine Kapuze, »Und nehmen sie dieses Ding ab!«, brüllte er und riss das Verdeck ihm vom Schopf.
Er plusterte die Wangen, zog die Hände an seinen Oberkörper ferner den Kopf zurück.
Die Gestalt vor ihm griff in ihr schulterblattlanges, gewelltes platinblondes Haar. »Herr Kriminaloberrat meine Haare«, sie strich über ihre Mähne, »seien sie nicht so grob!«
Herbert schritt rückwärts um den Schreibtisch, stelle die Kaffeetasse ab und fiel in den Bürostuhl.

Selten hatte er sich derart blamiert. Die Tat, das Kostüm, der Name, alles ließ ihn darauf schließen, der Täter war ein Mann, obwohl seine Gestalt, die Grazilität, die Stimmlage zum Körper einer Frau passte. Nicht Christ von Christian, sondern eine Christiane saß ihm gegenüber. Seine Mitarbeiterin hatte dieses von Anfang an geahnt. Monika Feigrat Frivolität, ihr Hinweis auf den Charme des Weibes, hätten in warnen müssen.

Sie legte ihren Kopf schief und lächelte Herbert an. »Hätten sie vielleicht ein Haargummi«. Sie drehte sich eine Locke.
»Nein!«
Sie ergriff ihr Haar am Nacken, wandte es um ihre Finger, verdrehte das Bündel und presste es in einem Kringel an ihr Haupt. Mit der einen Hand hielt sie ihr Werk, beugte sich über den Schreibtisch, schnappte zwei Bleistifte, mit denen sie, gleich einer Geisha, den Dutt fixierte. Sie blinzelte ihm zu, überschlug ihre Beine, wandte jene zur Seite, schob den Saum ihres Kleides bis an ihre Kniescheibe und legte die Hände gefaltet an ihr Schienbein.

Die Grazie sowie Anmut, welche sie darbot, unterstrich seine Erkenntnis, dass sie voll und ganz weiblicher Natur. Ihre Geschichte auf einmal plausibel. Der Kommentar auf das Verhalten von Männern war ohne Skepsis im Rahmen ihrer Logik. Denn sie war die Betrogene. Der Tote ihr Ehemann, die Frau, die sie entstellt hatte, die Geliebte. Nein! Ihr Fingerzeig auf den Straßenstrich, den Oralverkehr, ließ ihn vermuten, dass die verstümmelte Frau eher eine Professionelle und ihr Mann mehr in ihr gesehen hatte.

Er zupfte am Schnurrbart. Entweder war sie total abgebrüht oder stand - was nicht auszuschließen war – unter Schock. Denn welch eine Frau – in seinem Berufsleben hatte er viele weibliche Mörder in die Augen gesehen – war zu einer derartigen Tat fähig. Gesicht zerkratzten, Säureattentat, vergiften, zustechen lag den Frauen nicht fern, die Liste war ohne Ende, aber Teile des Antlitzes, die Brustwarzen sowie die Vagina des Opfers mit einem Tranchiermesser filetieren.

Herbert rollte mit dem Schreibtischstuhl an sie heran, nahm wie ein Vater ihre Beine zwischen die seinigen, lächelte sie an und musterte erneut ihr Gesicht. Die leichten Schatten an ihren Lidern entpuppten sich als blaugrauen Lidschatten ferner der Fleck an ihrem Mund zu Überresten von dunkelroten Lippenstift.
»Herr Baum-Ständer…« Er blieb bei jenem Terminus, denn er schloss nicht aus, dass sie in die Rolle ihres Mannes geschlüpft war. Ein vergleichbarer Fall trieb Herbert vor mehreren Jahren in den Wahnsinn. Die Folgen hinterließen einen Eintrag in der Personalakte. Die Frau fand er am nächsten Tag erhängt in ihrer Arrestzelle. Er drehte das Mikrofon in ihre Richtung. »Was war ihnen so peinlich?«
Sie senkte den Kopf. »Darüber kann ich nicht sprechen« – »Nicht mit ihnen.«
Sie unter Druck setzen nicht mehr seine Absicht. »Dann erzählen sie, wie es am Abend weitergegangen ist?« – »Sie haben gegessen!«

»Hatte ich bereits gesagt. Sie hatte ihren Chef geladen. Ich führte ihn zum Sofa, schenkte ihm einen Cognac ein. Männer stehen darauf, meins, ist es nicht.« Sie schüttelte sich. »Ich bin dann, wie es sich gehört den Tischabräumen und sie ist in Bad«, sie griente, »ihr Näschen pudern. Sie wissen ja, wie Frauen so sind. Eitel, das Make-up muss tadellos sein – wie lange das immer dauert.«
»Ja, Ja!«, stöhnte Herbert. Wie oft er auf Magda wartete.
»Dann erschien sie. Sie schritt an mir vorbei direkt zum Sofa. Ich wollte ihr ein Geschenk machen. Wie sie ihn beim Essen angelächelt hatte - es ist Weihnachten. Ich trat an sie heran, öffnete den Reißverschluss ihres Kleides und der Stoff glitt an ihrem Körper herab.«
Sie nahm Herberts rechte Hand zwischen ihre Finger. »Was für eine zarte Haut sie haben«, hauchte sie und legte sie auf ihr bestrumpftes Bein.

Es war nicht Herberts Art Tatverdächtige zu berühren, aber, wenn es der Wahrheitsfindung dient, wie er es in einem Seminar gelernt hatte, dann gab es Ausnahmen.

»Ich führte sie ums Sofa herum, platzierte sie neben ihn. Wie ein schüchternes Schulmädchen nippte er am Cognac. Süß sahen beide aus – unschuldig. Ich öffnete ihren BH, nahm das Getränk aus seiner Hand«, sie ergriff Herberts Rechte, »und legte diese auf ihren Busen.«
Ihr oberes Bein glitt neben das vorher untere. »Er streichelte sie«, fuhr sie fort und Herberts Finger navigierten über ihre Nylons.
»Ich ergriff ihren Tanga, zerrte ihn auf ihre Lenden.«
Herbert zog den weißen spitzenbesetzten Slip über ihre mit Strümpfen bekleideten Beine.
»Die feine Spitze über sein Gesicht streichend,« Herbert inhalierte ihren Duft, »ergriff ich seinen Zeigefinger, leckte ihn ab und presste ihn an ihre Scham, bis ihre Lippen ihn empfingen.« – »Sie küssten sich. Ihre Zunge verschwand in seinem Mund. Ich kniete nieder, streichelte die Hose, löste den Gürtel, knöpfte sie auf und befreite die Männlichkeit. Mit jedem Stoß seines Fingers wuchs sie in meiner Hand.«
Ihre mit Erotik gefüllte Stimme benebelten Herbert.
»Meine Zunge küsste ihn« - »Dann umschlangen meine Lippen seine Eichel.«

Herbert schloss die Augen. Das Aroma des Stollens der Mutter verzückte seine Zunge, beglückte die Riechzellen. Er saß am Esszimmertisch Magda vis-a-vis. Vor ihr ein Teller beladen mit Sauerkraut und Kartoffelbrei, frisch gestampft mit viel guter Butter. Auf einer Gabel aufgespießt eine Käse-Krakauer krossgebraten, glänzend vom Butterschmalz in Magdas Mund. Ihre Zunge leckte, spielte mit der Leckerei. Ihre Lippen bändigten die Wurst, die geführt durch ihre Hand in ihren Rachen ein-, ausfuhr, bis, sie riss ihre Augen auf, der Zipfel zerbarste und ein zu einer Creme geschmolzener Käse spritzte im Takt seines Herzens an ihr Gesicht.

weiter zum nächsten Teil 5. Coitus interruptus
 



 
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