4. Sitzung oder Science-Fiktion.

3,00 Stern(e) 1 Stimme

nachtfalter

Mitglied
Ein großes Tier lag auf der Fahrbahn.Ein Rabe fraß davon.Wiederum war ich unterwegs zu Frau Ahavzi, ohne zu wissen, ob ich sie heute antreffen würde. Ich hatte meinen Termin nicht aufgeschrieben. Als ich von der sonnigen Straße in den dunklen Hausflur trat, leuchtete ein mattes Licht im Keller. Ich mußte drei Stockwerke gehen, weil der Aufzug defekt war.Nach jedem Stockwerk legte ich eine kurze Pause ein.Im letzten Stock war durch das Gangfenster eine schöne Aussicht auf die Vororte Wiens möglich und das Sonnenlicht spiegelte sich im Messing des Türknaufs.

Ich hörte Schritte, ein Kommando:Sitz, das dem Hund galt. Sie öffnete vorsichtig die Türe nur einen Spalt breit, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, die Tür einfach tagsüber offen zu lassen, bevor ich kam.
Sie begann: Heute werde ich Ihnen erzählen, was ich in einem jüngst erschienenen Science-fiktion Roman gelesen habe und wenn sie dann immer noch ihrem persönlichen Glück nachjagen, der jetzt so modernen Selbst-Verwirklichung, dann sind sie ein hoffnungsloser, therapiressistenter Fall, sagte sie. Warum wird denn so viel darüber gesprochen? Weil niemand selbst ist, selbst ist nur, wer es nicht weiß.

Dann sprach sie, die Glasnostikerin mich durchscheinend weiter an: ein Labyrinth ist ein Labyrinth. Stets war der Ariadnefaden eine Fußangelschnur von schwerem nylon.
Für die Seen und Flußufer erfand man großzügige Verschmutzungen, um die Gefahr der Durchsicht zu bannen. Das Sehen fand durch Glasscheiben statt. Das Nichtschimmen kam aus sicherheitstechnischen Gründen in Mode. Jeden Abend wurden im Fernsehen die Idealmaße der Frauen verkündet, so daß eine Frau schon sehr widerständig oder alt sein mußte, um nicht an ihren "Problemzonen" zu leiden. Die Schönheitschirurgen griffen zum Skalpell so oft wie noch nie und verdienten viel Geld. Die Nahrungsmittel glichen manchmal den Produkten aus der Apotheke, wenn man die Inhaltsangaben las. Wir rissen die Beutel auf, um uns das Essen zu erwärmen. Wir rissen die Beutel auf, um die Katzen zu füttern. Man brauchte ein Stanleymesser, eventuell Zange und Hammer, um an das gut verschweißte Essen zu gelangen.

Nach den Terroranschlägen auf die Türme der neuen Welt( es starben ca.3000 Menschen) arbeiteten schließlich nicht nur die amerikanische, sondern auch die europäischen Regierungen fieberhaft daran, alle Bürger unter engmaschige Kontrolle zu bringen. So schlimm ist das nicht wirklich, wir haben uns ja schrittweise daran gewöhnt. Offensichtlich ist schon viel erreicht worden, aber die Perfektion ist das Maß. Ich selbst bin doch ziemlich widerständig gegen paranoide Verschwörungstheorien.

Die Kälber kamen schon lange durch Besamung zur Welt. Sie bekamen keine Muttermilch, nur ein Surrogat.
Die Menschen tranken ihre Milch. Die menschlein,sie kamen
zur Welt in vitro.Sie bekamen selten Muttermilch, die Pharmaindustrie kümmerte sich auch um das.

Eine schreckliche Vision! rief ich. Das haben sie mir nur erzählt, um meine Stabilität auf die Probe zu stellen. Das nächste Mal werde wieder ich Ihnen etwas erzählen. Ich ging.

Irgendwie war mir bang. Plötzlich bildete ich mir ein, daß unter der Straßenbahnremise ein altes Gräberfeld sei und unter der Schwendergasse jetzt die Ratten huschen, durch die einst die Strotter gegangen waren, um zu überleben.
Die Straßenbahn fuhr quietschend durch die eisigen Schienen und ich vermeinte, das Jammern der armen Seelen zu hören.

Auch bildete ich mir ein, daß an der Straße Prostituierte gestanden sind, sie waren noch Kinder.
Sch.
 



 
Oben Unten