5. Kapitel

Es mochte gut eine halbe Stunde vergangen sein, als Feya vor sich, im Schein der nun größeren Flamme einer gefundenen Fackel, eine Höhle entdeckte. Sie waren vorher schon oft an Abzweigungen vorbeigekommen, doch nach ein paar Schritten, drang ihnen von dort der unverkennbare Geruch der Kanalisation entgegen. Sie hatten nach mehreren Versuchen sich darauf geeinigt dem Hauptgang zu folgen.
Feya leuchtete in den Höhleneingang und gab einen erstaunten Laut von sich. „Huch, hier ist ja ein richtiger Raum mit Bett, Stühlen und einem Tisch!“
Maruk drängte sie in den Raum hinein, „Hmm, ich denke hier warten die Schmuggler bis es Nacht ist und sie sich im Schutze der Dunkelheit davonschleichen können.“ Er sah sich aufmerksam um. „Wir sollten es ihnen wie beschlossen gleichtun und auf die Nacht warten. Vermutlich ist der Ausgang nicht weit. Du kannst dich ein wenig ausruhen, ich werde währenddessen den Gang weitergehen.“

Feya setzte sich auf einen der Stühle und lud ihren Rucksack ab, um darin nach ihrem Umhang zu suchen. „Ich begleite dich gerne, ich bin noch nicht müde!“
Maruk schüttelte den Kopf, „Nein, ich gehe alleine, wenn wir heute Nacht fliehen, müssen wir fit und ausgeruht sein. Ich glaube nicht dass ich lange brauche und wenn ich zurückkomme werde ich mich auch hinlegen.“ Er lächelte sie an und drehte sich um. Schon nach nicht mal einer Minute war von ihm kein Laut mehr zu hören.
Feya richtete sich das Bett her, es war eigentlich nur ein wenig Stroh mit einer groben Decke darüber, aber besser als der kalte Boden. Sie bemühte sich schnell einzuschlafen und lauschte dennoch im Halbschlaf auf Schritte.

Sie wachte von einer Bewegung neben ihr auf, erschrocken öffnete sie die Augen und sah in Maruks müdes Gesicht. „Du hast gar nicht geschlafen!“ stellte sie schlaftrunken fest.
„Ja, ich habe überlegt, was wir nun als nächstes unternehmen.“
„Und?“, sie rieb sich die Augen und blinzelte in die Helligkeit der Fackel. „Zu welchem Schluss bist du gekommen?“
Er klopfte auf einen Stuhl neben sich, „Setz dich erst einmal zu mir und iss etwas!“
Feya streckte sich noch einmal und schlurfte zum Tisch, ein karges Mahl war darauf bereitet.
„Wo hast du eigentlich die neue Fackel her? Hattest du welche gekauft?“
Maruk schüttelte den Kopf, „Nein, ich habe die ganze Zeit im Dunkeln gesessen und sie eben erst wieder entzündet.“
Das Mädchen schob sich gierig das Brot in den Mund und nickte als Zeichen dass sie verstanden habe. Sie schluckte schnell den Bissen herunter, grinste Maruk an und langte nach dem Apfel. „Also, was hast du dir ausgedacht?“
Der Priester schüttelte lächelnd den Kopf, ob soviel jugendlichen Gebaren. „Wir verlassen Geruun und machen uns auf den Weg nach Kerwan, dort gibt es einen Tempel, der noch nicht korrumpiert ist, hoffe ich. Wir werden dort Unterschlupf finden und hoffentlich herausfinden was deine Bestimmung ist.“ Er schüttete etwas Wasser aus seinem Wasserschlauch auf den Tisch, tunkte dann einen Finger hinein und malte eine grobe Karte. „Wir sind hier!“, er deutete auf einen recht großen Punkt, „Wir gehen, nachdem du gegessen hast, noch eine kleine Weile durch den Gang, am Ende ist eine Steinplatte in die Decke eingelassen. Das muss der Ausgang sein. Von dort aus schleichen wir uns zum Wald am Westtor, sofern wir nicht schon dort sind.“ Sein Finger wanderte in westliche Richtung, „Wenn wir die Straße meiden, gelangen wir in ca. 4 Tagen auf die Handelsstraße nach Kerwan und von dort aus sind es nur noch ein bis zwei Tage.“ Sein Finger deutete auf einen weiteren kleinern Punkt.

Feya nickte und blickte ihn unsicher an, „Hmm, bis jetzt hört es sich einfach an, aber was machen wir wenn wir entdeckt werden? Oder wenn wir uns verirren?“
Maruk biss sich auf die Lippe und schwieg.
Wenig Später hatten sie alles zusammengepackt und machten sich auf den Weg zur Steinplatte. Feya grübelte über die bevorstehende Reise nach. Sie war noch nie außerhalb der Stadt gewesen und hatte Angst. Tief in ihren Gedanken versunken bemerkte sie viel zu spät, dass Maruk stehen geblieben war und rempelte ihn an. „Entschuldige!“
Er bedeutete ihr hastig leise zu sein, dann deutete er auf die Fackel. „Ich lösche die Fackel jetzt!“
Sie schloss kurz die Augen und nickte, als sie sie wieder öffnete herrschte tiefste Schwärze um sie herum. Feya hörte den Priester stöhnen vor Anstrengung und wollte schon fragen ob sie helfen könne, als ein kleiner Streifen Helligkeit in die Dunkelheit fiel. Angespannt hielten sie den Atem an, und hörten eine leise Stimme flüstern.
„Endlich! Wenn ihr euch nicht beeilt entdecken sie uns noch!“
Maruk und Feya blickten sich erschrocken an, beiden war dieselbe Frage ins Gesicht geschrieben. Wer war das?

Die Steinplatte wurde noch ein Stück angehoben und beiseite geschoben. „Macht schnell!“ raunte die gleiche Stimme. Der Priester zuckte ergeben die Schultern und stemmte sich nach oben, dort angekommen beachtete er den Fremden nicht und streckte Feya die Hand zur Hilfe hinunter. Nachdem auch Feya endlich oben war, hob der Fremde eilig die grasbewachsene Platte wieder an ihre Stelle und richtete sich angespannt auf. Sie waren an der Grenze zum Wald, keine 50 Schritt entfernt war in der Dunkelheit die hohe Stadtmauer zu erkennen. Der Fremde deutete in den Wald und ging voraus. Die beiden Zurückgebliebenen schauten sich ratlos an, folgten dann aber der Gestalt.
Ihr Entdecker bewegte sich unendlich leise, nie hörte man von ihm einen Ast unter seinen Füßen zerbrechen, noch das Streifen eines Busches an seiner Kleidung. Feya war fasziniert, sie konnte gut schleichen, aber die Bewegungen dieses Mannes waren katzenhaft Perfekt. Still nahm sie sich vor heimlich von ihm zu lernen, schon jetzt, auch wenn sie ihn kaum erkennen konnte, versuchte sie seine Haltung zu kopieren.
Nachdem sie mehr als zwei Stunden schweigend gelaufen waren, hielt der Fremde an. Feya hatte es längst aufgegeben sich auf ihn zu konzentrieren, denn der Weg durch den Wald war beschwerlich und anstrengend. Sie ließ sich sofort in das Laub fallen und seufzte erleichtert auf. Maruk setzte sich neben sie und blickte zu dem Fremden auf.
„Rasten wir hier?“
Der Mann nickte nur stumm.
Maruk gab einen Laut des Unmutes von sich, „Habt ihr einen Namen?“
„Felerian.“
„Oh, ich verstehe!“
„Ich sichere die Umgebung, bleibt hier und euch wird nichts passieren.“, kam es fast schon ausdruckslos von Felerian zurück, dann wandte er sich ab und verschwand im Unterholz.

Maruk blickte ihm nach und lächelte wissend, drehte sich zu Feya und sah ihren fragenden Blick. „Wer ist er? Er benimmt sich komisch, sagt kaum etwas!“
Maruk lächelte noch breiter, „Er ist das Beste was uns begegnen konnte!“
„Warum?“
„Er ist ein Elf! Er kennt sich hier wahrscheinlich besser aus als jeder andere.“
Feya riss erstaunt die Augen auf, “Ein Elf? Ein echter Elf?“
Maruk nickte jetzt begeistert, „Ja, ich denke schon, sein Name klingt elfisch und die meisten Elfen sind sehr schweigsam.“
„Warum hilft er uns?“
Maruk zuckte mit den Schultern, „Ich weiß es nicht, ich weiß nicht einmal woher er wusste das wir im Gang sind, geschweige denn wieso er von dessen Existenz weiß.“
Feya schob die Unterlippe vor, sie erinnerte sich an den jungen Mann in der Gaststätte, ob das der Elf gewesen war? „Ich habe in der Gaststätte jemanden gesehen, der von seiner Statur her passend wäre. Aber er hatte einen Hund dabei gehabt.“
Der Priester wurde aufmerksam, „Bist du dir sicher?“
„Nein, dazu müsste ich ihn am Tage sehen.“
„Hmm, warum er auch immer uns hilft, wir können froh sein.“
Sie machten es sich am Boden bequem und starrten in die Dunkelheit. Feya blickte zu dem Priester, „Was weißt du von den Elfen?“
„Hmm, nicht viel, sie sind ein sehr zurückgezogen lebendes Volk.“
„Können sie Zaubern? Glauben sie an die Zwillinge? Leben sie immer im Wald?“, strömte es aus ihr hervor.

Maruk lachte leise, „So viele Fragen auf einmal! Soweit ich weiß leben Elfen in Sippen zusammen, oft gehört der Wald in dem sie leben auch der ganzen Sippe. Die meisten Elfen verlassen diese Gemeinschaft nie und sie meiden die Menschen. Manchmal gibt es Elfen, wie vermutlich Felerian, die in Wäldern nahe menschlicher Siedlungen leben. Sie sind nicht selten Händler oder Führer. Was ihren Glauben betrifft bin ich mir nicht sicher ob sie die Zwillinge verehren, dass würde mich persönlich aber auch interessieren. Vielleicht werde ich ihn mal darauf ansprechen!“
Feya hörte gespannt zu, “Und Zaubern?“
Der Priester richtete sich auf und verfiel in lehrmeisterlichen Ton, „Die Elfen haben die Kraft der Magie, aber die wirken sie nicht mit Konzentration oder Formeln, sonder unbewusst oder auch unterbewusst. Man ist sich nicht sicher auf welche Art sie ihre Kraft nutzen. Bewiesen ist, dass ihnen, genauso wie den Zwergen, ein festes Element zugerechnet wird, Humus! Kraft des Humus, oder auch Erdmagie genannt, beschäftigt sich mit lebenden Dingen, daher kommt auch der Glaube, das Elfen sich mit Tieren und Pflanzen unterhalten, sich in Bäumen verstecken und in Tiere verwandeln können. Auch sollen sie die besten Heiler weit und breit sein. Sie sind begnadete Jäger und Fährtensucher, doch jagen sie nur soviel wie sie zum Leben brauchen. Eine neue Theorie behauptet, dass alles was Elfen tun, mittels Magie zustande kommt. Meines erachten nach ist dies aber weit hergeholt...“
„Da gebe ich euch recht!“ unterbrach Felerians Stimme den Monolog. Niemand hatte ihn kommen hören und beide, Maruk wie auch Feya, fuhren erschrocken zusammen.
„Ihr habt uns erschreckt!“ wandte sich Maruk an ihn, doch der Elf schüttelte nur verständnislos den Kopf und legte sich einige Schritt entfernt auf den Boden.
„Werdet ihr uns nach Kerwan führen?“
Felerian drehte den beiden den Rücken zu und murmelte leise, “Morgen reden wir!“
Der Priester sah zu Feya und verdrehte gespielt die Augen, „Nun gut, dann schlafen wir jetzt und morgen besprechen wir unsere Weiterreise.“ Dann wickelte er sich in seinen Umhang und bedeutete Feya es ihm gleich zu tun.
 



 
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