6: Beelzemertels seltsamer Besuch

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Uschka

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„Bist du dir auch wirklich sicher, dass du noch die Parole weißt?“, fragte Kai zum wiederholten male und wischte sich mit seinem Anorakärmel die kleinen Tropfen von der Nase. „Pfui, ist das heut ein scheußliches Wetter!“, schimpfte er und hob schon wieder seinen Arm.
„Na klar weiß ich noch, was ich sagen muss, damit der See zurück weicht. Aber wenn du mich weiterhin so nervst, dann geh ich alleine weiter!“, bemerkte Jens und dabei tat er arg wichtig. „Glaubst du, dass wir ungestört in Beelzemertels Höhle können? Ist er auch weit genug entfernt vom See?“, fragte Kai besorgt und blickte sich dabei suchend um.
„Ach, du Angsthase, natürlich ist er weit genug fort. Und bis der einen frechen Buben findet, dauert auch seine Zeit“, lachte Jens sorglos auf und stampfte unverdrossen weiter durch den tiefen Schnee. In diesem Winter gab es ungewöhnlich viel Schnee, so als wolle er die mageren Jahre davor wett machen.
„Wollen wir nicht lieber einen Schneemann bauen?“, fragte nun Kai zaghaft, denn ganz wohl war ihm nicht bei dem Gedanken, in Beelzemertels Höhle ein zu steigen. „Was, wenn er nun doch früher zurückkommt?“, flüsterte er vor sich hin. Ein Glück, dass das Jens nicht vernommen hatte, denn dann hätte er bestimmt Kai heim geschickt. So eine Memme konnte er wahrlich nicht gebrauchen. War er doch ein sooo mutiges Kerlchen-

Beelzemertel marschierte tatsächlich weit fern von seiner Höhle durch ein tiefes Tal. Hatte er doch gehört, dass hier besonders viele böse Buben und Mädchen wohnten. Er hatte extra einen sehr großen Sack mitgenommen, damit er mindestens zwei oder gar drei Kinder mitnehmen konnte. „Heute wird sich mein Fang lohnen!“, jubelte er vor sich hin und beschleunigte seine Schritte. Dabei rieb er vor lauter Freude seine eisigen Hände in einander, um sie zu wärmen. Für die wunderschöne Landschaft hatte er wie immer keinen Blick übrig. Nein, mit so was vertrödelte er nicht seine Zeit. Das war nichts für ihn. Er interessierte sich nur für die frechen Kinder, nur die waren ihm wichtig. Hätte er geahnt, dass zwei Buben in seine Höhle, die unter einem See lag, hinunter steigen wollten, hätte er bestimmt flugs wieder kehrt gemacht.

„Ist es denn noch weit?“, fragte Kai und zog sein Näschen dabei kraus. Kalt war ihm geworden, trotz des schnellen Ganges. Friert man denn nicht auch, wenn man Angst hat, fragte er sich im Stillen. Jens durfte von seinen Gedanken nicht erfahren, denn neugierig auf die Höhle war er schon.
„Nein, nur noch ein kleines Stückchen durch den Wald. Ach, ich bin schon richtig aufgeregt.
Bin gespannt, was wir dort unten alles finden werden!“, antwortete Jens. Na, war doch eine klasse Idee, dem Beelzemertel heimlich zu folgen und so die Parole aus zu spionieren, oder?“, sagte Jens und wartete die Antwort nicht ab, denn sie waren am See angelangt. Vor lauter Aufregung bekam er nun doch feuchte Hände und sein Hals war wie zugeschnürt. Mit heiserer Stimme flüsterte er nun: „ See öffne dich.“
Aber nichts geschah. Kai stellte sich hinter Jens und blickte gespannt über seine Schulter. Erleichterung erfasste ihn. „Das war wohl nix, komm, lass uns schnell verschwinden!“, raunte er Jens ganz nah am Ohr, so als wolle er vermeiden, dass ihn jemand hören konnte. Jetzt war die Angst größer als die Neugier.
„See weiche!“, rief nun Jens und ging auf Kais Worte erst gar nicht ein. Die Seeoberfläche fing an, sich zu kräuseln, mehr passierte nicht. Die Bäume wiegten sich nun in dem aufkommenden Wind hin und her, und ein leichtes Raunen war zu hören.
„Siehst du, ich hab es gleich!“, freute sich Jens. „Das Wasser bewegt sich schon etwas.“

Unterdessen war Beelzemertels diesmal wirklich fündig geworden. Ja, zwei Buben, die von der besonders frechen Sorte hatte er erwischt. Schnell ergriff er sie und steckte sie in seinen Sack. Arg getrieben hatten sie es mit allen Leuten. Die Lehrer konnten ein wahres Lied darüber singen und ihre Mitschüler waren vor ihren Gemeinheiten niemals sicher. Zufrieden rieb sich Beelzemertel seine Hände und brummte vor sich hin. „ Ei, was für ein prächtiges Paar hab ich da in meinem Sack! Ihr werdet von nun an keine dummen Streiche mehr mit den anderen Dorfbewohnern machen können, nein, ihr beide nicht.“ Dann hob er den Sack mit einer Leichtigkeit und warf ihn über seine Schultern. Lautes Stöhnen war aus dem Sack dabei zu hören. „Wir wollen hier raus, lass uns runter du, du, oder!“
„Was oder?“, unterbrach er die beiden. „Ha, ha, wollt ihr mir Angst machen, mir, dem furchtlosen Beelzemertel!“, lachte er zufrieden weiter. „Da hilft auch kein Strampeln, ihr kommt mit mir, also gebt nun Ruhe“, sprach er und eilte schnellstens zu seiner Höhle zurück. Er stampfte so eilig durch den Schnee, als wenn er nur eine leichte Last in seinem Sack hatte. Ja, stark war er schon, der Beelzemertel.
Am See rief nun Kai: „Wasser weiche!“, und siehe da, das Wasser wich und machte einen Gang zur Höhle frei. Jens schaute ungläubig auf Kai und dann auf den Tunnel. „Woher kennst du das Lösungswort? Da lässt du mich ewig raten und dabei wusstest du es schon die ganze Zeit“, schrie Jens außer sich vor Wut. „Wertvolle Zeit haben wir vertrödelt!“, schob er noch erbost nach.
„Ich, ich,“, fing Kai an zu stottern. „Nichts hab ich gewusst, nur geraten. Das musst du mir glauben, ganz ehrlich. Hab es nur einfach so probiert.“
„Na, egal, komm, lass uns hinuntergehen, bevor der Tunnel sich wieder schließt!“, meinte Jens und rannte den Gang hinunter. „Hier ist die Tür, nun mach schon!“, rief er Kai über seine Schulter zu und griff schon nach der Türklinke, die an einem riesigen Tor am Ende des Ganges war. „Wo bleibst du denn nur? Komm, du Memme, jetzt wird es spannend.“
Aber die Tür ließ sich nicht öffnen, denn Kai hatte schon ein paar Schritte in den Tunnel gemacht. Nein, eilig hatte er es wahrlich nicht.
„Die verdammte Tür ist zugesperrt!“, rief Jens und trat mit dem Fuß nach ihr. „Warum sperrt er die Tür ab, wenn sie doch unter Wasser liegt?“, fragte er sich selbst und suchte schon nach dem Schlüssel. „Kann keinen finden, er muss doch hier irgendwo sein!“
Was Jens nicht wissen konnte, man brauchte gar keinen Schlüsse, um in die Höhle zu kommen. Erst wenn sich der Wassertunnel oben wieder schließt, öffnet sich die Tür ganz automatisch. So wie von Zauberhand. Dafür mussten aber beide vor dem Tor stehen.
Kai stand noch immer zögernd im Eingang. Hatte er da nicht was gehört? Waren da nicht schwere Schritte von draußen zu hören- Er huschte hinaus und sah in der Ferne Beelzemertel nahen. Schnell eilte er ein Stück in den Gang hinein und schrie: „ er kommt, der Beelzemertel kommt zurück.“
Kai rannte so schnell er konnte den Tunnel hinauf. „Wo ist er?“, rief er ganz außer Atem und schaute sich dabei um. „Stimmt, da kommt er“, bestätigte er und zog Jens schnell hinter einen Busch. Das Wasser begann sich wieder zu schließen, aber leider zu langsam.

Beelzemertel sah noch, wie sich die Wasseroberfläche schloss. „Wer wagt es, wer war in meinem Reich?“, heulte er wütend auf. Fassungslos blickte er auf das Wasser, das nun wieder ganz friedlich vor sich hin schlummerte. Vor Schreck hatte er den Sack losgelassen, der nun in den weichen Schnee fiel und sich dabei öffnete. Die beiden Buben konnten ihr Glück kaum fassen und sprangen schnell hinaus. Dann rannten sie so schnell sie konnten in den Wald hinein und waren bald darauf verschwunden. Keiner drehte sich noch mal um, nein, nur schnell weg wollten sie.
Beelzemertel war nun erst recht wütend. Nicht nur, dass jemand in seine Behausung wollte, nein, nun war auch noch seine Beute davon gelaufen. „Nein, nein, nein!“, schrie er in den Wald hinein. „So viel Pech kann ich doch gar nicht haben!“, setzte er wütend nach.

Kai und Jens saßen noch immer wie erstarrt hinter dem Busch. Konnten sie es doch nicht glauben, was sie da soeben gesehen hatten. Waren doch tatsächlich zwei Jungen aus dem Sack gesprungen und so schnell weg gerannt, als wenn der Teufel persönlich hinter ihnen her war.
„Es stimmt also, dass der Beelzemertel Kinder mit nimmt!“, flüsterte Kai ängstlich, so als hätte er Angst, dass der Beelzemertel ihn hören könnte.
„Psssst, bist du still!“, wies ihn Jens leise zurecht. „Willst du, dass er uns hört und uns einfängt?“ „Nein, ich will nur noch nach Hause, und zwar ganz schnell!“, meinte Jens heiser, erhob sich um dann ganz flink los zu rennen. Kai folgte ihm so schnell er konnte, denn alleine wollte er hier auch nicht bleiben. Respekt hatte er nun doch vor dem Beelzemertel. Alles, aber auch alles war wahr, was er bis jetzt von ihm gehört hatte.

Der Beelzemertel sah zwar Jens und Kai weg rennen, und drohte ihnen mit seinen Fäusten hinterher. „Wartet nur, ihr Bengel, euch werd ich schon noch erwischen.“ Zum Nachlaufen war er noch zu sehr geschockt, dass jemand seine Höhle und sein Passwort herausgefunden hatte, machte ihn ganz fertig.
Welch seltsamer Besuch? Und was für ein arger Tag, nichts als nur Pech. Als erstes werde ich mir eine neue Höhle suchen müssen. Eine, die nicht so leicht zu finden ist. Und mein Kennwort werde ich nur noch leise flüstern, versprach er sich selber. Dann sprach er sein Codewort, verschwand traurig und mit hängenden Schultern im Wassertunnel. In dieser Weihnachtszeit sah und hörte man nichts mehr von ihm. Er blieb zwar in seiner Höhle, doch das Passwort hatte er geändert, denn wo sollte er so schnell eine so sichere Höhle wieder finden.

Jens und Kai und die beiden anderen Buben waren alle wohlbehalten zu Hause angekommen. Aber keiner von ihnen erzählte, was ihnen heute widerfahren war. Aber alle vier wussten, dass sie noch einmal viel, viel Glück gehabt hatten, und hofften, dass sie der Beelzemertel niemals erwischen würde. Dann Gnade ihnen Gott.
 
B

Biggi Mama

Gast
Ach der arme Beelzemertel, hat auch nie Glück der Gute.
Wieder war die Geschichte schön zu lesen. Gefiel mir aber nicht so gut die "Glücks- und Pechsträhne", aus dem Grund, dass die Geschichte zu schnell zu Ende ist.
Was ist mit den beiden frechen Burschen? Beelzemertel wird sich das sicher nicht so einfach gefallen lassen. Geht es mit Jens und Kai in einem anderen Teil weiter?

Liebe Grüße,
Biggi
 

Uschka

Mitglied
6:Beelzertels seltsamer Besuch.

Hallo Biggi. Nee, Jens und Kai sind nicht mehr erwähnt. Aber ich kann die zwei in die 10:Geschichte, die z.Z. in der Schreibwerkstatt ist einfügen. Danke für den Tip. Freut mich, das auch du ein Fan von dem ruppigen Gesellen bist.
Und Danke für deine Intresse daran. Herzlichst Uschka
 

anemone

Mitglied
hallo Uschka,

da tut sich mir die Frage auf, warum Beelzemertel nur böse Kinder sucht. Vielleicht sind ihm die braven zu langweilig.
Er gehört doch selbst zu der anderen Sorte.
Würde schon gerne wissen, was er mit ihnen anstellen will!
Er wird sich doch nicht vorgenommen haben sie umzuerziehen?

neugierig fragt
anemone
 

Uschka

Mitglied
6:Beelzemertels seltsamer Besuch

Hallo Anemone. Hm, der Beelzemertel sammelt nur ungezogene Kinder ein, um ihnen einen gehörigen Schreck ein zu jagen. Oder er gibt sie an seinen Oberbeelzemertel weiter, der die Kinder erziehen möchte, aber soweit kommt es niiiee. Die Geschichten sind so aufgebaut, dass Beelzemertel es so gut wie nie schafft, und er sich ewig selber bedauert. Das wird aus vorher gehenden Geschichten klarer.
Herzlichst Uschka
 



 
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