A so ein Schmarrn - Gletscherflohweihnacht

Aurelio

Mitglied
Besser: Des Gletschers Weihnachtsfest

Ich, jawohl ich beginne mit ’Ich’, ich soll also ein Weihnachtsgedichtlein schreiben. Jetzt im Oktober, ausgerechnet in diesem Oktober. Draussen brennt die Sonne herunter, es hat schlappe 24 Grad nach Celsius. Schon beim Überlegen transpiriere ich, schwitzen tun ordinäre Bürger – ich nicht. Ja und da soll die bekannt sentimentale “Kling Glöcklein klingelingeling–Stimmung“ aufkommen und sich meiner verschobenen Phantasie bemächtigen. Diese auch noch zum Erbrechen eines Reimes auf Engelein und andere –leins reizen.
Ich lege eine Platte mit Weihnachtsliedern auf, will mich in Feststimmung bringen. Ausgerechnet Roy Black stöhnt zu Rauschgoldengelgesang und Schneeflockengefalle. Nicht auszuhalten ausser man ist total masochistisch drauf. Und was hat meine schrullige Freundin sonst noch an Interpreten zur Wahl? Schrecklich! Da ist tatsächlich noch Heino. Ist das Singsang von dieser Type schon eine Strafe, aber auch noch das Bild auf der Hülle. Der Fotograf muss ein Saddist sein, musste gewusst haben, dass mir das Ding einmal in die Finger kommt. Die Schwerkraft ist auch nicht mehr das was sie einmal war. Die Platte bleibt unversehrt. Ich suggeriere der Wand Anziehungskraft ein. Es funktioniert, nur ist diese Kraft nicht stark genug. Die Schwerkraft hat meine heimtückische Zerstörungsabsicht durchschaut, dem Haselnussbarden einen Segelflug mit sanfter Landung geschenkt. Heino liegt am Boden, nach wie vor mit offenem ’Aaa-Mund’. Nicht am Boden zerstört, sogar die Sonnenbrille ist unversehrt. Zur Strafe darf er nicht singen. Weiter im Archiv. Rudolf Schock will auch singen, ich lasse ihn nicht – ätsch! Ich einige mich schliesslich mit meiner Abneigung gegen Glaubensanimatoren und Kirchenentertainer auf die Domsingknaben. Sie können ihre immer abgestrittene Kommerzsucht wenigstens glaubhaft vorsingen.
So geht mein Geist mit den Knaben in den Dom. Er ist festlich geschmückt, Kerzen brennen. Es singt, resoniert und regnet durch Zahnspangen aus Edelmetall. Aber zu Weihnachtsliedern gehört Schnee. Ich will Schnee sehen und sehe ihn. Menschen mit Phantasie können das – es ist eine Gabe. Ein Schlitten kommt mit zwei Pferden, ganz in weiss. Der Schnee knirscht, es ist kalt. So ein Mist, ich habe nur Socken an, mich friert. Sofort auf den Speicher, die Winterklamotten raus und warm anziehen. So ist es besser. Warum frieren eigentlich die Gletscherflöhe nicht? Blödsinn bei dieser Hitze! Vorbei mit Eiszapfenstimmung, mir läuft die Brühe runter, ich schwitze ganz ordinär. Mein Körper hat den Ritt auf der Weihnachtsillusionswelle nicht lange mitgemacht. Für einen geistigen Weihnachtsorgasmus in Prosa oder nur rosa war die Zeit in dieser Traumwelt zu kurz. Mein Wille war schwächer wie die Hitze. Also ab unter die Dusche. Dann in der Badehose auf den Balkon. Na das wird ein Weihnachtsgedicht. In meinem Füllhalter drückt schon “zieh die Badehose an, morgen kommt der ...“ – ich lass die Tinte ins Glas zurück. Aufheben, nicht wegwerfen! Man weiss nie, wie man den Text mal brauchen kann. Ich mixe mir Fruchtsäfte mit Eis. Steigerung: Eis – Eisbein – Gletscher. Genau, auch dort ist Weihnachten.





Gletschers Weihnachtsgeschenk


Weihnachtet es in Borneo,
hossianat auch der Gletscherfloh.
Presipiot in allen Höhen,
mit den andern Gletscherflöhen.
Sie jubilieren laut im Chor
und laben sich am Gletscherohr.
Der Gletscher glaubt, es ist ein Alp
gebärt zum Fest ein Gletscherkalb.
Die Gletscherflöhe jubilieren
wollen das Kälblein klein probieren.
Freudig zünden sie ein Kerzlein an,
und verschmoren langsam dran.
Den Gletscher macht dies weihnachtsfroh,
ihn beisst nie mehr ein Gletscherfloh.
Hossiana!

Dieses Gedicht wird vertont und dann von Arnold Schwarzenegger gesungen. Das wird ein Gassenhauer. Ich bin stolz, dass endlich etwas Weihnachtliches aus meiner Feder getropft ist – und so schön auch noch. Was würde da meine Tante Genoveva dazu sagen? Ob sie wohl gleich wieder sterben würde?

© ag böck 2004
 



 
Oben Unten