Abends singt die Nachtigal

4,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Hagen

Mitglied
Abends singt die Nachtigall

„Sehen sie Herr Kommissar, der Mann fällt einfach vom Dach und bricht sich den Hals! - Irgendwann musste es soweit kommen.“
Der Bedachungsunternehmer Grothe legte eine Videokassette ein und startete den Recorder. Nachdenklich betrachtete Kommissar Kleinert den Bildschirm des Großbildfernsehers. Ein Mann war zu sehen, wie er leichtfüßig den Dachfirst entlang balancierte, kurz in die Kamera winkte und einen Handstand absolvierte.
„Erzählen sie mir bitte nichts von verboten oder so, ich krieg´s aus dem Mann nicht raus“, Grothe zuckte die Achseln. „Entschuldigung, ich habe es nicht raus gekriegt. Immer am Wochenende zu Feierabend hat er noch schnell einen Handstand auf dem First gemacht. – Natürlich nur bei gutem Wetter.“
„Natürlich“, Kleinert nickte, „derartiges haben wir alle gemacht, in unserer Jugend. Sieh her, ich bin stark und gesund, von mir sind kerngesunde Nachkommen zu erwarten.“
„Das trifft auf Herrn Beckröge nicht zu. Seit zehn, nein, warten sie“, Grothe grübelte sichtbar, „seit zwölf, dreizehn Jahren verheiratet. Sein Sohn ist zwölf, seine Tochter zehn. Beide im hiesigen Sportverein, er trainiert die Jugendmannschaften. - Wird leider immer schwerer, die Jugend für den Sport zu begeistern.“
Grothe hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.
„Ja“, nickte Kleinert, „leider ist das so. Meine Kollegen haben mich benachrichtigt und nachgeschaut, es war keine Schmierseife oder so auf dem Dach, keine lockere Pfanne. Aber sie verstehen, das wir in solch einem Fall den Arbeitgeber kontaktieren.“
„Natürlich, Herr Kommissar. - Aber wenn wir Dacharbeiten erledigen, gibt es anschließend keine losen Pfannen oder dergleichen!“
„Ohne Zweifel“, nickte Kleinert, „nur: Was hat der Mann am Sonnabendabend auf dem Dach gemacht?“
„Wir haben bis Donnerstag am Krüppel gearbeitet. Der Kunde hatte nur am Sonnabendabend Zeit zur Abnahme. Er wohnt noch nicht dort, hat aber schon mal eine kleine Grillparty mit Freunden dort gemacht, ist ja auch ein idyllisches Anwesen, direkt am Waldrand. Kennen sie das Neubaugebiet in der Südstadt, Herr Kommissar? Leider hatten wir bis jetzt nur drei Bedachungen dort.“
„Ja, ich kenne das Neubaugebiet. Ruhige Wohnlage am Waldrand.“
„Ja, das stimmt“, fuhr Grothe fort. „Herr Beckröge und ich sind noch schnell mit der Kamera hin, zur Dokumentation. Wir haben die Aufnahmen gemacht, noch ein Steak gegessen, ein Bier getrunken, und dann bin ich mit der Kamera hierher gefahren. Herr Beckröge hatte sein Steak noch nicht auf, er wollte aber auch gleich nach Hause. Wahrscheinlich hat er gewartet, bis ich weg war, um noch schnell mit seinem Handstand anzugeben.“
„Möglich. - Was gab es denn da zu dokumentieren?“
Grothe tippte auf den Bildschirm. „Sehen sie hier, auf dem unteren Bildrand ist das Datum der Aufnahme eingeblendet. Diese Aufnahme von dem Handstand hat Herr Schmidt vor vierzehn Tagen gemacht, ein Hobby von ihm, ich glaube, der filmt alles. Na, egal. Es ist jedenfalls schon vorgekommen, dass der Kunde nach Abschluss der Dacharbeiten etwas verändert oder tragende Teile entfernt hat. Beim nächsten Sturm flog ihm das Dach weg, oder irgendetwas ist eingestürzt. Wir dokumentieren unsere Arbeiten immer mit einer Spezialkamera. Bei diesen Kameras ist ein Kalender in einem sogenannten PROM. Das Datum ist nicht zu verstellen, die Kamera ist notariell versiegelt, damit die Filme im Fall eines Falles vor Gericht als Beweis dienen können.“
„Ich verstehe“, nickte Kommissar Kleinert, „deshalb haben sie ihren Mitarbeiter auch beim Handstand auf dem Dach gefilmt, damit ihnen keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, wenn er vom Dach fällt und sich das Genick bricht, wie heute Abend geschehen!“
„Dann hätte ich ihnen die Aufnahme wohl kaum gezeigt, Herr Kommissar. Die Aufnahme hat, wie gesagt, mein anderer Mitarbeiter gemacht.“ Grothe stoppte den Recorder und nahm die Kassette heraus.
„Ja, sie erwähnten es. - Warum sind sie eher gegangen?“
„Ich habe die Grillparty wie gesagt etwas eher verlassen, so gegen zwanzig Uhr - wir waren ja auch nicht direkt eingeladen, hin und wieder geben sich die Kunden leutselig und laden ihre Handwerker ein - aber ich muss noch ein Angebot erstellen. Dazu brauchte ich die Aufnahmen von Herrn Schmidt.“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht“, sagte Kommissar Kleinert.
„Wir benutzen unsere Kameras auch zur Angebotserstellung. Herr Schmidt hat am Freitag einige Aufnahmen von einem Walmdach gemacht. Der Kunde wünscht ein Angebot zur Sanierung. - Ich werde wohl wieder mächtig knapp kalkulieren müssen, das Geschäft läuft nicht so gut im Moment.“
„Herr Schmidt ist auch ein Mitarbeiter von ihnen?“
„Ja, sogar ein sehr guter Mann. Er weiß worauf es ankommt, er hat einen effektiven Blick fürs Detail, ich kann anhand seiner Aufnahmen schon mal eine Vorkalkulation machen. Wenn ich den Auftrag nicht bekomme, werde ich einen der beiden entlassen müssen... nach mehr als zwanzig Jahren, in denen dieser Betrieb besteht. Sieht momentan verdammt schlecht aus in unserer Branche. Wird natürlich bitter werden, für denjenigen. Beide haben kürzlich gebaut, beide haben Familie. - Entschuldigen sie, ich schweife ab. Herr Schmidt ist Freitag nach Feierabend zu dem Objekt gefahren, um die Aufnahmen zu machen. Er hat mich gebeten, die Kamera am Sonnabend noch mal benutzen zu dürfen, weil sie eine höhere Auflösung besitzt, als handelsübliche Amateurkameras. Das ist nichts Ungewöhnliches, Videofilmen ist, wie gesagt, eins seiner Hobbys.“
„Sie hatten doch gesagt, dass Herr Beckröge die Kamera benutzt hat.“
„Ich habe drei davon. Ich bin noch schnell bei Herrn Schmidt vorbei gefahren und hab’ die Kamera geholt. Herr Schmidt hat diese benutzt. Sie kamen gerade von einem Picknick, die beiden.“
Grothe entnahm der Kamera die Kassette.
„Die beiden?“
„Ja. Herr Schmidt und seine Frau. Sollte mich nicht wundern, wenn die sogar zusammen aufs Klo gehen. - Entschuldigung, Herr Kommissar.“
„Macht nix. - Aber ist es nicht etwas ungewöhnlich, wenn der Chef zu seinen Leuten geht, um etwas Geliehenes abzuholen?“
Wieder zuckte Grothe die Achseln, „ich lege eben wert auf ein gutes Betriebsklima, da darf man sowas eben nicht so eng sehen. Sie verstehen? Zudem hatte er bei der Modellbahn seines Sohnes einen neuen Streckenabschnitt fertig, den er mir zeigen wollte. Ich interessiere mich ja nicht so dafür, aber das hat er hübsch gemacht.“
„Natürlich“, nickte Kleinert.
Inzwischen hatte Grothe die Kassette eingelegt und den Recorder gestartet.
„Nanu“, sagte er, „da hat der Bursche doch wieder seine private Kassette drin gelassen.“
Eine idyllische Waldlichtung war zu sehen, mildes Licht ruhte sich auf dem Boden aus, und der Gesang einer Amsel sowie einiger Finken und etlicher Vögel, die dem Kommissar gänzlich unbekannt waren, drang aus den Lautsprechern. Die Kamera stand offensichtlich auf einem Stativ, ein Paar mittleren Alters trat ins Bild, die Frau guckte hin und wieder verstohlen in die Kamera als sie eine Wolldecke auf dem Boden ausbreitete, während der Mann Gläser, Teller und Bestecke aus einer zusammenlegbaren Einkaufskiste nahm.
„Schöner Abend, heute Abend“, sagte der Mann.
„Ja, wir sollten öfter Abends picknicken“, antwortete die Frau. Der Dialog ging weiter, sie fragten sich, warum sie nicht schon öfter mal abends nach Feierabend hergekommen waren um die Natur zu genießen.
„Ist ja entzückend“, sagte Grothe mit mildem Lächeln, „Herr und Frau Schmidt beim picknicken. Ich wusste gar nicht, dass mein Mitarbeiter auch eine romantische Ader hat. Zauberhaft.“
Er stoppte den Recorder und ließ das Band zurücklaufen.
„Kann ich das Datum der Aufnahme nochmal sehen?“ fragte Kommissar Kleinert.
„Natürlich.“ Grothe stoppte das Band und startete erneut. Ein Zug war jetzt zu sehen, ein Zug mit Dampflokomotive, der durch ein beschauliches Dorf fuhr.
„Seine Modellbahn“, lächelte Grothe spöttisch, „hat er schön gemacht, richtig romantisch.“
Die Kamera schwenkte von der Platte mit dem Eisenbahndiorama auf eine Vitrine mit einigen Pokalen und zwei Gewehren.
„Ach, die Pokale, die seine Frau im Luftgewehrschießen gewonnen hat“, sagte Grothe, „und ihre beiden Gewehre. Eins davon soll sogar ganz wertvoll sein. Wir sind im gleichen Schützenverein. Frau Schmidt hat kürzlich beim Freundschaftsschiessen der Damen mit dem Luftgewehr den ‘zweiten’ gemacht, sie ist mit Recht stolz auf den Pokal.“
„Das ist verständlich“, sagte Kleinert. „Das heutige Datum. Die Aufnahme wird er gemacht haben, bevor er zum Picknick gefahren ist. Aber gut gefilmt. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, das sei ein richtiger Zug. Na, egal.“
Der Bildschirm flimmerte kurz und dann erschien wieder die Waldlichtung im Gesang der Vögel, am unteren Bildschirmrand war das gleiche Datum eingeblendet.
„Na, sehen sie“, sagte Grothe, „als ich die Kamera geholt habe, sind die beiden gerade von dem Picknick gekommen. In dem Wald bei der Nordstadt, hat er gesagt.“
„Ja, weit weg von dem Haus, von dessen Dach Herr Beckröge gefallen ist. Ich hab’ die Stelle erkannt. Wir haben mal einen Toten dort gefunden. Der Mörder wollte vortäuschen, dass der Mann auf eine Eiche geklettert und runtergefallen ist. - Nur an den Händen und unter den Fingernägeln des Toten war Fichtenharz.“
„Haben sie den Mörder gekriegt?“
„Natürlich. Über kurz oder lang macht jeder einen Fehler“, Kleinert lächelte, „aber in diesem Fall...“, er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. „Können sie sich ein Motiv vorstellen? Geldprobleme? Frauengeschichten?“
Grothe schüttelte den Kopf, „nichts von allem.“
„Hat der Mann vielleicht getrunken, oder Drogen genommen?“
„Kann ich mir nicht vorstellen. Hin und wieder haben wir mal ein Feierabendbier zusammen getrunken, er ist dann immer mit dem Taxi nach Hause, aber er war nie betrunken auf dem Dach!“
„Gut, Herr Grothe. Meine Kollegen haben mittlerweile bestimmt die Gäste der Grillparty befragt, der Tote wird mit Sicherheit in der Pathologie untersucht werden. Wenn sich irgendwelche Verdachtsmomente ergeben, werde ich tätig werden.“
Kommissar Kleinert verabschiedete sich und fuhr nach Hause. Seine Frau hatte ihm wie üblich das Essen warm gehalten, Rindsrouladen.
„Na, wieder einen interessanten Fall, dass du so spät kommst?“ fragte sie gewohnheitsmäßig, als sie sich zu ihm setzte.
„Weiß ich noch nicht. - Stell’ dir folgenden Fall vor: Da weiß einer, dass ein anderer auf dem First eines Hauses einen Handstand absolvieren wird. Das Haus steht am Waldrand. Er legt ein Stück Dachpappe oder sonst was dünnes mit einem Faden dran auf den First. Das Haus steht am Waldrand, der Faden endet im Wald. Der Mann macht den Handstand, der andere zieht am Faden, der Mann fällt vom Dach, der andere nimmt Faden und Dachpappe, geht weg, trifft einen, der gerade vom Picknick kommt, quatscht ein wenig mit ihm und geht nach Hause. Es sieht so aus, als wäre der Mann von selber vom Dach gefallen.“
„Warum hat der Mann denn einen Handstand auf dem Dachfirst gemacht?“
„Das weiß der Geier, aber er hat’s immer gemacht, der Mann war Dachdecker. - Ich werde unsern Pathologen morgen mal fragen, ob er was an den Händen hat, was da nicht hin gehört. Erinnerst du dich noch an die Nummer vor einiger Zeit, mit dem Fichtenharz an den Händen?“
Cordula Kleinert nickte. „Welches Motiv soll der Mann haben, den Handstandsteher umzubringen?“
„Wenn ich das wüsste“, Kleinert kaute nachdenklich, „aber der Fall hat mich auf eine Idee gebracht. Vielleicht sollten wir beide auch mal wieder ein Picknick machen.“
„So richtig romantisch, mit Wolldecke und Picknickkörbchen im Wald? Tausende von Ameisen werden uns besuchen“, Cordula Kleinert lächelte milde, „ist das lange her, dass wir zusammen gepicknickt haben! - Es wird dich auf andere Gedanken bringen, du lebst ja nur noch für deinen Beruf. - Oder hast du wieder mal einen Hintergedanken?“
Kommissar Kleinert lächelte. „Lass’ uns morgen früh picknicken“, sagte er.
Cordula Kleinert hatte alles hergerichtet, Brote vorbereitet, Eier gekocht, Kaffee in die Thermoskanne gefüllt; und auch eine Flasche Sekt nebst Gläsern ins Picknickkörbchen gelegt. Kommissar Kleinert fuhr an die gleiche Stelle in dem Wäldchen bei der Nordstadt, die er auf der Videoaufnahme des Herrn Schmidt gesehen hatte.
„Ja!“ sagte er nachdrücklich und warf einen Blick in die Runde, „dann wollen wir doch mal!“ Schwungvoll breitete er die Wolldecke aus.
„Fokko, wir dürfen hier nicht sein“, sagte Cordula, „das ist ein Naturschutzgebiet wegen der zahlreichen Vogelarten, die es hier gibt.“
„Ich weiß. Deshalb wird uns hier auch keiner stören. Das gleiche Vogelkonzert wie auf dem Picknickvideo von dem Dachdecker. - Hör’ doch mal, die Schnepfe.“
„Das ist doch keine Schnepfe!“ Cordula lauschte angestrengt, „das ist ein Girlitz, der sein Morgenlied absolviert, und der da hinten, das ist eine Bachstelze, und der da drüben, das ist ein Distelfink. Ist das schön! Habe ich lange nicht mehr gehört.“
Kleinert nickte nachdenklich, zückte sein Handy und drückte einige Tasten.
„Hallo, hier ist Fokko“, sagte er nach einer Weile, „entschuldige, dass ich dich zu so früher Stunde störe, aber hast du den Mann, der vom Dach gefallen ist schon fertig? - Natürlich. - Hast du einen kleinen, runden Bluterguss oder sowas gefunden? - Etwa fünf Millimeter Durchmesser. - Ich weiß, dass Dachdecker immer kleine Verletzungen haben, besonders wenn sie vom Dach gefallen sind. - Nein, es geht mir nur um einen kleinen Bluterguss oder sowas. - Ja, das habe ich mir gedacht. - Drogen? Alkohol? - Natürlich nicht, klar. - Du, ich danke dir. Bis Morgen, Norbert, ich danke dir nochmals.“
Kommissar Kleinert nickte nachdenklich und telefonierte nochmal.
„Hallo, hier ist Fokko“, sagte er nach einer Weile, „entschuldige Rudi, dass ich dich zu so früher Stunde störe, aber du hast doch die Leute vernommen, die gesehen haben, wie der Dachdecker vom Dach gefallen ist. - Ja, natürlich. - Natürlich schaue ich mir das am Montag an, aber haben die Leute gesehen, wie der Mann vorher zusammengezuckt ist oder sowas? - Ja. - Ist ja interessant! - Nee, da hat bestimmt keiner mit einem Stein geworfen. - Nein, so ähnlich. - Wir sehen uns Montag. - Rudi, ich danke dir nochmals.“
Cordula Kleinert sah ihren Mann fragend an.
„Stell’ dir vor, du hast eine Familie gegründet und ein Haus gebaut. Und dann erfährst du, dass entweder dein Kollege oder du entlassen wirst. - Aber wenn dein Kollege verunglückt, ist dein Arbeitsplatz sicher.“
Cordula Kleinert schob die Unterlippe nachdenklich vor, „meinst du, der hat seinen Kollegen umgebracht, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten? Wie soll er das getan haben?“
Kleinert erklärte seiner Frau die Sache mit der Videokamera und dem eingeblendeten Datum.
„So“, sagte er abschließend, „jetzt steht der Mann kurz nach Mitternacht auf und filmt seine Modelleisenbahn, mit gewohnheitsmäßigen Schwenk auf die Pokale und Luftgewehre seiner Frau.“
„Aber mit einem Luftgewehr kann man doch keinen erschießen“, sagte Cordula Kleinert.
„Natürlich nicht. Aber es gibt einen kleinen Bluterguss, wenn man trifft. - Na gut. Anschließend geht er mit seiner Frau los, picknicken. Das filmt er ebenfalls mit der Videokamera und behauptet auffällig, es wäre Abend. Da man meistens abends picknickt und anschließend seinen Chef trifft, dem auch erzählt, man kommt vom Picknick und schließlich auch noch die Filmcassette in der Kamera lässt, ist das fast wie ein Alibi. Erwähnte ich, dass das Haus, von dessen Dach der Mann gestürzt ist, am Waldrand steht? Egal. Er hat also für den Abend ein ’Alibi’, kann sich in Ruhe mit dem Luftgewehr im Wald auf die Lauer legen und warten, bis sein Kollege einen Handstand auf dem Dach absolviert. Dann gibt er einen Schuss aus dem Luftgewehr ab, den hört man nicht, weil ja die Grillparty läuft. Unser Pathologe hat einen Bluterguss genau zwischen den Schulterblättern gefunden, ein sogenannter Blattschuss! Der Mann hat sich erschrocken und ist vom Dach gefallen. Einige Partygäste haben ausgesagt, dass der Mann kurz zusammengezuckt ist, bevor er gestürzt ist.“
„Klingt einleuchtend“, sagte Cordula, „wie bist du drauf gekommen?“
„Durch den Vogelgesang! Amseln, Finken und - wie sagtest du noch gleich - Girlitze oder so, ist ja auch egal, jedenfalls singen die nur morgens.“
„Das ist richtig“, sagte Cordula nachdenklich,
„Abends singt die Nachtigall.“
 

jon

Mitglied
Teammitglied
… "für einen Spitzenplatz reicht es noch nicht", weil es mir zu langatmig war. Nicht in dem Sinne, dass viel überflüssiges Zeug drin stehen würde, sondern auf den Klang bezogen. Der praktisch Nur-Dialog strengt an, da alles in dem gleichen (durchaus glaubwürdigen – es gibt solche Plaudertaschen) Erzähl-Singsang geschrieben ist. Vielleicht wäre es sinnvoller, den Chef nicht durchgehend so breitwillig (und offenbar schuldgefühlfrei in jeder Hinsicht) erzählen zu lassen. Auch könnte der Kommissar gelegentlich nachfragen oder so, weil der Chef zu sehr abschweift oder sich verheddert.


Ach so: Die dritte Person Einzahl ist (neben "er/sie/es") "Sie" – also groß geschrieben.
 

Hagen

Mitglied
Liebe Jon,

Es gab Zeiten, da habe ich kaum ein Seminar, Workshop etc. ausgelassen. – Ich wollte ‘Schreiben lernen wie ein Handwerk‘. Irgendwie hat das nicht richtig funktioniert.
(z.B. ein märchenhaftes Seminar. In Wirklichkeit war es nicht ganz so grauselig.)
Aber eins ist mir haften geblieben: Verleihe den Protagonisten bei einer Kurzgeschichte eine prägnante Eigenschaft und ziehe das konsequent durch.
Bei dem ‘Prostituiertenmord‘ habe ich mich für die Quasselstrippe entschieden.
Bein erneuten lesen (laut) ist mir Dein Hinweis auch aufgefallen.
Bei der nächsten Geschichte werde ich dran denken.

Gruß Hagen

__________________
Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es auch schief!
Egal was schief geht, tue so als wäre es Absicht. (Al Murphy)
 



 
Oben Unten