Aberglaube

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Monalisa

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Der Vollmond schien durch die trüb gewordene Fensterscheibe, eines windschiefen Hauses. Sein Licht fiel auf einen alten Mann mit dem Namen Ferod.
Ferod hatte seinen Nachnamen immer absichtlich vergessen, denn die Leute hatten darüber gelacht. Sie hatten gemeint, dass ein Mann mit so einem Namen nicht talentiert sein müsste, dass er gar verrückt wäre! Von seinem zarten Kindesalter an, hatte Ferod sich also ausgeschlossen. Sobald er jemand Nettes kennenlernte, scheiterte es doch wieder an seinem Namen. Ferod hasste die Menschen für ihre Verachtung - er würde niemals mehr zurückkehren.
Ferod war, gerade im höheren Alter, auch sehr wunderlich geworden. Er konnte nur zwei verschiedene Strümpfe anziehen, nie zwei Gleiche. Auch besaß er nur zwei paar Socken: zwei Rote und zwei Blaue. Die kombinierte er.
So fiel also das fahle Mondlicht auf das alte, graue Gesicht, als die Tür leise knarrte. Die verrostete Angel konnte dem Druck nicht standhalten. So fiel die Tür mit Gepolter ins Haus hinein. Ferod schreckte hoch und richtete seinen Blick argwöhnisch zum Spalt, wo mal eine Tür gewesen war.
„Wer ist da?“
Schief guckte Ferod die Tür an. Nach einiger Pausezeit fiel ein Schatten auf die glatten Holzdielen.
„Ich bin dein schlimmster Albraum!“
Ferod fing fast unmerklich an zu Zittern. Krampfhaft klammerten sich seine Finger in einen kleinen Beistelltisch. Ein halbvolles Glas Wasser kam ins Schaukeln und zerklirrte auf den Holzdielen. Der Schatten wurde mit jeder Bewegung deutlicher und unheimlicher. Langsam wurde aus dem Schatten eine erkennbare Gestalt - ein Werwolf! Ferod stieß einen spitzen Schrei aus und wie auf Kommando, fiel ein Taubenei aus einem der vielen Nester an der Wand. Keiner achtete darauf.
„Was willst du?“, fragte Ferod heiser.
„Dich!“
Daraufhin schoss der Werwolf blitzartig nach vorne und biss Ferod in den Arm. Der stöhnte auf. Grüne Flüssigkeit quoll aus dem beängstigend großen Loch.
„Reicht dir das nicht? Soll ich dich noch weiter mit dem Sunizvirus infizieren?“
„Was willst du von mir?“. wiederholte Ferod.
Er war schon immer abergläubisch gewesen. So stand für ihn der Werwolf, für Unglück und Hinterlistigkeit. Ferod hatte viel Fantasie und er war auch nicht dumm. Er dachte scharf nach. In den Büchern über Aberglauben wurde eine ganz bestimmte Heilung von Werwolfsbissen beschrieben. Eigentlich hatte Ferod auch noch nie etwas vom Sunizvirus gehört, aber was sein muss, musste sein.
Er sprang, für einen alten Mann sehr schwungvoll, aus dem Sessel auf und lief in die Ecke, wo das kaputte Taubenei lag.
„Was machst du da?“, fragte der Werwolf hektisch.
Ferod steckte wortlos seinen Finger in die rohe Glibbermasse. Ohne auf den wie versteinert dastehenden Werwolf zu achten, schmierte er die rohe Masse auf die klaffende Wunde. Der Werwolf schrie auf, doch Ferod achtete nicht darauf, sondern machte ungerührt weiter. In seinem Hinterstübchen hörte er, dass der Wolf leise auf ihn einredete:
„Lass das! Ich bin dein ganzes Leben dein Begleiter und Beschützer gewesen. Lass mich jetzt nicht sterben!“
Doch bevor der Wolf seine Begnadigungsrede beenden konnte, schleuderte ihm Ferod das Wort “Lügner!“ ins Gesicht.
Genau in diesem Augenblick zerplatzte der Werwolf und seine Einzelteile wurden von grünem Feuer zersetzt. Die Bücher der Abergläubigkeit vergaßen das Feuer nicht. In einer grünen Feuerwolke verdampften auch sie.
Was der Sunizvirus ist, weiß man bi heute nicht. Nur eines ist klar. Das rohe Taubenei auf Ferods Arm, hatte irgendwie eine explosive Wirkung auf den Wolf. Die grüne Flüssigkeit auf Ferods Arm, war so was Ähnliches wie Blut. Aberglaubergläubische Menschen - die hatten immer grünes Blut, was für den Werwolf stand.
 



 
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