Abgesang eines erfahrenen Lasterfahnders

ENachtigall

Mitglied
Abgesang eines erfahrenen Lasterfahnders

Grau uniformiert sich eine Wolkenhorde
gesenkten Hauptes zum letzten Geleit
in ihren Melassebäuchen gluckert der
Durst gen zwei Uhr Mittag
Stechkartenzeit für die Leber

Halbvergoren buhlt ein Unwohlsein
um die Gunst des stündlichen Geheuls
eines verbeulten Krankenwagens
sein Horn heult heute wieder
kurz nach Martin

Längst sitzen die Witwen
sattelfest beim Prasselkuchen
mit ihren Grübchen in den Nachkriegsbacken
korrespondieren die knitterfreien Polyesterbezüge
mit den Tapeten musternde Blicke

Hinter der Häkelgardine
kopuliert ungeniert vom Vibrieren
doppelpaarig irisierender Flügel getarnt
ein erpelgrünes Fliegenduo
zum Dreh einer Hammondorgel in Moll

Ein dickes Kind quengelt zwischen Opas
Qualmkringeln nach saueren Pommes
während aspikfeine Schnittchen
scheibchenweise zur Lächerlichkeit
die Gurkenmasken verziehen

Trinken wir also zum Wohl der Auferstehung
des guten Glaubens an die Reizwäsche
vergessener Tugenden im süßen Regen
ewiger Resignation liegen wir
uns lange in den lasterhaften Armen



© elkENachtigall
 

ENachtigall

Mitglied
Abgesang eines erfahrenen Lasterfahnders

Grau uniformiert sich eine Wolkenhorde
gesenkten Hauptes zum letzten Geleit
in ihren Melassebäuchen gluckert der
Durst gen zwei Uhr Mittag
Stechkartenzeit für die Leber

Halbvergoren buhlt ein Unwohlsein
um die Gunst des stündlichen Geheuls
eines verbeulten Krankenwagens
sein Horn heult heute wieder
kurz nach Martin

Längst sitzen die Witwen
sattelfest beim Prasselkuchen
mit ihren Grübchen in den Nachkriegsbacken
korrespondieren die knitterfreien Polyesterbezüge
mit den Tapeten musternde Blicke

Hinter der Häkelgardine
kopuliert ungeniert (vom Vibrieren
doppelpaarig irisierender Flügel
enttarnt) ein erpelgrünes Fliegenduo
zum Dreh einer Hammondorgel in Moll

Ein dickes Kind quengelt zwischen Opas
Qualmkringeln nach saueren Pommes
während aspikfeine Schnittchen
scheibchenweise zur Lächerlichkeit
die Gurkenmasken verziehen

Trinken wir also zum Wohl der Auferstehung
des guten Glaubens an die Reizwäsche
vergessener Tugenden im süßen Regen
ewiger Resignation liegen wir
uns lange in den lasterhaften Armen



© elkENachtigall
 
H

Heidrun D.

Gast
Das finde ich wirklich grandios, liebe Elke!

Ein Gedicht wie ein Schlag ins Gesicht, mit seinem wechselnden Tempo, seinen aufrüttelnden Wahnsinnsbildern, seinen eher verhaltenen und dann wieder wilden Tönen ...

Ich sehe, spüre, höre alles. -

(Allein das Horn kurz nach Martin ... das muss einer erst mal einfallen)

Restlos hingerissen
Heidrun D
 

ENachtigall

Mitglied
Da danke ich sehr, liebe Heidrun, dass du deinem Gefallen so enthusiastischen Ausdruck verleihst! Es gibt beim Schreiben nichts Schöneres, als diese Begeisterung für Sprache und das Spiel mit ihren Nuancen der Klänge und Bedeutungen zu pflegen, zu verfeinern, verstanden und geteilt zu wissen.

Wie ich in deinem Profil gelesen habe, beschäftigst du dich eingehend mit Lyrik. Das freut mich auch im Hinblick auf eine sicherlich spannende und ergiebige Auseinandersetzung mit den Texten hier; deinen, unseren und überhaupt nicht zu vergessen, dass ich dich als neues Mitgleid ganz herzlich willkommen heißen möchte!

Liebe Grüße von Elke
 

ENachtigall

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Abgesang eines erfahrenen Lasterfahnders

Grau uniformiert sich eine Wolkenhorde
gesenkten Hauptes zum letzten Geleit
in ihren Melassebäuchen gluckert der
Durst gen zwei Uhr Mittag
Stechkartenzeit für die Leber

Halbvergoren buhlt ein Unwohlsein
um die Gunst des stündlichen Geheuls
eines verbeulten Krankenwagens
sein Horn heult heute wieder
kurz nach Martin

Längst sitzen die Witwen
sattelfest beim Prasselkuchen
mit ihren Grübchen in den Nachkriegsbacken
korrespondieren die knitterfreien Polyesterbezüge
mit den Tapeten musternde Blicke

Hinter der Häkelgardine
kopuliert ungeniert (vom Vibrieren
doppelpaarig irisierender Flügel
enttarnt) ein erpelgrünes Fliegenduo
zum Dreh einer Hammondorgel in Moll

Ein dickes Kind quengelt zwischen Opas
Qualmkringeln nach saueren Pommes
während aspikfeine Schnittchen
scheibchenweise zur Lächerlichkeit
die Gurkenmasken verziehen

Trinken wir also zum Wohl
der Auferstehung des guten Glaubens
an die Reizwäsche vergessener Tugenden
im süßen Regen ewiger Resignation
liegen wir uns lange in den lasterhaften Armen



© elkENachtigall
 

Perry

Mitglied
Hallo Elke,
auch mir gefällt dein Abgesang auf die Laster einer vergangenen aber auch immer wieder auferstehenden Zeit.
Besonders gelungen finde ich " Stechkartenzeit der Leber, das nach Martin heulende Horn und die "im süßen Reigen der resignation". Weniger konnte ich dagegen mit der "Wolkenhorde" anfangen, die ich sowohl vom Kontext, wie auch von der Wortkombination her nicht stimmig emfinde.
LG
Manfred
 

ENachtigall

Mitglied
Danke, lieber Manfred, für den Kommentar!

Um gleich zur Wolkenhorde zu kommen: da sind wohl die Schäfchen mit mir durchgegangen! Es sollte ein sich aus friedlichen Schäfchenwolken zusammenbrauendes Unwetter werden... Möglicherweise zu expressionistisch geraten oder zu kryptisch.

Dass dir die anderen, auch nicht ganz typischen begrifflichen Figuren gefallen, freut mich natürlich sehr.

Ich werde die Wolkenhorde noch ein paar mal vor meinem inneren Auge Revue passieren und mich überraschen lassen, was passiert ;-)

Grüße von Elke
 



 
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