Abschiedsworte für eine Freundin

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Zarathustra

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Abschiedsverse

I.

Lass dir ein Gedicht schenken, meine Schwester.
Verse und Worte
an deine schönen Beine heften; -
in deine Augen flüstern.
Dann folge mir nach.
Einmal nur, bevor du gehst.
Wir schleichen die Straßen der Sterne entlang,
über die Stunden des Nachthimmels hinweg.

Lass uns weite Wege ziehen,
vielleicht sogar bis ans Meer.
Lass uns am Nachtstrand unsere Gedanken verschütten;
und züngelnde Lichter anzünden,
die grünschwarze Wellenspiegel zum Funkeln bringen.

Dann lass uns nach Muscheln tauchen
so lange bis aus der Vorhalle der Morgenröte
die Sonne herauf fährt
und mit ihm der Tagmond,
der Tröster.

Du und Ich,
wir sind alt geboren, alt und grau,
wir ertragen das Dunkel und den Regen,
wir ertragen es auch im Sommer.
Du und Ich, ewig jung
Entfliehen wir der bitteren Welt,
dem lichtlosen Tag
um süßere, fernere und geheimnisvolle Ufer zu grüßen.

II.

Geh fort!
denn
wie Seide aus Japan wird dein Nachtflug sein,
deine Reise nach Kreta,
und tausend Wünsche werden deinen Augen folgen; -
in die dunkle Höhle des Zeus
um die Geburt des Gottes zu weinen?

Oder träumst du dir einen minoischen Palast
hinein in dein Herz, in dein Labyrinth ohne Mauern?
Vergiss nicht, Santorins Vulkan – hat ihn lange schon zerstört.
Hat zugeschüttet sein Grauen.

Bleib nicht zu lange, dort –
Von woher die Winde Afrikas wehen, am Abend.
Wenn du am Strand bist, bei den Fischern.
Bei den Booten, wenn sie ihre Netze knüpfen,
und durstig das Licht deiner Augen trinken.

III.

Dann sollen dir Flügel wachsen.
Weite, weiße Schwingen
bitte ich dich zu tragen auf deiner Flucht zurück.
Mögen deine Feinde auch Länder, Meere und Wellen versperren,
der hohe Himmel soll dir offen stehen.

Mag auch Minos alles besitzen,
die Luft über dir – der endlos blaue Himmel
und seine tausendmal tausend Sterne,
sie gehören nur dir.

Komm nicht zu nahe, der Sonne,
der Hitze der Leidenschaft,
den Flammen der Traurigkeit,
sondern schwing dich empor
auf den Gesängen des Pan,
auf den Liedern der Engel,
auf den Versen dieses Gedichts.

IV.

Wenn du wieder kommst
brennen die Lupinen im Regen,
niemals löschen wir dieses Feuer aus,
auch nicht im Herbst,
wenn der Wind den Sommer stiehlt,
ihn zusammenfegt wie welke braune Blätter.
 

Perry

Mitglied
Hallo Zarathustra,
ein wunderbar mystisches, mythologisches und romantisches Abschiedsgedicht hast Du hier geschaffen, das durchaus zu Gefallen weiß.
LG
Manfred
PS: Ein paar Anregungen: „in deine (Augen) Ohren flüstern“
„zum (f)Funkeln“
 

Zarathustra

Mitglied
Danke, Perry
für deinen Kommentar.

Ach für deine Verbesserungsvorschläge.

In deine Augen flüstern
das war Absicht.
Ich wollte, dass meine Schwester die Verse immer vor "Augen" hat, wenn sie im schönen Kreta weilt...

L.G. aus Münche
Hans
 



 
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