Acis und Galathée (Kurzgeschichte nach erzählt)

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sekers

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Acis, Jüngling und Hirte, legte seinen schönen Körper in den Schatten, auf den weichen, feuchten Boden nahe dem Wasser. Müde war er, brütend des Nachmittags Hitze. Zu tun gab es nichts, das Mittagsmahl war verzehrt, die Schafe blökten nur mehr ab und zu. Und sonst war Ruh.

Acis versank in einen Halbschlaf. Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Nach und nach verlor er Fähigkeit wie Interesse zu unterscheiden, ob sie Tatsächliches widerspiegelten oder Auswüchse seiner Phantasie waren. Es machte keinen Unterschied. Acis träumte gerne und er hat im Lauf seines jungen und kurzen Lebens immer wieder geübt, die Zeiten des Seinlassens so lange auszudehnen, bis alle Träumereien zu ihrem rechten Abschluss hatten kommen können.

So war er zwar überrascht, aber nicht verwundert, als Galathée, Nymphe, Gattin des einäugigen Polyphems, sich ihm näherte. Entzückt betrachtete sie ihn. Lächelnd und die Augen geschlossen schob er den wenigen Stoff von seinem Leib, nicht wirklich wissend, ob er dies denn aus freiem Willen tat, oder ob er einen Wunsch der Nymphe erahnen und erfüllen wollte.

"Er ist so schön", murmelte die Nymphe. Das Reden war nicht so sehr ihres als mehr das Besteigen es war. Den zarten Körper des Hirten betrachtend, Vergleiche anstellend mit dem ihres grobschlächtigen Gatten, und fast alle diese Vergleiche zugunsten des Acis ausgehen lassend, machte auch sie sich frei, und tat alsbald wonach ihr gelüstete. Denn kurz nur brauchte sie, um das Weiß ihres schlanken Leibes dem Träumer zu offenbaren, sich einmal um sich selbst drehend ein Quellen und Wölben, ein Heben und Senken mit halbrunden Hügeln und Rosenknospen anzudeuten und auszuführen, was manche unter uns Ah oder Oh ausstoßen, Hitze erleben, oder, zumindest, eine selige Erinnerung heraufbeschwören hätte lassen.

Und wir wollen uns nicht in langen Schilderungen ergehen von dem, was nun unmittelbar geschah. Genügen mag es, dass Galathée mit ihrem weißen Körper auf die lieblichste Art und Weise umzugehen wusste, und Acis, der Hirte, der einen so wirklichen Traum noch nicht erlebt hatte, irgendwann seine Fersen in den Boden stemmte, um besser dagegen zu halten und seine Kraft zu leben. Das Lächeln verließ sein Gesicht nicht, auch wenn es auf das der schönen weißen Galathée übersprang. Nur seine Augen hielt er geschlossen. Wie zur Strafe, dachte er bei sich, aber er wollte doch auch nur zu gerne erfahren, wie und ob überhaupt dieser schönste Traum denn enden sollte.

So hatte er es nur rauschen und donnern gehört, Polyphem, den rasenden Zyklopen, aber nicht mehr gesehen.

Der hatte wohl sein einziges Auge in der Hitze nicht zugedrückt gehabt, von schier unglaublicher Weite den beweglichen Körper seiner Frau gespäht, erkannt, geahnt, sich auf den Weg gemacht, mit Schritten, die immer größer und schwerer und schneller wurden, bis kurz vor dem Ziel die Erde schon zu beben begonnen hatte und alles Getier in Panik und Schrecken nach dannen stob, ohne zu schreien, denn dazu war keine Zeit.

Einen riesigen Felsbrocken, der gerade noch viele Tausend Jahre und unschuldig auf dem Boden gelegen war, hielt er in seiner rechten Hand. Mit der linken wischte er seine Frau zur Seite, dass sie in weitem Bogen davon flog. Und mit einem ungeheuren Schrei schlug er den Stein auf den armen Acis.

Zyklopen sind seltsame Geschöpfe. So schnell sie sich auch in Raserei versetzen, so umgehend beruhigen sie sich. Polyphem blickte auf Acis, dessen - besagter - letzter Traum - war es denn einer gewesen? – gemeinsam mit der Seele sich auf den Weg zum Styx machte. Polyphem blickte auf die schöne Galathée. Und dann beschloss Polyphem, das bisschen Groll, das er gerade noch hegte, bei der Schwester der untreuen Galathée los zu werden, indem er sich gleichfalls schadlos halten würde. Und schon stapfte er davon.

Und die schöne, weiße Galathée? Eben noch hatte sie trunken gegluckst. Nun kroch sie in Tränen zum mit Blut besudelten Leib des Acis. Sie vermeinte noch seine Hüften an der Innenseite ihrer Schenkel zu spüren. Sonst aber roch sie nur den schwarzen Dunst der Traurigkeit.

Ich mag ihn waschen, dachte sie bei sich, ging zum Wasser und schöpfte mit ihrer Hand. Und sie ließ es langsam auf den Leib des Acis tropfen. In einem Augenblick war alles Blut weggewaschen, Acis war sauber und rein. Die schöne Galathée aber hielt nicht inne, und weiter glitt das Wasser aus ihren Nymphenhänden, und es vermischte und verband sich mit des Acis Leib, bis er sich schließlich löste. Und mit dem Wasser hub er an zu fließen, und murmelte und gluckste und rauschte, und erzählte seine Geschichte, immerfort, bis er den nächsten Fluss erreicht hatte. Dann aber kehrte er wieder zurück, an die Stätte, wo er hoffte, dass die schöne, weiße Galathée noch immer säße. Und er hielt kurz Ausschau nach ihr. Aber er konnte sie nicht entdecken und es gurgelte ihn auch schon wieder hinab.

Bis zum nächsten Fluss.

Von da kehrte er wieder zurück.
 

Mäuschen

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Servus sekers,


Gefällt mir gut. Die Sprache (Partizipien, viele Einschübe, dezente und doch eindrucksvolle Beschreibungen) passt wunderbar zu dem Thema und den Gestalten der griechischen Mythologie.

Ein paar Dinge, die mir nicht so gut gefielen:

- ""Er ist so schön", murmelte die Nymphe."

-> Klingt ein wenig plump für eine Nymphe ^^


- "Der hatte wohl sein einziges Auge in der Hitze nicht zugedrückt gehabt, von schier unglaublicher Weite den beweglichen Körper seiner Frau gespäht, erkannt, geahnt, sich auf den Weg gemacht, mit Schritten, die immer größer und schwerer und schneller wurden, bis kurz vor dem Ziel die Erde schon zu beben begonnen hatte und alles Getier in Panik und Schrecken nach dannen stob, ohne zu schreien, denn dazu war keine Zeit."

-> Ist der Endlossatz wirklich wichtig an dieser Stelle? Gerade da die Schritte immer größer und schwerer und schneller werden, würden hier meiner Meinung nach kürzere Sätze besser passen.


- "Aber er konnte sie nicht entdecken und es gurgelte ihn auch schon wieder hinab."

-> "Hinabgurgeln" trifft es zwar irgendwie ganz gut und das Bild dazu ist einfach aussagekräftig, aber an dieser Stelle hat es mir ein Grinsen entlockt, das eigentlich nicht hier hingehörte. Das liegt aber wahrscheinlich dann an mir ^^ Ich wollte es trotzdem mal erwähnt haben.


Liebe Grüße und weiterhin so viele tolle Einfälle,
Christine
 

sekers

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ja woher denn nehmen?

Hallo Mäuschen,

"Er ist so schön", sagte die Nymphe.

findest Du nicht so ganz passend.

ich könnte natürlich jetzt meine machomäßige Anrede von Zeile i ungeniert fortsetzen, erstaunt tun, und so in etwa sagen: was heißt, das sagen doch alle. zumindest, wenn ich am Bach liege.

aber ich will Dir die Wahrheit sagen:

nein, nicht dass ich noch nie am Bach gelegen wäre. und auch nicht, dass das noch niemand gesagt hätte. doch, ja, Heerscharen. nein, ganz was anderes.

Ich habe das "Er ist so schön" aus dem Reigen entlehnt - und verniedlicht. selbst nämlich einem unterschiedlichen Geschlecht angehörend habe ich nicht die leiseste Ahnung, was so eine Nymph(o-mann)e sagen könnte. und da ist mir das "Du bist zu schön" der Schauspielerin eingefallen. aber da war wieder so eine wienerische Färbung drin, die musste weg, immerhin, wir sprechen von einer Ovidstory. Und dass dann halt das geworden ist, was es ist - ich trage die Verantwortung; aber es gefällt mir auch immer weniger.

wie ich glaube es eh nicht sehr glaubwürdig rüberkommt, dass sich da so eine Art Nixe mir nix Dir nix frei macht und gleich schwuppdiwupp.
wahrscheinlich gehört der ganze Teil geändert.

zum Langsatz: er führt beim Lesen zu Atemlosigkeit. und die ist erwünscht.

und das Hinabgurgeln: nicht optimal, aber zur Abwechslung ein bodenständiger Ausdruck, würde ich daher - aus Gründen der Symmetrie - stehen - lassen.

Danke für Deine Aufmerksamkeit

Liebe Grüße

G.
 



 
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