Adler in der Kuckucksuhr

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Cora Horn

Mitglied
Eingeschlossen zwischen grauer Ornamentik
Unsichtbare Mauern, Wände
reichverziert mit Fresken und mit Stuck
Mit Stuck verkleidet, abgenutzter Mörtel
bröckelt lautlos auf den Kachelboden deiner Einsamkeit
Verlassen von dir selbst, du Adlerschwinge,
eingeklemmt per festen Muskels Zwang.
Fast freiwillig hast du dich wegsperren lassen,
Adler, Adler,
in die Kuckucksuhr.
Stößt du brav das goldne Türchen auf?
Spuckst aus das "Kuckuck"
Froh zu jeder Stunde?
Lässt du dir die Stimme stutzen
und zu einem feinen, leisen, stummen Krächzen schleifen?
"Kuckuck" war das, was du riefst!
Die schweren Flügel eingezogen,+
wie die Katze ihre Krallen,
wenn sie für ihr Fresschen schmust.
Aufgefressen bist du selber,
Adler -
Singvogel der Allgemeinen.
Hast dich binden lassen, knebeln,
aufknüpfen durch tiefe Sonnenstrahlenwut,
verblassest dich in diesem Sommersinn.
Vergaßt du deine Stunde, deinen Mut?
Vergaßt dich selbst, gabst dich dem Kuckuck hin!
Sitzt eingemauert zwischen Wänden, an denen Fresken fürstlich thronen.
Geben dir willkomm´ne Künstlichkeit.
Schön.
Aufgeweichtes Leben.
Dünner Trost.
Abgebrannte Seelenflügel flattern.
Aufbegehren ist nicht nötig.
Kannst es nicht
Und willst es nicht.
Willst Luxus, ausgedrückt in Ornamentik
Ausgequetscht aus Adleraugenblut
Dein Blick verschleiert, blutig rot von ungezählten Tränen
Längst die Krallen kurzgestutzt.
Vergessen wird herbeigesehnt
So wie der Tod.
Ganz toef vergraben in deinem ÜberIch
In deinem ÜberDu
Das Sehnen nach der Endlichkeit.
Du Kuckuck,
der sich blöde schreit,
wenn alles Ruhe will.
Du Stummgeduldeter, Verhasster,
Der am Rand steht und den Kuckucksruf brüllt.
Alle halten sich die Ohren zu.
Sie wollen dich nicht hören!
Sie verachten dein Gekreische.
Obwohl sie dich selbst aufgezogen,
wollen sie doch deinen Schrei nicht hören.
Jede Stunde bist du da und kreischst
was man dir beigebracht hat
in die Welt hinaus.
Wer will dich hören?
Wer will dein Geplärre hören,
das nichts Gutes kündt´ noch Neues.
Verloren.
Verloren, Adler, der du einst die Welt erschufst.
Verloren deiner Welten Tage.
Aufgebraucht ist dein Gefieder,
Deine Muskeln verhärten sich zu Stahl
Und erstarren gleich Eis an einem Kältetag.
So singe, stolzer Adler, singe.
Heb den Ruf über die Höh´n.
Und bete, dass dein Lug´ gelinge,
dich selber zu betrügen.
Deinen Hohn musst du von deinem Selbst täglich ertragen.
Doch wisse:
Eingesperrt in einer Kuckucksuhr sein,
ist nicht deine Schande.
Dies Schicksal ist allen Vögeln hingegeben.
Aber du,
nur du,
Du bist ein ADLER.
Mächtig deine Schwingen, stark dein Griff
geschärfter Greifenvogelkrallen.
Aber tot, tot ist dein Leben.
Der du Adler warst,
Bestimmt zu fliegen,
Der du jagen solltest, steigen, drohen.
Du hast alles aufgegeben
Für ein Leben in der Kuckucksuhr.
Was war es wert?
WAS WAR ES WERT???
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Gedicht gefällt mir sehr.
Und es erinnert mich daran, als Dichter ebenfalls in einer Kuckucksuhr sitzen zu können, zu sollen, um Kuckuck zu rufen, wenngleich ich doch in den Höhen kreisen wollte.
All das bin also ich, ebenfalls -- doch ist die Leselupe Kuckucksuhr? Mit all ihren Regeln und Fächern?
Und so schauen wir heraus und rufen: Kuckuck.
Viele Grüße von Bernd
 

Cora Horn

Mitglied
Hallöschen Bernd

Das finde ich aber SCHÖN, dass du das so interpretierst. Ich hab das Leuten vorgelesen, die auf sowas überhaupt nicht kamen und von Vögeln in hölzernen Wandzeitmessern redeten.

Tja, den Regeln und Fächern/Schubladen kann man wohl nirgendwo entfliehen, und in der Literatur schon gar nicht - das sieht immer nur so aus, als gäbe es da nur Freiheiten, habe ich lernen müssen. Aber ich denke, die Kuckucksuhr ist etwas Geistiges - ein gefängnis, dass wir uns selber schaffen, Mauern, die perfide Gesetze und Regeln um uns gar nicht bauen KÖNNEN. Es ist nicht wichtig, dass wir (manchmal) Kuckuck rufen, sondern wichtig ist, dass wir es wissen und nicht auch noch anfangen Kuckuck zu denken.

Selber viele Grüße.

Cora
 



 
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