Afrika

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Heike Wulf

Mitglied
Jo setzte sich auf den noch von der untergehenden Sonne gewärmten Stein und schaute die Felsen hinunter aufs Meer.
Sie liebte das Meer. Hatte es schon immer geliebt.
Dieser Geruch: salzig, frisch, unverdorben.
Dieser Geruch war immer mit Freiheit, wunderbarer Planlosigkeit und wohltuender Aufregung verbunden gewesen.
Bis zum heutigen Tag.
Jetzt war alles anders. Das Meer schien sie verschlingen zu wollen, der warme Wind trug keine guten Botschaften heran, der weite Ausblick lies sie spüren, wie klein und hilflos sie doch war.
Sie fragte sich, wie es wäre unten am Meeresgrund zu liegen. In dieser Stille. Würden dann diese Fragen endlich aufhören?
Damit hatte sie einfach nicht gerechnet. Leise liefen ihr die Tränen über die Wange, sammelten sich am Kinn und tropften auf den warmen Stein.
Sie hatten sich doch geliebt!
Sie dachte an ihre erste Begegnung beim Stadtfest in Hörde: Es war innerhalb einer Sekunde passiert. Ein kurzes Ineinandertauchen der Blicke. Danach hatten sie sich nicht mehr aus den Augen gelassen, den ganzen Abend.
Nach mehreren gescheiterten Beziehungen hatte Jo die Hoffnung aufgegeben einen Partner fürs Leben zu finden.
Bis sie an diesem Abend Mike begegnete.
Die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Sie hatte sie erlebt. Ab da begann ein neues Leben für sie: Nicht nur, dass Mike gut aussah: er war einfühlsam, temperamentvoll, intelligent und brachte sie immer zum Lachen.
Sie stellten fest, dass sie viele Gemeinsamkeiten hatten: Er ging auch gerne ins Kino und liebte es gute Restaurants zu besuchen. Sie hatten sich nur ganz selten gestritten und wenn dann hatten sie sich sofort wieder versöhnt. Im Bett war Mike leidenschaftlich und zärtlich. Er hatte sich nicht nach anderen Frauen umgesehen und jeden der hören wollte mitgeteilt, wie sehr er Jo liebte.
Sie galten als glückliches Paar.
Jo konnte es immer noch nicht verstehen.
Dieses Gefühl, dass es eine Wahrheit gibt, die man nicht fassen, nicht greifen kann. Ihr wurde schwindlig.
Sie dachte an den letzten gemeinsamen Abend, der nur noch als verschwommener, unwirklicher Film in ihrer in Erinnerung existierte.
Hatte sie vor zwei Tagen noch in ihrer Küche gestanden? Hatte er tatsächlich gesagt, dass es aus sei zwischen ihnen beiden? Dass er seit einem halben Jahr ein Verhältnis mit ihrer besten Freundin hatte? Dass seine Koffer bereits gepackt wären und er jetzt gehen würde? Jetzt sofort? Seine Entscheidung wäre gefallen?
Sie konnte ihn nicht mehr fragen.
Blind vor Scham und Demütigung hatte sie das Messer genommen und zugestoßen.
Mehrmals. Bis sie sicher war...
Sie war in Trance zur Bank gefahren und hatte das gemeinsame Konto leer geräumt. Danach hatte sie ein Taxi zum Wickeder Flughafen gebracht und sie hat den ersten Flug genommen, der frei war. Nun saß sie hier.
Am Viktoriasee, Uganda, Afrika.
In dem Land ihrer Träume, nur dass sie jetzt keine mehr hatte.
 
getrennte Konten

Hallo Heike,

die Szene am See kann man sich gut vorstellen. Deine Protagonistin ist wirklich gut. Ein Problem habe ich jedoch mit dem Schluss. Ein Mann wie der Freund deiner Protagonistin lässt nicht bis zur allerletzten Sekunde das Geld auf dem gemeinsamen Konto. Noch vor dem Kofferpacken steht doch im Falle einer Trennung das Kontoabräumen auf dem Plan. Schließlich geht Gute mit der besten Freundin seiner Geliebten fremd. Da rechnet man doch mit schlimmen Dingen bei der Trennung. Ich würde dieses Passage einfach fortlassen.

Grüße
Marlene
 



 
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