Alles nur Theater.

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pleistoneun

Mitglied
"Mach es dir selbst nicht so schwer, drück einfach ab!". Die hektische Stimme kam irgendwo aus dem Hintergrund, er war weggetreten, stand jetzt mit dem Revolver in der Hand vor der schwersten Entscheidung seines Lebens. Viele Dinge gingen ihm plötzlich durch den Kopf, aber er dachte jetzt nur an seine Schulzeit, an das Drangsal seines Deutschlehrers, der damals mit seiner pedantischen Art sofort alle grammatischen Mängel bei ihm aufdeckte.

Heute setzte er diesen Revolver an, wie er damals bei seinen Aufsätzen die Schreibfeder am Papier ansetzte und innehielt, weil er nicht weiter wusste. Heute würde er weiter wissen und krümte seinen Zeigefinger am Abzug noch etwas weiter. Jedesmal, wenn er an die Tafel vor der ganzen Klasse musste, war ein Versagen vorprogrammiert. "Zeiten abwandeln!", befahl der Deutschlehrer mit übertriebener Strenge. "Erster Satz: 'Der Einbrecher steht vor mir und bedroht mich mit der Pistole.' - Plusquamperfekt". "Äh, ja ....ah .....der Einbrecher ist vor mir gestanden und wird mir seine Pistole in den Kopf ..... nein ..... äh an den Kopf ..... nein ......... wird seine Pistole bedrohlich ...... Moment ..... Entschuldigung ..... wird, wird .... der Einbrecher wird ...... "Er wird dich erschießen, wenn du dich weiter so dämlich anstellst!! Setzen!!", schrie das deutsche Nervenbündel.

Mit schweißnassen Händen drückte der Zeigefinger gegen den Widerstand des Abzugshebels des Revolvers. Er verstand die Vergangenheit nicht, lieber hatte er die Zukunft, die machte ihm keine Sorgen. Die Zeiten des Plusquamperfekts waren doch ein für alle Mal vorbei und sollten ihm doch keine Ärgernisse mehr bereiten. Warum also jetzt diese Blockade? Würde er, wenn er abdrückte, sein Leben lang flüchten müssen. Flöhe er sein Leben lang? Er konjunktivierte. Seine Hand zitterte, der Revolver verschwamm in seiner Hand und der Griff rutschte gefährlich.

Sein Leben lang hätte er unterwegs sein müssen, würde er geschossen haben.... Im selben Augenblick löste sich mit ohrenbetäubendem Knall ein Schuss aus dem Revolver und verfehlte sein Ziel um Haaresbreite, was dem Geschockten mit dem Bewusstwerden der Tatsache, knapp einer verhängnisvollen Tat vorbeigeschrammt zu sein, den Schweiß auf seiner Stirn gefrieren ließ. Totenstille.

Der Beifall des Publikums war umwerfend.

Im kleinen Vorstadttheater war die Hölle los. Die Menschen sprangen von ihren Stühlen um zu applaudieren, Jubelpfiffe gellten durch den Saal und von euphorischen Frauenbildern wurden fliegende Küsse zum meisterhaft agierenden Bühnendarsteller geschickt. Das Volk war rasend vor Begeisterung. Kriminalstücke dieser Art hatten stets im Schlussakt ihren Höhepunkt und mit diesem ging der Schauspieler nach der Vorstellung in den Umkleideraum und überlegte, ob er denn wirklich sein Leben lang auf der Flucht gewesen wäre, würde er getroffen haben, also hätte er nicht vorbei geschossen, träfe also die Kugel ...... würde getroffen haben ....... er schaute in den Spiegel und dachte wieder verängstigt an seinen Deutschlehrer.
 
Viele Dinge gingen ihm durch den Kopf, aber er dachte jetzt nur an die Schulzeit...
Ist das nicht ein Widerspruch?

Die Geschichte liest sich sehr schwerfällig.

Warum ist für den Schauspieler der Deutschunterricht so wichtig? Und warum denkt er gerade in diesem Moment daran?
Würde mich als Leser eventuell interessieren.
 

pleistoneun

Mitglied
erkl

Manche Menschen flüchten sich in ihre Vergangenheit oder in die Zukunft, als Methode der schwer oder nicht zu verarbeitenden Probleme, die sie in ihrem Leben haben. Unser Kandidat flüchtet sich ins Plusquamperfekt, dort allerdings hat er aufgrund der Erlebnisse in der Schule mit dieser Zeit als grammatische Aufgabenstellung Schwierigkeiten. Das alles zusammen schafft die Situation, in der er sich als Schauspieler auf der Bühne befindet und "rüberbringen" soll.
 



 
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