Alles wird gut (Fortsetzung)

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Kelly Cloud

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Mitte Dezember

So endet mein Versuch einer beinahe idyllischen Weihnachtsgeschichte. Die Inspektoren in der syrischen Wüste in ungewisser Mission.
Zum Glück sitze ich an meinem Schreibtisch und schau zum Fenster hinaus. Es schneit friedlich vor sich hin. Ein lebhaftes Treiben auf der Strasse unter mir. Hektik? Scheint so. Ist ja bereits der 2. Advent und die Nervosität steig. Ein Auto nachdem andern fährt vorbei. Menschen hechten zwischen ihnen durch. Ein Linienbus hält an der Bushaltestelle. Dutzende Fahrgäste strömen aus den automatisch geöffneten Türen in das Schneetreiben und einige direkt auf das McDonalds zu. Der Hampi auch. Hampi, so früh schon? Wen interessierts? Ich sollte ihn wohl mal ansprechen. Ziemlich zugenommen hat er. Wann habe ich ihn das letzte Mal schlank und rank gesehen? Im Frühjahr? Wahrscheinlich. Und dann wahr er plötzlich nicht mehr da. Es fiel mir gar nicht auf. Es fällt einem sowieso nicht auf, wenn jemand verschwindet. Erst wenn dieser Jemand wieder da ist, denkt man: „Lang nicht gesehen, eigentlich.“
In einem WeltEventOrt wie diesem, ist es sowieso schwierig, die Übersicht zu behalten. Ein kommen und gehen. Manche bleiben 3 Monate, andere ein halbes Jahr und wieder andere ein und einige Jahre. Nicht wenige bleiben für immer oder waren schon immer da. In einem Ort dieser Grösse ist es wichtig, dass man auf dem neuesten Stand ist. So zum Beispiel, ist es ein Muss, dass alle Haushalte, Hotels und öffentlichen Gebäude verkabelt sind, sodass man überall und zu jederzeit online ist. Natürlich müssen auch die Naherholungsgebiete mit modernsten Mitteln und schnell und bequem erreichbar sein. Hierfür steht seit kurzem der moderne und ultraschnelle Hochalpinexpress zur Verfügung. Das Herzstück der hiesigen Tourismusförderung. Dass die Winter garantiert schneesicher sein müssen, scheint so selbstverständlich zu sein, wie der Käse im Käsefondue. Dass hierfür alle Berge verkabelt sind und vor allen „verschlaucht“, ist auch logisch. Es braucht alles, dass so ein WeltEventOrt funktioniert. Die Infrastruktur reicht von der funktionierenden Toilettenspülung über den uneingeschränkten Internetzugang bis hin zu den reibungslosen Verbindungen des öffentlichen Verkehrs. Dazu braucht es natürlich auch eine sichere Umgebung. Die Topografie muss so sein, dass die Natur von allem genug hat, aber nie zu viel. Diese Anforderungen benötigen sehr viel Wasser und zur richtigen Zeit Schnee und Sonne. Dass das hier geklappt hat, hat dieser Herbst wieder eindrücklich gezeigt. Zur richtigen Zeit am richtigen Platz in den Alpen zu liegen, macht sich eben schon bezahlt! Da kann man mit dem Gemeindepräsidenten vom Bergdorf im Oberland nur verbarmen haben. Aber die können sich ja mit ihrem zukünftig zentralst gelegenen U-Bahnhof der Alpen trösten. Das wird der Hammer. Mit dem TGV und dem ICE mit 200 Sachen und nach 800 Meter hoher Liftfahrt direkt ins Skigebiet von Sedrun. Sedrun, wir setzen uns für euch ein. Und wenn es soweit ist, brauchen die dann auch viel Wasser und Hunderte von Kilometern Schläuche und Stromkabel, um ihre dannzumal begehrten Skipisten einzuschneien. Diese Attraktion würde der ganzen Region gut tun. Genauso, wie unser WWF (WeltWirtschaftForum) auch die ganze Region bereichert!

Hier und da

Bald ist Weihnacht. Die Lebkuchen und Gritibänzen sind zusammen mit den Erdnüssen und Mandarinen im Jutesack verstaut. Der Santa Claus setzt sich neben seinen dunkel gekleideten Gehilfen in den Kleinwagen. „Na dann los zu dem nächsten Kunden,“ sagt er und kramt in seiner weiten Kutte herum. Er holt schliesslich sein grosses Notizbuch heraus und blättert drin. “Mount Eden Drive, bitte!“
“Little Kev?” Sie grinsen sich an und sagen wie aus einem Mund: “Oh Gott!“

Die Vorbereitungen laufen auch andernorts auf vollen Touren. Das Konferenzgebäude wird bereits jetzt Tag und Nacht bewacht. Das Hotelpersonal wurde aus Sicherheitsgründen auch schon fichiert! Das alles gehört zu einem WeltEventOrt. Auch das internationale Eishockeyturnier und der Langlauf Weltcup Lauf wird selbstverständlich in die ganze Welt live ausgestrahlt. Verkabelung sei dank!
Hampi steht vor dem Grillstand im Zielgelände. Eigentlich interessiert er sich überhaupt nicht für Langlauf, aber so eine schwarz verbrannte Bratwurst ist halt schon was gutes. Von irgendwas muss man ja leben. Die krebserregenden Stoffe in der angebrannten Kruste stören ihn schon lange nicht mehr. Könnte zwar schon beunruhigend sein, aber Hampi hat mittlerweile andere Sorgen. Um seine Nichte sollte man sich sorgen machen, denkt er. Was hat die denn für eine Zukunft. Er schaut auf die angebrannte Kruste seine Wurst und unweigerlich kommen ihm die Bilder der nordspanischen Küste hoch. Die freiwilligen Helfer des spanischen und internationalen FiG (Friede in Grün), die schwarz verklebt von dem unaufhörlich herantreibenden Öl versuchen, die Steine und den Strand von den Ölmassen zu befreien. „Eine scheinbar unlösbare Aufgabe,“ hat der Nachrichtensprecher gesagt. „Wenn man weiss wie viel 1000 Tonnen noch auf die Küste zutreiben!“
Hampi beisst genüsslich in die schwarze Wurst. Beim Nachhausegehen stolpert er über einen Strang dicker Stromkabel. In seiner 1-Zimmerwohnung entledigt er sich seiner „schweren“ Kleidung.

Öl

In La Coruna sitzt Jose vor einem grossen Glas Bier. „Das haben wir uns redlich verdient,“ prostet ihm sein deutscher Kollege zu. „Salut, Harald,“ (sprich Charald) antwortet er und denkt dabei an die schwarzverklebte Möwe, die er heute Morgen geputzt hat. Hoffentlich lebt sie noch. Sie hat ja so geduldig stillgehalten...

Vom Lesen und Träumen

Fletcher sah seinen Lehrer an. In seinen Augen blitzte sekundenlang die Angst auf. „Ich- sie führen? Was meinst du damit, dass ich sie führen soll? Du bist hier der Lehrer. Du könntest sie nie verlassen.“
„Könnte ich nicht? Zahllose Schwärme gibt es und zahllose ruppiger Möwen wie einst jener Fletcher. Meinst du nicht auch, dass sie mich mehr brauchen als diese da, die schon unterwegs sind zum Licht?“
„Aber ich? Jon, ich bin nur eine gewöhnliche Möwe, du...“
„...bist ein Göttlicher, willst du sagen?“ Jonathan seufzte und sah über das Meer hinaus. „Du brauchst mich nicht mehr. Was du brauchst, ist Selbstvertrauen. Finde täglich ein wenig mehr von dir selbst. Finde die wahre, unbegrenzte, freie Möwe Fletcher. Sie wird dein Lehrer sein.“ Und Jonathans Körper flimmerte in der Luft, erstrahlte und wurde durchsichtig.
„Lass nicht zu, dass sie dumme Gerüchte über mich verbreiten oder mich zum Gott erklären. Ich bin nur eine Möwe. Ich liebe das fliegen, vielleicht...“
„Jonathan!!“
„Mein armer Sohn, trau deinen Augen nicht. Was immer sie dir zeigen, es ist nur Begrenztheit. Trau deinem Verstand, hebe ins Bewusstheit, was in dir ist, und du wirst wissen und fliegen.“ Der Strahlenglanz erlosch. Die Möwe Jonathan hat sich in Luft aufgelöst. Und ihr Schüler flog schwerfällig auf, wandte sich unter grauem Himmel heimwärts und nahm seine Pflicht bei neuen Schülern auf, die begierig auf ihre erste Lehrstunde warteten. Ernst und bedrückt begann er: „Ihr müsst vor allem verstehen, dass die Möwe die absolute Idee der Freiheit ist, das Abbild der grossen Möwe. Und der Körper ist von Flügelspitze zu Flügelspitze nichts weiter als der Gedanke selbst.“
Die jungen Möwen blickten ihn unsicher an. Hallo, dachten sie, das klingt aber gar nicht nach Flugregeln. Fletcher seufzte und wollte noch einmal von vorne anfangen. „Ja- na schön“, sagte er plötzlich und musterte sie kritisch. „Fangen wir mit dem Tiefflug an.“ Und in dem er das sagte, begriff er urplötzlich, dass sein Freund wahrhaftig nicht um ein Haar göttlicher gewesen war als er selbst. Keine Grenzen, Möwe Jonathan, dachte er. Die Zeit ist nicht mehr fern, da auch ich aus der durchsichtigen Luft heraus auf deinem Strand erscheinen und dir zeigen kann, was Fliegen in Freiheit bedeutet. Und obwohl er sich vor seinen Schülern streng gab, sah er sie plötzlich alle so, wie sie wirklich waren. Und was er in ihnen sah, erfüllte ihn über Anerkennung hinaus mit tiefer Liebe. Grenzenlos. Jonathan, dachte er und war glücklich. Der Weg zur Erkenntnis war beschritten, der Kampf in ständigem Lernen hatte begonnen.
„Na schön,“ denkt Jose und fährt sich mit dem Handrücken über sein tränennasses Gesicht. „Fangen wir mit dem Tiefflug an.“ Er legt das Buch von Richard Bach auf den Nachttisch und fällt in einen tiefen, ruhigen Schlaf, in dem er von grenzenloser Leichtigkeit in die Welt der schönen Träume getragen wird. Am nächsten Morgen wartet wieder viel Arbeit auf ihn und seine Freunde. Er träumt von seiner Freundin, die im Landesinneren wohnt und arbeitet. Sie sind beim Skifahren.
(Weihnachtsferien in Andorra!) Sie kurvten von einer gigantischen Schneewolke umhüllt durch den Tiefschnee. Schneetauben stoben auf, Schneehasen suchten erschreckt das weite und die Eichhörnchen schauten bestürzt von den hohen Tannenzweigen hinunter. Sie stoppten vor einem einsam verlassenen Stall, sprangen hastig aus ihren Skibindungen, liessen die Stöcke neben den Skiern stecken und drangen polternd in den Stall ein. Sie fiel über ihn her, riss seine Skihose zu den Knöcheln herunter. Er liess es entspannt geschehen. Warum wurde sie nie müde, fragte er sich glücklich. Sie streichelte seine Bällchen, berührte ihn zärtlich mit ihren Lippen, umrundete ihn mit ihrer feuchten Zunge und liess ihn in sich hineinwachsen. Er stöhnte und streichelte durch ihr Haar. Sie liess nicht von ihm ab. Sie drängte mit ihrer freien Hand in ihre Skihose und unter das Höschen. Stöhnend und lutschend massierte sie sich ihre Knospe, drängte mit den Fingern in sich hinein und bewegte sich zitternd hoch und runter bis...
...Schweissgebadet wacht Jose auf. Die Luft in diesem Massenlager ist ziemlich stickig. Lieber wäre er jetzt mit seiner Freundin zusammen. Schneehasen und schwarz verklebte Möwen, was für eine schreckliche Bildkombination in seinem Kopf. Er steht auf und wankt ins Badezimmer. Er schüttet sich eine handvoll verkalktes Hahnenwasser ins Gesicht. Langsam fühlt er sich wieder besser.

Juanita schlägt die Augen auf. Hat sie etwas geträumt? Sie kann sich nicht mehr erinnern, aber ihre Gedanken sind nur an einem Ort. Wie sie ihren Jose in diesem Moment doch liebt. „Grenzenlos. In Gedanken sind wir immer zusammen. Wenn ich ganz fest an dich denke, dann bin ich auch ganz nah bei dir, Bella mia,“ hat er einmal gesagt.
Hat er wirklich schön gesagt, dieser Jose. In diesem Moment ist er wahrscheinlich wieder an der nordspanischen Küste beim Möwen putzen. Vielleicht hat er sich auch der FiG-Demonstration gegen die alten Tanker auf den Weltmeeren angeschlossen. Nur leider wird das genau so wenig bringen, wie die Schellte der Opposition im spanischen Parlament gegen die Regierung, weil die es verhindert haben, den Tanker rechtzeitig in einen Hafen einlaufen zu lassen, um das Rohöl vor dem endgültigen Zerbarsten auszupumpen. Und gelernt hat diese Regierung immer noch nichts. Jetzt scheren sie sich keinen Deut um die Aufräumarbeiten und die Fischer. Alle Regierungen der Welt sind da genau gleich. Kaum an der Macht, schauen sie nur noch auf die eigene Tasche, diese Säcke. Also, Oppositionen dieser Welt, wenn ihr glaubwürdig bleiben wollt, dann bleibt in der Opposition und kämpft für das Gute! Denn kaum an der Macht, seid ihr die gleichen Säcke. Deutschland ist das traurigste Beispiel dafür.
Die deutsche Regierung interessiert Jose nicht. Er möchte hier in Spanien etwas bewirken. Er möchte, dass es in Spanien genug Arbeit für alle gibt. Er möchte, dass die spanische Tourismusbranche funktioniert. Dazu braucht es aber garantiert saubere Strände. Und um das zu garantieren, muss die Schifffahrt auf allen Weltmeeren sicher werden. Dafür kämpft er mit seinen bescheidenen Mitteln, als unbedeutender, kleiner Bürger, der sein Land und die ganze Welt liebt. Bald ist Weihnacht und Jose wird wieder mit seiner Geliebten zusammen mit Familie und Verwandten feiern. Die Liebe am Fest der Liebe. Wie viele Weihnachten hat es in Joses Leben gegeben, da er sich nichts sehnlicher gewünscht hat, als eine ihn liebende. Nun hat er Juanita, schon seit zwei Jahren und eigentlich stimmt alles. Sie haben so zu sagen nur Gemeinsamkeiten. Im Winter nimmt sie ihn mit zum Skifahren, was er ohne sie wahrscheinlich gar nie gelernt hätte. Im Gegenzug hat er ihr das Schwimmen beigebracht und das gemeinsame Wandern in den Pyrenäen macht zu zweit auch viel mehr Spass, als alleine.

Am Fusse des pyrenäischen Westhanges im kleinen Städtchen denkt Juanita auch über die Liebe nach. Sie liebt seine Eltern genau so wie die eigenen. Auch Jose ist für ihre Eltern wie ein Sohn. Und trotzdem, manchmal, ist sie hin und her gerissen. Seit zwei Jahren leben sie nun zusammen und eigentlich stimmt alles. Sie akzeptiert seine Macken und er die ihren wahrscheinlich auch. Aber jetzt, wo er an der Nordküste im Auftrag der FiG die Küste vom ausgelaufenen Öl reinigt und sich vielleicht irgendwelchen Gefahren aussetzt, macht sie sich eigentlich keine, oder irgendwie zuwenig Sorgen um ihn. Sie fühlt sich wohl in der gemeinsamen Wohnung. Ihre eigenen vier Wände, irgendwie. Irgendwie steigt ein ungutes Gefühl in ihr hoch. Sie stellt fest, dass sie sich viel zu wohl fühlt, so alleine und unabhängig. Fast hat sie Angst vor der Zweisamkeit. Das Leben ist schon komisch, denkt sie so. Sie konnte nach dem Schwimmen mit Freunden einfach noch ausgehen, ohne sich irgendwelche Gedanken zu machen. Wenn Jose da gewesen wäre, hätte sie wohl angerufen, um zu fragen, ob er auch noch nachkommen wolle. Wahrscheinlich hätte er dann abgelehnt und dann hätte sie ihm versichert, dass sie nicht zulange wegbleiben würde und er sich keine sorgen machen bräuchte. Nein, wenn er da wäre, dann wären sie natürlich gemeinsam zum Schwimmen gegangen und danach wahrscheinlich gleich nach Hause. Was ihr auch immer recht war. Er war ja immer so zärtlich und entsprach genau ihren Bedürfnissen. Eigentlich ein Traummann, aber irgendwie war bei ihr das Feuer aus. Dafür zieht sich ihr Herz schmerzhaft beim blossen Gedanken an einem anderen Mann zusammen. Sie fühlt sich total unwohl in ihrer Haut. Sie will das alles ja gar nicht. Es wäre alles so gut. Seine Eltern... die gemeinsamen Freunde...

Jose sitzt auf der Hafenmauer und schaut in den Sonnenuntergang. Was war das wieder für ein Tag heute. Erst die Demo und danach drei weitere Möwen gereinigt. Wie geduldig die doch immer stillhalten. Das packt ihn doch an. Und die drei Möwen, die er gestern gereinigt hat, hatte er heute noch besucht. Sie scheinen sich schon gut erholt zu haben. Gott sei dank. So kleine Freuden und unscheinbare Taten sind es, die schlussendlich die Welt retten. Daran glaubt Jose ganz fest. Auch an seine Liebe. Die Liebe zu Juanita gibt ihm die Kraft das alles auszuhalten. Schliesslich möchte er mit ihr mal viele kleine Kinder haben und das in einer guten, schönen, lustigen und sauberen Welt. Dafür lohnt sich jeder Aufwand. Ach, wie er doch Juanita liebt. Sterben würde er für sie. Dieses Gefühl, das er Tag und Nacht verspürt, ist unbeschreiblich schön. Da kann er Gott nur dankbar sein. Und er wird auch nichts tun, um den Herrn zu erzürnen. Jeden Tag etwas Gutes tun. Für die Welt und für Juanita. Anrufen wird er sie um zehn. Von ihr träumen bis dahin und in Gedanken sie ganz fest halten. Dieses Glück macht ihn stark. Sein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen beim Gedanken, dass sie so weit von einander entfernt sind. Dass sie getrennt schlafen müssen. Aber es ist nun mal so. Sie weiss wie wichtig ihm die Arbeit in der FiG ist. Solange die Menschen nichts dazu lernen, müssen sie um so aktiver sein. Aktiv, diesen wunderschönen Sonnenuntergang zu erhalten. Ein Wunder, ein wunderschöner Anblick, wie diese blutorangerote Kugel langsam im Meer versinkt. Noch schöner ist nur seine Juanita.

Frohe Weihnacht

Ich sitze auf der Terrasse der Bergstation des Hochalpinexpress. Wir prosten uns zu. Ein Hoch auf die geglückte Investition. Über 2000 Wintersportler schafft dieses Konzept alle zehn Minuten über 1000 Höhenmeter hoch. „Pro Stunde 12000 zahlende Gäste. Das macht zwischen neun und Mittag 36000,“ frohlockt der Betriebsleiter. „Ist doch so, oder?“
Er hebt das Glas Champagner nochmals hoch. „Hoch!“
„Hoch, hoch!“ entgegnen wir im Chor. Die Fernsehkamera des öffentlich Rechtlichen surrt. Die Zeitungsjournalisten sind fleissig am schreiben. Was für eine Werbung für die Region. Alle, die ganze Welt soll wissen, wo sie die Weihnachtstage am besten verbringen würden. Von jetzt an muss es wirtschaftlich wieder nach oben gehen.
Beim runtergehen durch die Eingangshalle zum Hochalpinexpress begegne ich einem alten Bekannten. „Hallo, schön dich hier zu sehen,“ begrüsse ich ihn. Durch die ganzen Umstrukturierungen wurde seine Arbeitsstelle am Berg überflüssig. Wir geben uns die Hand. „Ja, bin schon froh, dass es hier geklappt hat,“ entgegnet er mir. Wir gehen zusammen zur Front des Express und steigen ein. „Ich führe euch,“ sagt er und nimmt, beinahe stolz, im „Cockpit“ platz. „Was macht die Familie?“ frage ich, als sich die Komposition lautlos in Bewegung setzt. „Ganz gut alles, danke,“ meint er und schaut in die Tiefe. Die Tochter sähe ich des öfteren, sag ich. Die sei noch zu Hause mit der Kleinen, entgegnet er mit. Arbeite mit der Mutter zusammen in dem kleinen gemeinsamen Lädelchen. „Oh, schön. Und dein Sohn ist auch wieder zurück. Es ist immer nett, wenn die Einheimischen in die Heimat zurückkehren.“ Ist irgendwie die Leute ausgefragt, denk ich so bei mir. Aber er meint: „Ja, er lebt nun in seinen eigenen vier Wänden...“ (schluckt) „...Wird auch endlich Zeit.“ Er lacht kurz auf und wir fahren sanft in die Station ein.

Das Handy vibriert zweimal und verbindet. Der Gemeindepräsident vom Bergdorf ist am andern Ende des Äthers. Die Konversation zwischen ihm und dem Katastrophenkoordinator ist beruhigend einfach. Es hat seit langem nicht mehr geschneit. Es war einfach sehr kalt, so dass die umliegenden Skigebiete ihre Pisten gut beschneien konnten und die Aufräumarbeiten im Unglücksgebiet gut voran gingen. Man bedankt sich gegenseitig und wüscht sich schöne Festtage und ein gutes neues Jahr. Und einmal mehr die Erkenntnis: Man muss einfach topografisch am richtigen Ort in den Alpen liegen.

Hassan liegt auch völlig richtig. Er ist der Star seiner Freunde und Familie. Ihn interessieren die ölverschmierten Meerestiere genau so wenig, wie die Obdachlosen von Bihar am Ganges. Das Essen war ausgiebig und gut. Kebabs und Fallafel waren köstlich. Er fühlt sich wie im Paradies. „Und verkünde die frohe Botschaft denjenigen, die glauben und Gutes tun, auf dass ihnen Gärten zuteil werden, in deren Niederungen Bäche fließen...“(Quran, 2:25), sagt Allah im Koran. Hassan hat es geschafft in seinem Leben. Er wusste immer, was er wollte. Ein Leben für und mit Allah, denn der Herr sagt: „Wetteifert denn miteinander um die Vergebung eures Herrn und um das Paradies, dessen Größe gleich der Größe des Himmels und der Erde ist. (Es ist für) jene bereitet, die an Gott und seine Gesandten glauben...“(Quran, 57:21). Er kniet sich gen Osten nieder und betet: „Wer das Paradies betritt, wird glücklich leben, ohne Krankheit, Schmerzen, Trauer oder Tod; Gott wird zufrieden mit mir sein und ich werde für immer leben.“
Hassan zieht sich nun an, verabschiedet sich von seiner Mutter und seinem Vater, die so stolz auf ihren Ältesten sind. Er nickt dem Rest seiner Verehrer zu und steigt in den kleinen unscheinbaren Koreaner.
 



 
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