Alltag

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Creator

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Der ewige Stress mit dem Handy

Wie ein Wiesel auf zwei Beinen rase ich durch die Räume unseres Obergeschosses und suche nach einem kleinen schwarzen flachen Ding, das mich schier zur Verzweifelung bringt, seit ich in den Besitz einer solchen Gattung gekommen bin. Ich habe es eilig, sehr eilig sogar, denn das Taxi wartet bereits seit einigen Minuten vor der Tür und mein Flug geht in circa einer Stunde. Weitestgehend planlos und wie gejagt hechte ich umher und finde alles Mögliche, nur nicht dieses verflixte ewig sich versteckende Teil. Wo bitte ist dieses verdammte Handy?
Im Bad unter den Handtüchern? Nein.
Im Kleiderschrank etwa? Nein.
Ja, wahrscheinlich im Wäschekorb hinter der Tür. Nein.
Verzweifelt stürze ich hinab ins Erdgeschoss, öffne die Haustür und strecke dem Taxifahrer meine rechte Handfläche entgegen. So als wenn draufstünde: „Warte noch kurz, bin gleich da“. Die linke zeige ich ihm nicht, jedenfalls jetzt noch nicht: Denn auf ihr steht geschrieben: „Mein Handy ist futsch, dauert wahrscheinlich länger, kommen Sie morgen wieder, ich storniere derweil den Flug“.

Es ist ein Kreuz mit dem Ding, genau wie mit Brille, Schlüsselbund und Hustenbonbons. Mehr als zwei Dinge zugleich verwalten und bewachen ging nie und wird niemals gehen. Noch einmal schnellt das Wiesel im Mordstempo durch die unteren Zimmer.
Kaffeemaschine? Nein.
Unter der Zeitung? Nein.
Ich starte durch, nehme zwei Stufen auf einmal, will wieder nach oben, um überall dort zu suchen, wo ich eh schon drei Mal nachgesehen habe. Warum sucht man eigentlich immer und immer wieder an derselben Stelle? Natürlich vergebens, denn welcher verrückte Geist sollte denn dein Suchobjekt zwischendurch an eine dieser ewig verdächtigen Stellen platziert haben? Oben angekommen plätte ich fast meinen Sohn, der soeben mit einem Zehntel meiner eigenen Geschwindigkeit den Weg vom Bett zum Bad zurücklegt.

„Hast du mein..., ach vergiss es“, korrigiere ich mich bereits beim Anblick seines zerknautschten Nachtgesichtes.
„Rufs doch einfach mal an“, presst er mir mit äußerst gedämpftem Elan entgegen und verschwindet hinter der Tür.

Mensch, warum bin ich nicht selbst drauf..., wie geht die Nummer noch...
Ich greife das Etagentelefon, tippe genervt darauf herum und warte. Es tutet gleichmäßig am anderen Ende, aber es klingelt nichts. Kein Ton, keine Melodie, jedenfalls nicht in meiner Nähe. Ich springe mit dem Mobilteil des Telefons zurück ins Erdgeschoss, um bloß nichts zu überhören. Vielleicht schreit das Ding im Küchenschrank nach mir und findet einfach nur mein Ohr nicht. Klack, die Mailbox springt an, die sämtliche Rufe meines verschollenen Spielzeugs rigoros abschneidet. Schnell die Wahlwiederholung gedrückt, erneut die Haustür geöffnet und die rechte Hand raus gehalten. Es gibt schließlich noch Hoffnung auf baldige Abfahrt. Es tutet erneut im Hörer aber es gibt immer noch kein spürbares Lebenszeichen. Langsam beginne ich zu schwitzen und bereite mich auf Plan B mit der linken Hand vor, denn eine Geschäftsreise ohne Kommunikationsmittel bedeutet soviel wie Kneipe ohne Gläser oder Fluss ohne Bett.

„Papa, warum leuchtet dein Po denn so hell?“ will meine kleine Tochter plötzlich wissen, nachdem sie sich unbemerkt und mit schlaftrunkenen Augen hinter mich aufgebaut hatte.
Klar, natürlich, logisch. Gestern in der Konferenz alle Signaltöne abgeschaltet. Habe ihm quasi alle Rechte abgenommen, es mundtot gemacht und irgendwann in die Gesäßtasche meines Anzuges gleiten lassen. Keine Ahnung warum gerade dorthin, ich erinnere mich nicht mehr daran. Meine ungebremste Eile lässt eh jedes weitere Sinnieren über längst Vergangenes auf der Stelle ersterben.

Ich küsse meine Tochter vor Dankbarkeit, tätschele mein Handy, weil es manchmal auch eine Leuchte ist und fliege hinaus zum Taxi. Der Fahrer ist noch wach und lotst mich direkt auf den Rücksitz seiner Droschke. Er lässt den Motor an und darf endlich losrauschen, als es mich plötzlich wie ein Blitz durchfährt: wo bitte ist nur mein Schlüsselbund?
 

sonah

Mitglied
Hallo Creator,

eine witzige Schilderung, habe ich gerne gelesen. Mal gut, dass die Kinder da sind, um ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen. :D

Herzliche Grüße,

Sybille
 



 
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