Alltag

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masi

Mitglied
Auf einer grünen dreckigen Bank,
Schwer zu sagen, wie dreckig, wie grün,
Saß Frau Müller und trank,
Sie sah aus, als würde sie sich bemüh’n.

Mit hocherhobenem Haupt,
Trinkt sie Schluck für Schluck,
Da kommt ein Manne und raubt
Ihr die Tasche und den Schmuck.

Wie das? fragt Frau Müller erstaunt,
Der Mann bleibt stehen
Und mit freundlicher Stimme raunt
Er schnell: Verzeih, doch ich muss gehen.
 

Svalin

Mitglied
Hallo masi,

Du schreibst u.a.: "Sie sah aus, als würde sie sich bemüh’n." Das scheint mir auf den Text auch zuzutreffen: er wirkt (gerade durch seine Reimform) sehr bemüht, dem Leser etwas Besonderes zu vermitteln:
Mit hocherhobenem Haupt,
Trinkt sie Schluck für Schluck,
Da kommt ein Manne und raubt
Ihr die Tasche und den Schmuck.
Hier scheint eine wohlhabende Alkoholikerin auf einen Räuber zu treffen, der sein Opfer duzt ("Verzeih"). Falls eine solche Konstellation tatsächlich jemals zustande gekommen ist, wäre sie sehr ungewöhnlich und gerade nicht alltäglich. Diese absurde Konstruktion macht stutzig: verwirrt.
Manchmal sagt man, ein Text wäre gut, wenn er den Leser zum Nachdenken oder Mitempfinden bringt. Seltsamerweise scheint ihm das auf Schleichwegen zu gelingen. Quasi im Vorübergehen raubt einem der Text jede rationale Handhabe und eh man sich versieht, sitzt man da und fragt sich wie Frau Müller: "Wie jetzt?" Ziemlich raffiniert ;) Ich fürchte nur, dass es darum eigentlich nicht ging, oder?

Viele Grüße
Martin
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es hat ein wenig der Surrealität der Poetik von Charms.
Die sprachliche Gestaltung unterstreicht das.

Es ist eine absurde Komik im Gedicht.

Gut gelungen der Wechsel von der Vergangenheitsform zur Gegenwartsform.

Gefällt mir gut.
 

masi

Mitglied
Ich möchte niemandem sagen, wie er das Gedicht zu verstehen hat, das überlasse ich ganz alleine dir, Svalin. Allerdings sage ich gerne, wie ich es gemeint habe: das mit der wohlhabenden Alkoholikerin hast du völlig richtig erkannt. Das mit dem Dutzen erschien mir irgendwie besser, darum habe ich mich dafür entschieden. Ich gebe dir jedenfalls recht, dass die Überschrift nicht so geschickt gewählt war, denn alltäglich ist die Situation nicht, das stimmt wohl.

Und allgemein möchte ich mich schnell für das Lob bedanken. Freut mich, wenn es euch gefällt. Schönen Abend noch, Masi
 

noel

Mitglied
gefällt

der erste absatz
passt zur überschrift


ich finde dieses kleine absurdistan gut gestaltet

[ 4] durch den wechsel von absatz 1 zu absatz 2,
[ 4] der durch den tempiwechsel unterstrichen wird,
[ 4] wird man geschickt von der alltäglichen situation
[ 4] zur absurden wendung geleitet

[ 4] die bank, ort ihres sein, ist grün (wie weiß man nicht)
[ 4] & dreckig (wie weiß man nicht)
[ 4] bilder, die übertragen für die frau müller, meier,
[ 4] schmidt stehen, ihr noch hoffnungsnahes dasein
[ 4] trotz des dreckes, ist der hals gereckt, mensch
[ 4] bemüht sich

[ 4] klasse dann, dass irgendein mann kommt
[ 4] der sie um hab & gut bringt
[ 4] auch hier die überleitung durch das verwendete
[ 4] personalpronomen
[ 4] was ihn auszeichnet, dass er `freundlich um verzeihung´
[ 4] bittet. für mich ein ringschluss zu dem beginn, der
[ 4] dreckig doch noch grünen bank


noel
 



 
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