Alte Liebe

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Estella

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Alte Liebe


Julius und ich wandern schon den ganzen Tag. Manchmal geht es steil bergauf, dann wieder streckenweise auf geraden Wegen durch den Wald. Wir sprechen nicht viel. Immer wenn der Weg zu schmal wird, um nebeneinander her gehen zu können, läuft Julius ein wenig voraus, so daß ich seine muskulösen Waden im Blickfeld habe. Ich beeile mich, ihm zu folgen, was nicht ganz leicht ist, denn Julius Beine sind nicht nur kräftig, nein,sie sind ellenlang.

Seit wir uns vor zwei Jahren das erste Mal begegneten, kommen wir nichtmehr voneinander los.
Wir verbringen viel Zeit miteinander. Ob beim Wandern, auf dem Golfplatz oder bei Konzertbesuchen, wir genießen jeden Augenblick des Zusammenseins. Ja,wir lieben uns.

Die Sonne steht schon tief, als wir uns dem Parklatz nähern, auf dem unser Auto abgestellt ist. Jetzt geht es steil bergab. Wir beschleunigen unser Tempo. Am Ende des Weges erreichen wir eine kleine Konditorei, in der wir einkehren. Hungrig und durstig stehen wir vor dem großen Kuchenbufett, aus dem uns riesige Platten mit Torten anlachen.
Die freundliche Bedienung, hinter der Theke, fragt nach unseren Wünschen. Julius schaut mich an und meint:

" Apfelkuchen ? "Ja klar, "Apfelkuchen !"

Während die Kuchen auf Tellern seviert werden, schauen wir uns in die Augen und lachen. Julius legt den Arm um meine Schultern und zieht mich an sich.

Apfelkuchen ist ein magisches Wort für uns. Mit einem Apfelkuchen fing alles an.


Der Teig hatte nun lange genug geruht, befand ich und holte den, mit Folie abgedeckten Teller aus dem Kühlschrank.
Am Nachmittag erwartete ich meine Tochter, die Max, meinen kleinen Enkel, abholen wollte. Nach 14 Tagen, die Max mit mir zusammen verbracht hatte, wurde es nun langsam Zeit, den Jungen zu seinen Eltern zurückzuschicken. Wir unternahmen viel miteinander, besuchten den Zoo, das Schwimmbad und die Kirmes. Max spielte mit den Kindern in der Nachbarschaft und hatte Spaß.Doch, so schön es mit Max auch war, nun freute ich mich auf die wieder einkehrende Ruhe.

Mit dem Nudelholz verteilte ich den Teig auf dem Kuchenblech. Ich wollte einen Apfelkuchen backen. Einen ganz leckeren, mit Mandeln und Rosienen. Die Äpfel hatte ich bereits geschält und in Stücke geschnitten. Jetzt sollten sie auf dem Teig verteilt werden. Vergebens suchte ich die Schüssel mit den Äpfeln. Ich suchte lange. Dann fiel mein Blick auf die beiden Kinder im Garten. Max und Sophie, das Kind der Nachbarn, saßen einträchtig auf dem Rasen, meine Schüssel vor sich, aus der sie die Apfelschnitze aßen.
Schon wollte ich losrennen, um ihnen die Schüssel zu entreißen, da wurde mir bewußt, daß es nichts mehr zu retten gab.

Ich mußte neue Äfel kaufen. Ich lief los. Den Gemüsestand erreicht ich in nur wenigen Minuten und die Äfel waren schnell gekauft. Ich klemmte mir die Tüte unter den Arm und rannte zurück, so schnell ich konnte.
Noch hatte ich mein Gartentürchen nicht erreicht, da kam mir ein Kind auf dem Fahrrad entgegen.Der Kleine steuerte direkt auf mich zu. Entsetzt sprang ich zur Seite und entkam nur um Haaresbreite einem Zusammenstoß. Während der Junge frech grinsend weiter fuhr, spürte ich, wie mir die Apfel Tüte aus dem Arm rutschte. Ich konnte sie nicht halten.

Die Tüte plumpste auf die Erde, sie platzte. Die Äpfel kullerten über den Bürgersteig, weiter den Bordstein hinunter und direkt auf die Straße. Hilflos mußte ich mitansehen, wie sich ein Auto bedrohlich schnell meinen Äpfeln näherte.

Das Auto stoppte seine Fahrt. Ein weißhaariger, älterer Herr stieg aus. Temperamentvoll fuchtelte er mit den Armen.

" So ein Pech ! Warten sie, ich helfe ihnen ! "

Er wartete nicht lange auf eine Antwort, schon hatte er den ersten Apfel aufgelesen, den er mir freudig entgegenhielt.

" Das ist aber wirklich nett, daß sie mir helfen wollen " rief ich etwas aufgeregt, während ich beim Aufsammeln fast unter dem Auto lag.

" Sie backen wohl Kuchen ? " Seine Stimme klang belustigt. Mein Kreuz schmerzte, als ich mich aus der Hocke aufrichtete. Mit zwei Äpfeln in der Hand stand ich vor ihm.

" Ja, richtig, wie kommen sie darauf "

Er lachte : " Sie haben Mehl in den Haaren " Sein Lachen klang so jungenhaft, daß ich aufmerksam wurde.

Während ich mit der freien Hand in meinen braunen Locken wuschelte, sah ich seine schimmernd weißen Zähne.

Jetzt erst wurde mir bewußt, daß ich weder einen Korb, noch einen anderen Behälter zur Hand hatte, um die Äpfel ins Haus zu tragen. Einen Moment lang standen wir uns, jeder die Hände voll Äpfel, gegenüber. Er lachte zuerst. Ich stimmte ein. Unsere Blicke trafen sich. Einen Herzschlag lang schauten wir uns in die Augen. Jetzt lachten wir nicht mehr.

" Ich wohne hier.Wollen sie nicht einfach mit in meine Küche kommen ?" Dabei versuchte ich so unbefangen wie nur möglich zu erscheinen.

" Gerne, ich muß nur meinen Wagen abschließen."

Tatsächlich gelang ihm das Kunststück, mit den Äfeln in seinen Händen, den Wagen zu sichern, bevor er mir ins Haus folgte.

Wir legten die Äpfel auf dem Küchentisch ab. Ich blickte zu ihm hoch. Er überragte mich um Längen.

Wortreich versuchte ich mich zu bedanken. Schon wollte er gehen.

" Ich backe jetzt den Kuchen für heute Nachmittag. Wollen sie nicht vorbeikommen ? " Er drehte sich um und strahlte mich an.

" Wirklich ? Meinen sie das im Ernst ?"

" Ja, ganz im Ernst, sie dürfen auch ihre Frau mitbringen. "

" Meine Frau ist vor drei Jahren gestorben. " Er sagte es etwas monoton und schaute zu Boden.

" Das tut mir leid. " Einen Moment lang standen wir unschlüssig zwischen den weißen Küchenmöbeln.

" Ja, dann will ich mal. "

" Ich würde mich wirklich freuen, wenn sie kämen. Wohnen sie denn weit weg ? "

" Nur zwei Straßen weiter." Er zögerte einen Augenblick.

" Ich warte auf sie ! "

" Das ist ja nett ! Entschuldigen sie, ich habe mich noch garnicht vorgestellt. Straub ist mein Name."

Meine kleine Hand verschwand in seiner, fast bis zum Ellenbogen. Einen Augenblick zu lange, hielt er sie fest.

" Marlene Sommer "

Ich begleitete ihn hinaus bis vor die Tür. Meine Wangen glühten, mein Herz klopfte. Ich fühlte mich so unbeschreiblich jung.
 



 
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