Am Binnenmeer (erneut eingestellt)

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Perry

Mitglied
Hallo mori,
ich kenne den Ursprungstext zwar nicht, dieser malt jedenfalls ein schönes Bild einer (verbotenen) Liebe ohne Reue.
Das Bild mit dem Keil mutet mich etwas unglücklich an,
wie wärs mit:
dass sie einen neuen Keil
in unseren Himmel treiben
LG
Manfred
 

mori

Mitglied
Hallo Manfred,

dies ist der Ursprungstext. Ich habe ihn vorübergehend entfernt.
Die verwaisten Kommentare interpretieren ihn unterschiedlich aber
dieser malt jedenfalls ein schönes Bild einer (verbotenen) Liebe ohne Reue.
genau das ist es.

Die Kraniche zogen in Keilformation gen Süden und sprengten ihren Keil in den Himmel. Und sie werden es w i e d e r tun, genau wie in der Vergangenheit.
Verständlicher ?

Liebe Grüße und vielen Dank
Annette
 

Perry

Mitglied
Hallo Annette,
ich habs schon so verstanden, trotzdem sprengten nicht sie den Keil in den Himmel (höchstens trieben) und der Keil sprengte daraufhin den Himmel. So habe ich meinen Einwand gemeint.
LG
Manfred
 

Joh

Mitglied
Guten Morgen Anette,

schön, daß Du diesen Text wieder eingestellt hast. Er ist immer wieder lesenswert.

liebe Grüße, Johanna
 
B

bluefin

Gast
liebe @mori,

leider hat perry recht: die letzten beiden zeilen sind unsinn. eigentlich sprengen vögel ja nichts, und wenn, dann keine keile. niemand sprengt keile irgendwohin. gesprengt werden fesseln, alte schornsteine oder himmel, unter umständen durch einen keil.

wenn's der himmel sein soll und man den kranichen daran die schuld geben will, müsste man's ein weing anders sagen, damit's stimmig wird und nicht ungewollt komisch.

einen vorschlag zur änderung mach ich nicht, das kannst du sicher selber am besten

lg

bluefin
 

mori

Mitglied
Hallo bluefin !

eigentlich sprengen vögel ja nichts
Nein, natürlich tun sie das nicht.Es ist eine Metapher.

die letzten beiden zeilen sind unsinn
Streng genommen wäre dann der ganze Text Unsinn.
Eigentlich betet man sich ja auch keine Zeichen auf die Haut und vergräbt irgendwo Schwüre.....

Aber dieser Keil scheint zu einem technischen Problem zu werden.
Der Keil ist hier nicht als Werkzeug gedacht, mit dem etwas gespalten oder gesprengt wird, sondern es geht mir um die Form.
Es hätte also auch heißen können:
...sprengten ein keilförmiges Loch in den Himmel

Perrys Vorschlag " wieder einen Keil in unseren Himmel treiben"-
ist überlegenswert.

Vielen Dank euch
Annette
 
B

bluefin

Gast
man kann zwar zeichen auf die haut beten (s. "heilige therese von konnersreuth") und schwüre eingraben (s. "indianer, nordamerikanische"), aber keile gesprengt hat noch niemand. wie sollte man sich das auch vorstellen? das ist keine metapher, leider, sondern unsinn. der keil der kraniche, der den himmel sprengt, wär eine.

sag doch einfach:

Nun warten wir reuelos
auf die Kraniche
die [blue]mit ihrem [/blue]Keil
[blue](wieder)[/blue] unseren Himmel sprengen.
und schon stimmt der laden.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
O

orlando

Gast
Ein wunderbares Gedicht, meine Liebe.
Ich wollte, derlei gäbe es öfter zu lesen.

2011 hast du versucht, hier die dir gemäße Anerkennung zu finden. Leider ohne Erfolg.

Lag das tatsächlich an der Qualität deiner Gedichte? An den Kommentatoren? Am Schweigen, dem Neid?

Wer weiß.


orlando
 
D

Die Dohle

Gast
gut, aaber:
in dem fall fände ich besser, die kraniche trieben einen keil, womit sie dann evtl. sprengen, das gibt sich ...

mal so daran herumgedacht, mori hallo

lg
die dohle
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
einen Keil sprengen

Ich denke, es ist eine Enallage: die Rückübertragung von der Wirkung auf die Ursache - normalerweise von einem möglichen Adjektivattribut der Wirkung in das tatsächliche Adjektivattribut der Verursachung. Das sieht üblicherweise wie eine Attributvertauschung aus (und das ist ja auch die Bedeutung dieses griechischen Stilmittel-Begriffs).
Es wird ja von einigen Lesern herausgestrichen, daß der Keil in den Himmel getrieben werde, der dann den Himmel sprenge, so daß die Wirkung dann ein keilförmiges Loch sei.
Das wird aber in eine Metapher verdichtet, zusammengezogen, das Bild vom L-förmigen Vogelzug am Himmel, und diese Metapher trägt die Inhalte des Lieds. Mit dieser Verdichtung geschieht die - ich nenne es hier versuchsweise so - Zusammenschiebung der Ursachen- über die Wirkungs-Schicht, die (wie ich meine) den Charakter einer Enallage, einer Rückübertragung, hat.
Ist schön, trifft genau, ist wunderschön!
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Mondnein,
danke für deine aufschlussreiche erläuterung.
dennoch hakelt es, find ich, kann jetzt sagen, weshalb.
der vogel und die sprengung passen m.e. nicht zueinander. der kranich, der wappenvogel der lufthansa, ich bring das mit einer sprengung nur schlecht zusammen. auf die schnelle kommt mir der kormoran, unglücksbote, in den sinn. der reist ebenfalls in formation. allerdings, wann und wie er will, der kranich reist nach fahrplan im jahreslauf.
andererseits, tieferliegende ebene, wenn der kranich zieht im herbst, dann ist das eine zeit des umbruches, in dem fall eines wohl ziemlich rauen, eines, der das schöne der verlebten tage zerstört. zumindest les ich das so: kein übler streit, sondern reueloser abschied, dennoch wird gesprengt. weshalb?
ich persönlich kann nur schwer einen solchen abschiedsschmerz ohne dessen gegenpart denken. wenn´s weh tut, war´s schön, kein umbruch dieser erde kann mir diese schöne zeit mehr nehmen, nicht ziehende kraniche und noch nicht mal eine solide demenz, die nimmt im fall auch den schmerz mit. nach weiterem daran herumhirnen, dem gesagten, mir käme ein keil, den die aufbrechenden kraniche in den lauen spätsommerhimmel treiben, eher gelegen, da sie sowohl vergangenes, als auch den unvermeidlichen umbruch ebenso wie alle an der szene beteiligten eher respektieren.
daher, auch so gesehen kann ich mit kranichen die sprengen nicht so richtig gut leben. evtl. ist das aber das ziel des autors? naja, und die bis dahin gelebte nähe, die geht verloren, das ist wahr.

lg
die dohle
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Mori,
mal ne frage, ist mit sprengen evtl. sinngemäß zeichnen gemeint? dann wär alles gut, die anstehende trennung wäre bezeichnet, das vergangene bliebe schön.
allerdings wär dann "zeichnen" oder etwas vergleichbares m.a. sehr viel besser, da dieses sprengen gemeinhin derart mächtig einseitig zerstörungsbelastet ist. aber: das ist ein dohlenblick von der straße her auf deinen text sozusagen, evtl. geht das sprengen in ausgesprochenen lyrikerkreisen sehr gut. dann käme es wohl darauf an, welche zielgruppe angesprochen werden soll.


lg
die dohle
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
sprengen

Es gibt noch mehr Gründe, warum "sprengen" ein starkes Wort ist, vor allem die vielen sinnlich-gesättigten Bedeutungen dieses Verbs. Mehr im Hintergrund die intransitiven Bedeutungen, etwa wenn Reiter lossprengen; mehr im Vordergrund die transitiven - und hier hat es ja auch ein Objekt (ist also transitiv) - das ist ja das, woran sich einige stören.
Wenn ich vor dem Bügeln Wasser übers Hemd sprenge, wenn Jackson Pollock Farbe über seine Leinwand sprengte, wenn der Weltensämann Sterne über den Himmel sprengt, dann entstehen Figuren.
Eine lockere Wurfgeste sprengt den Bestätigungshaken übers Blau, die Vogelzugchiffre, die große Eins: den Keil.
 

mori

Mitglied
Ihr Lieben,

was geht denn hier vor? Da zerrt die Heidrun (böses Mädchen!) einen acht Jahre alten Text ans Licht, und ihr fallt darauf herein! ;)

Nein, war nur Spaß. Ich fühle mich sehr geschmeichelt durch diese erneute Auseinandersetzung mit meinen Zeilen und muss nun natürlich darauf reagieren.

Auch wenn es enttäuschend klingen mag, meine Lyrik- oder auch nur mein Bemühen um eine lyrische Herangehensweise - ist in erster Linie deutlich intuitiver als kopflastig. Ich versuche, die inneren Befindlichkeiten der Protagonisten (die nicht zwangsweise mit meinen eigenen kompatibel sein müssen) nach außen zu transportieren. Die dabei im Kopf des Lesers entstehenden Bilder will ich nicht steuern, sondern wünsche mir eine ebenso intuitive Interpretation. Darin liegt für mich die Faszination der Lyrik.

Der berühmte „Kranich-Keil“ spaltet also immer noch buchstäblich das lyrische Empfinden und ist dennoch (auch nach so vielen Jahren) für mich stimmig. Sorry!

@Perry bringt den Inhalt trotz Keilproblem auf den Punkt, @bluefin nimmt die Metapher als technisches Problem wahr, @DieDohle interpretiert das Poem aus einer anderen interessanten Sicht, @Mondnein verblüfft mich mit fachlicher Kompetenz, @orlando hält sich raus (böses Mädchen!).

Ich fasse zusammen: Nein, kein Kranich kann einen „Keil sprengen“. Das steht auch nirgendwo.
Kraniche fliegen in Keilformation. In diesem Fall fliegen sie durch einen makellosen Himmel. Diese Keilformation hingegen „sprengt“ etwas Perfektes. Sprengt - im Sinne von einer plötzlichen Zerstörung. Selbstverständlich hätte man es so formulieren können, aber ohne diese Verdichtung hätte mir die Dynamik gefehlt.

Auf eine Formulierung, die vermutlich erklärend wäre, wenn nicht im Gekeile untergegangen, möchte ich hinweisen:
„in UNSEREN Himmel sprengen“. Hier wird nur der „innere“ Himmel der Protagonisten zerstört.

Also- alles gut! Kein Kranich lässt sein Leben und die Ozonschicht habe ich nicht auf dem Gewissen.
Ich bedanke mich für eure lobenden und kritischen Kommentare.

Liebe Grüße
Annette
 
O

orlando

Gast
Du meldest dich tatsächlich! :)

Einige deiner Kommentatoren sind schon lange nicht mehr in der Lupe (beispielsweise bluefin), andere neu hinzugekommen oder wieder einmal hier.
Trotzdem ist dein Antwortkommentar natürlich wichtig und spricht mir (mittlerweile) ganz und gar aus dem Herzen. -
Ich kann mich noch gut erinnern, als du mir die süßgiftigen Worte: "Ich schreibe meine Gedichte, die Leser machen den Rest!" in mein argloses Anfängerherz träufeltest.
Inzwischen lernte ich, dass du dich damit in direkter Nachfolge der hermetischen Dichter befindest:
Meine Verse haben den Sinn, den man ihnen gibt.
Allerdings ein strittiges Thema. Gerade auch hier im Forum und ich möchte dieses siedend-heiße Fass nicht erneut öffnen.
Manche schließen halt eine Beliebigkeit der Lyrik daraus, was verkehrter nicht sein könnte. ---

Auf Erklärungen des immer noch wunderbaren Textes möchte ich verzichten.
Was zu sagen ist, hast du gesagt.

Zurück bleibt ein kleines Geheimnis, ohne das alle Lyrik nichts wäre. Jedenfalls in meinen Augen.

Dir einen sehr herzlichen Gruß
Heidrun
 



 
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