Am Tränenquell

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Tula

Mitglied
Am Tränenquell


Sie wartete am Quell. Durchs Laubwerk fiel
das Licht und spielte fröhlich auf den Steinen.
Ein Vogel sang. Sein Gruß! - wollte ihr scheinen.
Er wäre bald wieder bei ihr. Am Ziel.

Sie weinte, nicht vor Angst, als jäh die Brut
der Schlächter vor ihr stand. Nicht um das Leben,
den kurzen Traum, den sie im Jenseits weben.
Sie weinte um das Ewige. Das Blut.

Sie lag in ihm, als sie der Liebste fand.
Aus ihrem Quell brach sich ein Strom von Tränen.
Ihr letzter Gruß! - sank er in Schmerz und Sehnen
und gab sich hin … in Wut und Hass entbrannt.

Er stillte nicht die Trauer, jene Glut,
als sie auf Knien die Hand der Toten küssten.
Und riss' er selbst das Herz aus ihren Brüsten,
er stillte nur den losen Schaum der Flut.

Heut' liegen beide Fuß an Fuß, vereint.
Noch klebt ihr Blut am Stein, sagt die Legende.
Noch wird, kommt auch der nächste Traum zum Ende,
nicht Hass, indes das Ewige beweint.




Das Tränenquell – Fonte das Lágrimas – befindet sich unweit Coimbras in der gleichnamigen Quinta an den Ufern des Mondegos und war Schauplatz einer der schönsten Legenden (oder besser: belegter Ereignisse) der portugiesischen Geschichte, welche selbst von Camões in seinem Werk “Os Lusíadas” besungen wurde.

Der Mord an Inês de Castro wurde vom Vater ihres Geliebten Prinz D. Pedro, also König Afonso IV höchstpersönlich, angeordnet. Das Motiv kann sich der Leser sicher denken: es handelte sich wie gewöhnlich um Thronfolge und eine verbotene Liebe; Inês, obgleich edler Herkunft, war eines Herrschers Sohn nicht würdig genug!
Doch hatten sich Inês und Pedro, die drei Kinder hatten, vorher heimlich geehelicht. Pedro, welcher während der Untat auf der Jagd war, stieg zwei Jahre später auf den Thron, machte Inês postum zur Königin und zwang die Adligen am Hof, der Gnädigen zur Feier die Hand zu küssen, d.h. was von dieser noch übrig war. Zwei der drei Mörder wurden gefasst und Pedro befahl, beiden das Herz herauszureißen.
Er veranlasste auch die Überweisung ihrer Überreste in das Grabmal im Kloster von Alcobaça, wo er sich später selbst beilegen ließ. Fuß and Fuß, damit sich beide bei der Wiederauferstehung am jüngsten Tag in die Augen sehen konnten.

Welch Dichter könnte eine schönere Geschichte als diese über die Unsterblichkeit der Liebe schreiben ?
 
G

Gelöschtes Mitglied 16867

Gast
Perfekt

Lieber Tula,

Du verstehst es, Handwerk und Poesie zu einen und zudem noch Wissen weiterzugeben. Hut ab!
 

Tula

Mitglied
Hallo Aaron
Vielen Dank! Freut mich sehr, dass es dir so sehr gefallen hat.
Beste Grüße
Tula
 

Tula

Mitglied
Am Tränenquell


Sie wartete am Quell. Durchs Laubwerk fiel
das Licht und spielte fröhlich auf den Steinen.
Ein Vogel sang. Sein Gruß! - wollte ihr scheinen.
Er wäre bald wieder bei ihr. Am Ziel.

Sie weinte, nicht vor Angst, als jäh die Brut
der Schlächter vor ihr stand. Nicht um das Leben,
den kurzen Traum, den sie im Jenseits weben.
Sie weinte um das Ewige. Das Blut.

Sie lag in ihm, als sie der Liebste fand.
Aus ihrem Quell brach sich ein Strom von Tränen.
Ihr letzter Gruß! - sank er in Schmerz und Sehnen
und gab sich hin … in Wut und Hass entbrannt.

Er stillte nicht die Trauer, jene Glut,
als sie auf Knien die Hand der Toten küssten.
Und riss' er selbst das Herz aus ihren Brüsten,
er stillte nur den losen Schaum der Flut.

Heut' liegen beide Fuß an Fuß, vereint.
Noch klebt ihr Blut am Stein, sagt die Legende.
Noch wird, kommt auch der nächste Traum zum Ende,
nicht Hass, indes das Ewige beweint.




Das Tränenquell – Fonte das Lágrimas – befindet sich unweit Coimbras in der gleichnamigen Quinta an den Ufern des Mondegos und war Schauplatz einer der schönsten Legenden (oder besser: belegter Ereignisse) der portugiesischen Geschichte, welche selbst von Camões in seinem Werk “Os Lusíadas” besungen wurde.

Der Mord an Inês de Castro wurde vom Vater ihres Geliebten Prinz D. Pedro, also König Afonso IV höchstpersönlich, angeordnet. Das Motiv kann sich der Leser sicher denken: es handelte sich wie gewöhnlich um Thronfolge und eine verbotene Liebe; Inês, obgleich edler Herkunft, war eines Herrschers Sohn nicht würdig genug!
Doch hatten sich Inês und Pedro, die drei Kinder hatten, vorher heimlich geehelicht. Pedro, welcher während der Untat auf der Jagd war, stieg zwei Jahre später auf den Thron, machte Inês postum zur Königin und zwang die Adligen am Hof, der Gnädigen zur Feier die Hand zu küssen, d.h. was von dieser noch übrig war. Zwei der drei Mörder wurden gefasst und Pedro befahl, beiden das Herz herauszureißen.
Er veranlasste auch die Überweisung ihrer Überreste in das Grabmal im Kloster von Alcobaça, wo er sich später selbst beilegen ließ. Fuß and Fuß, damit sich beide bei der Wiederauferstehung am jüngsten Tag in die Augen sehen konnten.

Welch Dichter könnte eine schönere Geschichte als diese über die Unsterblichkeit der Liebe schreiben ?


https://lyrischereiseportugal.wordpress.com/am-tranenquell/
 

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Mitglied
lieber tula

ein gedicht wie aus einer frueheren epoche, aber doch zeitlos-schoen, dunkel-romantisch und durchaus ergreifend. ich bedaure bloss etwas an dem werk: dass ich nicht sein urheber bin :)
danke, dass du es in die lelu gestellt hast, um es mit uns zu teilen!

lg, marker
 



 
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