Ameisenkrieger

Du bist neugierig, wer oder was eine Ameisenkriegerin ist?
Vorweg genommen - das ist eine "Erfindung" von mir.
Der Begriff Schmetterlinge oder Flugzeuge im Bauch ist ja bekannt.
Nun, ich nenn es Ameisen.
Irgendwer oder irgendwas muss doch im Bauch kribbeln.
Aber warum hört das Kribbeln irgendwann auf?
Und warum kribbelt es plötzlich bei Menschen, die man schon seit Ewigkeiten kennt?
Ich habe mir meine eigenen Gedanken gemacht.

Ameisen sind klitzeklein.
Ameisen werden geboren, wenn du nichts ahnend in die Augen von Menschen schaust.
Ameisen sprechen nicht, sie sind stumm, doch sie bringen dein Herz zum Singen.
Doch es sind nur viele kleine Ameisen, die ihren Platz in deinem Bauch gefunden haben.
Geschäftig eilen sie hin und her, auf der Suche nach ihrer Königin, denn ohne ihre Königin sind sie schwach und machtlos und würden sterben.
Nur der Mensch, in dessen Bauch die Ameisen ihr Nest gebaut haben, kann ihnen bei ihrer Suche helfen.
Nur an ihm liegt es, ob sich aus einem dieser kleinen Krabbeltiere ein Ameisenkönigin entwickelt.
Und nur diese Königin ist in der Lage, Ameisenkrieger zu gebären.
Das Leben der Ameisenkrieger besteht aus einer einzigsten Aufgabe: schwertschwingend verteidigen sie ihr Zuhause, erkunden Wege ins Reich der Liebe.
Wie unsagbar schwer diese Aufgabe ist, kannst du in den Büchern der Menschen lesen.
Sie, zwar groß und mächtig, sind hilflos, wenn die kleinen Tierchen zu krabbeln beginnen. Der Bauch entwickelt sein eigenes Leben und taucht die Welt in rosarotes Licht.
Ameisenkrieger können auch Menschen beeinflussen.
Unmerklich und leise ist ihr Kampf.
Wenn das Herz singt, sind sie es, die am Anfang aus sicherer Entfernung, das Geschehen beobachten.
Sie schießen ihre kleinen Pfeile, mit nicht lösbaren Widerhaken, in den Kopf des Menschen.
Jeder dieser Pfeile bohrt sich in das Innere und hinterlässt seine Spuren.
Manchmal sind diese Spuren blutend und die Wunden scheinen die Menschen zu töten, denn erst viel, viel später, wenn das rosarote Licht verschwunden ist, erkennt der Mensch, wie wertvoll diese Pfeile doch für ihn waren.
Es ist kein Gift, in das die Pfeile der Ameisenkrieger getaucht sind, es ist ein Elixier aus Sehnsüchten und Erfahrungswerte.
Ohne das Elixier der Pfeile, das die Menschen zum Nachdenken über sich selbst bringt, wäre jeder Ameisenkrieg aussichtslos.
Immer, wenn der Mensch für sich einen Schritt weiter ist, sendet das verschossene Elixier Signale in das Ameisennest.
Diese Signale sind es, die Ameisenkönigin am Leben erhalten, die sie stark, und manchmal auch unsterblich machen.
Ameisenkrieger leben jedoch auch sehr gefährlich.
Auf ihren Wegen, die sie beschreiten, müssen sie so manches Hindernis überwinden, werden sie durch die Taten der Menschen unbemerkt zertreten.
Der Schrei der sterbenden Ameisenkrieger erschüttert das Nest im Bauch des Menschen und ein heillosen Durcheinander beginnt.
Ängstlich irren die Ameisen durch den Bauch, auf der Suche nach ihrer Königin, um sich schützend über sie zu werfen.
Wenn die Ameisenkönigin schwach und ohne Nahrung ist, kommt es vor, dass sie unter dem Druck der
schützenden Ameisen kläglich stirbt. Und mit ihr stirbt auch das Kribbeln im Bauch.
Aber immer überlebt ein einzelner Ameisenkrieger das Inferno des Todes.
Es ist der Ameisenkrieger, der aus sicherer Entfernung, in einer Rüstung aus Hoffnung, sich den Glauben an die Liebe bewahrt hat.
Dieser Ameisenkrieger weiß es nicht, doch auch er ist unsterblich.
Und so sitzt er Tag ein und Tag aus, versteckt die Augen des Menschen beobachtend, bereit, jederzeit sein Ziel zu treffen...
*
Eingezwängt in ihre Rüstung, den Speer griffbereit neben sich liegend, beobachtete die Ameisenkriegerin lustlos die Augen der Menschen.
Ihr Volk war tot, ihre Königin erdrückt von abertausend, sich schützend über sie werfenden Gefolgsleuten.
Die Schreie der sterbenden Königin, sie hörte sie genauso deutlich, wie am Tag des Grauen.
Ihre Fühler zitterten an Erinnerung der vielen sterbenden Körper.
Alle waren tot.
Zertreten, erdrückt oder erstickt.
Und sie, sie durfte nicht einschreiten, musste sich damals, in ihrer Rüstung aus Hoffnung und Glauben an die Liebe, mit bangem Herzen, vor dem Inferno verstecken.
Wo war da Gerechtigkeit, warum musste ausgerechnet sie überleben?
Warum nicht ihr jüngster Bruder oder einer ihrer Onkel?
Verlassen und einsam, so kam sie sich vor.
Ja sicher, sie kannte ihre Aufgabe, ihren Grund des Überlebens, aber würde sie je dieses Gefühl in den Augen zweier Menschen erblicken?
In ihren Gedanken nannte sie es ein Band, denn sie empfand diese Verbindung zwischen zwei Menschen als ein unsichtbares breites Band.
Und sie wusste, aus den Erzählungen der alten Generation, dass dieses Band sehr selten war und es nur ganz besondere Menschen miteinander verband.
Diese Menschen können sich miteinander verständigen ohne zu reden, fühlen ohne zu berühren und trugen etwas in sich, dass sie Vorahnung nennen.
Wenn zwei dieser Menschen sich begegnen, das war der Zeitpunkt, wo sie anfangen durfte zu kämpfen.
Seufzend lehnte sich die Ameisenkriegerin an den Felsen zurück und hing ihren Gedanken nach.
Sie wusste, dass das Band eine wichtige Rolle im Leben der Menschen spielte, aber sie erinnerte sich auch an zwei Kugeln, die aus diesem Band entstehen könnten.
Jeder Mensch an einem Ende des Bandes konnte, wenn sein Herz frei war, eine solche Kugel produzieren.
Ihre Aufgabe war es, mit ihren Pfeilen das Elixier in die Köpfe der Menschen zu schießen, die dann Signale aussendeten.
Diese Signale waren aber nur für eine einzige Ameise wichtig, denn aus ihr würde sich eine neue Königin entwickeln.
Aber es gab nur noch eine einzige überlebende Ameise...
Und - sollte das Elixier vielleicht auch die Kugeln beeinflussen können?
Sie wusste, dass es wichtig war, dass sich diese Kugeln verschmelzen können, aber auch voneinander wieder zu lösen, eigenständig zu sein, um auf unerklärlich Art und Weise sich wieder anzuziehen.
War es das, was die Menschen Liebe nannten?
Ein Lächeln überzog das Ameisengesicht und sie fühlte sich wichtig und stolz.
Und so sitzt sie erneut, Tag ein und Tag aus, versteckt die Augen des Menschen beobachtend, bereit, jederzeit ihr Ziel zu treffen...
*
Mit den Fühlern wild in der Luft herumfuchtelnd, übte die Ameisenkriegerin den Ernstfall, um den allgemeinen Liebeshunger in ihrem Zorn über das Warten zu stillen.
Aber noch immer heilt die Zeit die Wunden und auch ein Ameisengedächnis war unbeschreiblich kurz.
Woran hängt das Herz einer Ameisenkriegerin am meisten?
An dem, was sie sich an Hoffnungen und Wünsche im Laufe ihres kurzen Ameisenlebens zusammengetragen hat?
Oder an Wertvorstellungen, gesät durch ihrer Vorfahren, eingepflanzt in Fleisch und Blut und gewachsen zu ihrer einzigsten Lebensaufgabe?
Würde es irgendwann den Donnerschlag, die alles reinigende Gewitternacht in der Schwüle der Atmosphäre eines Ameisenalltags geben?
Im Laufe der vielen runden Monde, die ihrem einfachen Nachtlager leuchteten, dachte die Ameisenkriegerin immer und immer wieder über den Sinn und Zweck der Liebe nach.
Gar kuriose Gedanken durchflogen ihr kleines Ameisenhirn und hinterließen unsichtbare neue Denkstrukturen.
Eine Art Denken, wie sie jedoch nur einer Ameisenkönigin zustand.
Während die sanften Mondstrahlen ihre Ameisenfühler beruhigend streichelten huschten Bilder der Menschengewalt durch ihren Kopf.
Setzt nicht der Mensch gegen die Gewalt, die auf ihn einwirkt, seine eigene Gewalt des Handelns entgegen?
Ist es das, was einen Mensch ausmacht und ihm seine Bestimmung sichert?
Aber wenn sich der Mensch freiwillig dieser neuen Art Gewalt unterwirft, rettet er nicht dadurch auch sein höchstes Gut, die Freiheit des eigenen Ichs?
Wird er nicht den Zwang zur Gewalt gegen Gewalt IN SICH verspüren und sich ihr sogar freiwillig unterwerfen zu können?
Frei sein?
Frei für sich?
Ihren müden Kopf auf die angewinkelten Vorderbeine stützend, schaute die kleine Ameisenkriegerin sehnsuchtsvoll in das Dunkel der Nacht.
Ist die sogenannte Freiheit der Menschen nur eine durch den Verstand gebändigte Unfreiheit?
Kommt es also dann nur darauf an, dass man den von außen einwirkenden Kräften hurtig ein Schnippchen schlägt und sich ihnen freiwillig unterwirft?
Und mit der Unterwerfung unfreiwillig frei wird in seinen Entscheidungen?
Und gedeiht demnach die Freiheit der Liebe nur dort, wo ein einsamer Ameisenkrieger Tag ein und Tag versteckt die Augen des Menschen beobachtet, jederzeit bereit ist, sein Ziel zu treffen?
Verwandelt dieser einzig entscheidende Schuss den Ameisenkrieger in eine Ameisenkönigin?
*
Je länger die Ameisenkriegerin auf ihren Einsatz wartete, desto intensiver dachte sie über das so fremdartige Leben der Menschen und den Sinn des Menschenlebens nach.
Sie verglich es in ihren Gedanken mit einem riesengroßen Berg .Ein Berg, durchsetzt mit vielen verschlungenen Gängen, aber auch großen und kleinen Höhlen. Und jeder Mensch hat in seinem Berg andere Höhlen. Die größte aller Höhlen nennt der Mensch sein Ziel. Die Gänge, Labyrinthe der Liebe, der Trauer, der Hoffnung oder des Schmerzes bestehen aus Zeit. Es gibt breite, wundersam ausgetretene Wege, die so unendlich bequem sind.Die Menschen, so wusste die Ameisenkriegerin aus den Erzählungen ihrer Vorahnen, sind zu gern bereit, diese bequemen Wege zu nehmen. Aber in diesem Berg des Lebens es gibt auch Sackgassen, Einbahnstraßen und Weggabelungen. Es kommt aber vor, dass Wege durch mächtige Gesteinsbrocken versperrt sind, morastig oder gehen steil bergauf gehen, um wenig später, in einem der reißenden Ströme in dunkle Tiefen zu verschwinden. Viele der Menschen sind verzweifelt, wenn sie an solchen Abgründen stehen. Sie wagen es nicht, ihre Augen aufwärts zu richten, sondern starren wie hypnotisiert, aus Angst vor Unbekanntem, dem tosenden Wasser nach, sind gelähmt in ihrem Denken und Handeln und brechen in Wehklagen aus. Die Tränen dieser Menschen speisen die Wasserfälle, machen sie groß und mächtig. Andere Menschen verzehren sich in unheilvoller Sehnsucht danach, mit den Milliarden funkelnder Wassertropfen weit wegzufliegen. Aber allen diesen Menschen ist eins gemeinsam: sie geben sich und ihr Ziel auf und versinken im Schlaf der Erinnerungen, des Verdrängens oder der Resignation. Einsam und allein in ihren Träumen verhungern diese Menschen im Labyrinth der Zeit. Aber es gibt auch die Mutigen, die Kraftvollen. Die Menschen, die stets und überall das Positive sehen. Gesteinsbrocken? Tiefe Wasserfälle? Scheinbar unüberwindbare Schluchten? Das sind für sie Herausforderungen: an den Berg, an die Zeit, an das Leben. Erschöpft vom langen Wandern müssen sich aber auch diese Menschen ausruhen. Doch in der Ruhe finden sie Stärke und Kraft zum Handeln. Räumen mit Schweiß und viel, viel Mühe den versperrten Weg frei oder stürzen sich, tief Luft holend, wagemutig in die Fluten. Ihr Weg ist noch längst nicht beendet und sie nähern sich Meter für Meter ihrer größten Höhle - ihrem Ziel. Und nur diese Menschen verspüren das Gefühl des "Ankommens", des "eins sein mit sich selbst". Von den laut knallenden, bunten Raketen am Nachthimmel, schreckte die Ameisenkriegerin aus ihren Gedanken hoch. Wieder war ein Jahr vergangen. Die Lungen tief mit der Frische der kalten Winterluft vollsaugend, kniff sie fest die Äuglein zusammen und wünschte sich ganz fest, dass die Menschenkinder über den Berg des Lebens und seinen Labyrinthen nachdenken.
Hoffnungsvoll öffnete sie erst das linke, dann das rechte Auge, bereit, wieder die Augen der Menschen zu beobachten, um im entscheidenden Moment ihren Pfeil abzuschießen...


FF
 
N

niclas van schuir

Gast
Hallo Kriegerin,
bist du wirklich eine? Willkommen im Club. Tiefsinnige Parabel, schöne Sprache. Bin gespannt auf Mehr! Als Leser werde ich dabei sein.
Übrigens: die persönliche Vorstellung auf deiner Homepage ist Spitze. Sollte sich jeder mal anschauen.
Liebe Grüße
Niclas
 
R

ralph raske

Gast
die richtige geschichte kurz vorm einpennen

bißchen viel auf einmal
die ameisen gefallen mir, wie sie da rumkrabbeln
aber dann ufert das ganze doch ziemlich aus
immerhin zeugt deine geschichte von einer unmenge
unverdauter phantasie, und das ist sehr positiv
das lesen derselben ist aber ziemlich anstrengend
ich würde sie mir lieber am bettrand vorlesen lassen

ich glaube, du hast einen guten draht zum märchenerzählen
ameisen im bauch, na, ich weiß nicht
bei mir sinds eher winzig kleine elefanten, die munter
herumtrompeten
oder eine armee im gleichschritt marschierender dummköpfe
manchmal habe ich auch gar nichts im bauch

kurz gesagt: bei dem ganzen ameisengewusel konnte ich
nicht recht entdecken, was du eigentlich meintest
für ungeduldige leser wie mich könntest du schneller
zur sache kommen
- typisch mann eben
praktisch veranlagt ...

alles gute für deine ameisenkrieger(innen)

ralph
 



 
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