An die Sünderin

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Anonym

Gast
Da liegst du nun
Mit deinen angsterfüllten Augen
Der Anblick ist nichts weiter als erbärmlich
Denn ich kann nicht verstehen, wovor du dich fürchtest

Du wolltest es doch, oder?
Es war dein tiefster Wunsch.
So beklage dich nicht, wenn man dir deine Träume erfüllt

Nein, das hier hast du nicht gemeint?
Auch noch Ansprüche stellen.

Du rennst
So schnell du nur kannst
Ich folge dir
Ohne große Eile
Weil ich weiß, dass du mir nicht entkommen kannst

Du bist in einem Labyrinth, in dem außer dir jeder den Ausgang kennt
Alles und jeder ist dein Feind
Der Sand in deiner Uhr kommt bald zum Stillstand

Ohne Echo ertönt das hastige Klappern deiner Schuhe auf dem Asphalt
In regelmäßigen Abständen
Klack Klack Klack Klack

Schau mich nicht so flehend an
Ja, ich weiß schon, was du willst
Aber du bist selber Schuld
Hast es so gewollt

Wenn du nicht so ungeschickt wärst
Müsste ich nicht lachen
Aber deine Verliererqualität ist zu amüsant

Ich hoffe, mein Lachen widerhallt dir ewig in den Ohren
Ausgeburt des Teufels von unaussprechlicher Widerwärtigkeit
Dabei warst du ja so normal, oder?

Im Boden versinken willst du, doch stattdessen fliegst du weit hinauf
In den endlosen Himmel
Und versinkst im Universum
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, Anonyme/r

Nach dem Lesen deines Textes blieb einiges Unbehagen bei mir zurück: Nicht wegen der Heftigkeit deiner Schilderung, nicht wegen der Erbarmungslosigkeit, mit der du deine/n Redner/in bloßstellst ("Der Anblick ist nichts weiter als erbärmlich / Denn ich kann nicht verstehen, wovor du dich fürchtest", das entlarvt doch schon sehr).

Ich gebe zu, dass ich mich auf die beklemmende Atmosphäre nicht einlassen mag. Das liegt hauptsächlich daran, dass du sie selbst auch nicht durchhältst und lieber an der Oberfläche zu bleiben scheinst. Anders kann ich mir das nicht erklären, dass du als klangliche Entsprechung eines "flachen Patschens" der "Schuhe auf dem Asphalt" ausgerechnet "klack" wählst.

Patschen ist ein Geräusch, das weiche Sohlen vielleicht machen. Harte Absätze klackern zuweilen. Aber beides gleichzeitig ist einfach unglaubwürdig. Klar, das ist ein blödes, ein winziges Detail. Aber wenn ich mich mit einem Text beschäftigen soll, ohne dass ich mir zusätzliche Informationen beschaffen kann, die die Zeilen in einen "Kontext" bringen, dann zählt eben jedes Detail.

Aber vermutlich wird es auch hier wieder jemand geben, der oder die das alles ganz ganz anders sieht. Ich bin geneigt, das zu begrüßen. Deshalb von meinen Standards abzuweichen, reizt mich allerdings weniger.

Schöne Grüße von blaustrumpf
 

Anonym

Gast
Hallo Blaustrumpf,

Danke, dass du mich auf dieses Detail aufmerksam gemacht hast. Ich werde es sofort verbessern.
Ansonsten muss ich sagen, dass es ein sehr spontaner Text ist, weshalb natürlich noch etwas daran gefeilt werden muss... ich hätte ihn wohl erst in die Schreibwerkstatt stellen sollen.

Vielen lieben Dank für die Antwort :)
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, Anonyme/r

Also, dann mal weiter im Text. Ich persönlich halte nicht viel davon, erst einmal etwas online zu stellen und wenn dann Kritik kommt, zu argumentieren, dass ich mir ohnehin nicht viel Mühe mit meinem Beitrag gegeben habe.

Stell' dir doch mal einen Restaurantkoch vor, der auf Beschwerde der Gäste nur murmelt: ja, gut, er habe halt das Fleisch einfach so in die Pfanne geknallt, das fehlende Bratfett, da würde er möglicherweise erst nächste Woche wieder zum Einkaufen... Das hier ist kein Restaurant? Hier zahlt auch niemand fürs Lesen? Ich schon. Mit meiner Zeit. Mit meinen Telefongebühren. Und selbst bei McDonalds, wo ich vorher weiß, dass ich nicht viel Kulinarik erwarten muss, reklamiere ich, wenn etwas mit dem Essen nicht stimmt.

Blöde Metapher, nicht wahr? Aber es ist sowieso ein Kreuz mit den Sprachbildern. Was ist denn, bitte, "hastiges Klappern"? Ich dachte, Klappern sei in der Hauptsache die lautmalerische Beschreibung eines Geräuschs. Ein Geräusch aber ist vielleicht laut oder leise, es kann plötzlich zu hören sein, es vermag zu erschrecken. Aber kann es hastig sein? Vermutlich willst du sagen, dass die Schritte hastig über den Asphalt klappern - und selbst das ist schief formuliert. Schritte klappern nicht. Das Geräusch hastiger Schritte klappert auch nicht wirklich.

Oder ist dir das zu genau ist für deinen Text? Vielleicht wäre es doch hilfreicher, etwas geplanter vorzugehen: Was willst du erzählen, wem willst du es erzählen und warum wählst du dafür welche Mittel? Weißt du da auf alles eine Antwort? Keine Sorge, ich gehöre auch zu den Instinktschreiberinnen. Aber wenn der Text erst einmal da ist, dann heißt das für mich eben noch lange nicht, dass er fertig ist. Nein, ich will dich nicht von oben herab belehren. Auch wenn es vermutlich seit etlichen Zeilen so scheint. Das ist einer der Nachteile bei Spontantexten.

Soderla. Deine Idee mit der Schreibwerkstatt hat einiges für sich. Da wäre dann allerdings vielleicht auch die Frage statthaft, nicht nur wen, sondern auch was du mit deinem Text erreichen willst. Und wie du dir denken kannst: "Och, weiß nicht. Nur so.", das ist für mich auch keine Textarbeit. Aber das macht ja nichts. Es muss nicht alles allen taugen.

Einstweilen schöne Grüße von blaustrumpf

P. S.: Au weia, ist das ein langer Kommentar. Und alles nur für ein einziges Argument. Naja.
 

Roni

Mitglied
hallo anonymous,

ich kann blaustrumpf auf weiten strecken ihrer argumentation folgen und nur recht geben. die ueberarbeitung erfolgt vorher, vor der praesentation - nicht hinterher.

aber da ich aus der krimiecke komme, bin ich vielleicht eher bereit, mich auf das duestere deines textstueckes (das ist es fuer mich) einzulassen. das ist einer der texte, bei dem man sich deutlich machen muss, dass autor und protagonist nicht identisch sind - ansonsten kaemen mir hier die gefaehrlichsten gedanken.
blaustrumpf hat recht, knackpunkt ist, wen willst du erreichen und was willst du sagen? als monolog in einem krimi durchaus denkbar - denn genau dahin gehen meine gedanken.
meine assoziationen gehen in richtung taeter
in richtung sexualdelikt
in richtung: nicht ich, sondern das opfer ist schuld!!!
ich hab ihr nur gegeben, was sie eigentlich!!! wollte - dieser suenderin
in diesem sinne verstehe ich auch den letzten absatz als toedliches ende

sollte es kein krimi sein ... dann ist deine message eine ganz andere und dann ...
hm - dann haette ich ebenfalls grosse probs mit dem text.

gruss
roni
 

GabiSils

Mitglied
Roni, dann hast du das Gleiche gelesen wie ich. Und so isoliert ist der Text für mich schon hart an der Grenze.
Ich neige dazu, falls nicht eine Umarbeitung mit mehr Kontext erfolgt, den Text zu löschen.

Anonymous, ich bitte um Stellungnahme.

Gruß,
Gabi
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ich werde das seltsame Gefühl nicht los, dass hier jemand über etwas zu sprechen versucht, worüber er zu sprechen noch nicht bereit ist…

Der Bruch, der dem Text m.E. so schadet, findet vor der drittletzten Strophe statt. Bis dahin wird ein detaliertes, konkretes und stringentes Bild über den Verfolger gezeichnet.
Dann "stellt sich das Opfer ungeschickt an" – wobei? Für mich klingt das, als hätte der Autor das Lachen des Täters im Ohr und sucht – im Versuch den Täter-Blickwinkel unbedingt beizubehalten – eine Begründung für das Lachen. Eine Begründung, die nicht einleuchtet. Mir jedenfalls nicht. Eher kann ich mir das Lachen als "Erfolgs/Triumph-Lachen" vorstellen. Wenn der Täter sich über "Ungeschicklichkeit beeimert", kriegt das Ganze eine drastische Wendung: Entweder dieses Lachen löst die kriminelle Spannung und die Sache ist erledigt (der Täter geht erheitert) oder ihn stachelt diese sichtbare Nicht-Gelassenheit des Opfers an, dann geht es erst jetzt richtig los – und der Täter vergnügt sich dabei. Im Text jedoch macht er anders weiter – und zwar mit (verbissenem) Hass (Bestrafung für was auch immer). Der Täter lacht nicht, um das Opfer zu branntmarken – (glaubwürdig) Lachen, um jemanden zu verletzen kann nun ein kühler Kopf und halbwegs guter Schauspieler: Beides trifft auf diesen Täter nicht zu. Dieses Lachen war – so lese es heraus – für das Opfer die Manifestation des Diabolischen der Tat. Es hat sich eingebrannt und das Opfer sucht eine Erklärung für dieses Lachen. Da es die nicht wirklich gibt – sowenig wie für die Tat an sich – muss der Versuch scheitern.
Wäre dieses Geschehen pure Fiktion – so spukt es mir durch den Kopf – würde der Autor streng der Logik des Täter-Blickwinkels folgen und sich nicht an dem unerklärbaren Lachen aufhalten. Denn nicht für den Täter nur für das Opfer ist das Lachen Synonym für die Tat.

Ein zweiter Bruch vollzieht sich m.E. innerhalb der vorletzten Strophe – der Wechsel vom Konkreten zum Bildlichen. Die letzte Strophe schließlich ist nur noch Bild – und klingt für mich, als wolle sich das Opfer das Schreckliche ein bisschen weniger schrecklich (um nicht zu sagen "schön") reden. Und da bricht dann auch der Blickwinkel ganz zusammen – denn DAS ist mit Sicherheit nicht mehr die Gedankenwelt des Täters…
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich halte das Thema für sehr interessant. Besonders die Auseinandersetzung mit dem Labyrinth. Vielleicht hat es auch Mängel, aber gerade die Ausweglosigkeit, obwohl das Labyrinth offen ist, wird gut dargestellt.
Dabei sehe ich folgende Erzählperspektive:
Es werden in Wahrheit nicht zwei Personen dargestellt.
Mit "Du" ist der Erzähler selbst gemeint. Er objektiviert die Situation - um sie zu verarbeiten.
Er sieht die Situation von außen, beobachtet das Geschehen und sieht gleichzeitig sich. Deshalb der Wechsel zwischen "du" und "ich".
Die seelische Anstrenngung ist groß und Verwirrung kommt dazu. Geschehen wird in Bilder umgesetzt.

Viele Grüße von Bernd
 

GabiSils

Mitglied
Lieber Bernd,

ja- das macht Sinn! Ein hervorragendes Beispiel dafür, was ein wirklich unvoreingenommener Leser entdecken kann. Danke!

Gruß,
Gabi
 

Roni

Mitglied
hm ...

spannend ist es allemal ...

ich hab es jetzt mehrmals so zu lesen versucht, wie du es siehst, bernd.
aber es klappt nicht durchgaengig
zumindest bei mir nicht ...

ich hab auch versucht,
es im 'erotischen' sinne zu lesen ...
das ende waere dann nicht toedlich, sondern ein entdecken neuer, vielleicht zuvor abgelehnter dimensionen
aber auch das klappt nicht durchgaengig

ich wuerde mir wirklich einen kommentar des autoren wuenschen

@gabi
gibt es sowas wie den unvoreingenommenen leser?
waer ja glatt ein plaudereckenthema

gruss
roni
 



 
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