An dunkleren Tagen

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Vera-Lena

Mitglied
An dunkleren Tagen

Das Grau hängt schüchtern in den Zweigen,
es ist sich selber unbewusst.
Die Farben müssen jetzt verschweigen
die überhitzte Sommerlust.

Verschwommen winken die Sekunden
von nun an ohne Zifferblatt.
Konturen wollen sich nicht runden.
Der letzte Schachzug bringt ein Patt.

Der Springer schmiegt sich in den Kasten,
das Brett bleibt lange unbespielt.
Es senken sich Pianotasten
zum Lied, das auf die Stille zielt.

Ein Schatten geistert über Wänden,
ein Lebender, ein Gegenbild,
er bleibt mir willig in den Händen,
ein Schein, ein Spiel, ein Traumgefild.
 

Ternessa

Mitglied
An dunkleren Tagen,

es klingt ein bisschen so das Ende.
Ich finde deinen Text darin sehr gelungen. Das Ende, was aber nicht melancholisch klingt.

Verändern würde ich nur Zifferblatt zu Ziffernblatt.

LG
Ternessa
 

Vera-Lena

Mitglied
Lb. Ternessa,

es freut mich, dass dieser Text bei Dir einen Widerhall finden konnte. Was das "Zifferblatt" angeht, so werde ich es laut Duden so stehen lassen.

Danke für Deine Antwort!
Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Lb. Vera-Lena,

ein gewohnt ausdruckstarkes und dennoch wunderbar leichtes Verswerk. Ja, das Leben ist ein Schachspiel - diese Bild habe ich auch schon öfter bemüht, aber selten so gelungen.

Gruß W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Herbert, lieber Walther,

danke für Eure Zustimmung zum Thema und danke für Euer Lob! Das erfreut das Herz. :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Tom,

danke für Deinen Vorschlag. Genau an dieser Stelle habe ich lange gebrütet.

Ein Schatten geistert an den Wänden ist gerechtfertigterweise die übliche Formulierung.

Nun habe ich mich aber für Ein Schatten geistert über Wänden entschieden, weil das "über" für mein Empfinden die Leichtigkeit, mit der sich dieses Doppelwesen bewegt, noch stärker unterstreicht. Umso überraschender finde ich es dann, dass der Schatten nun doch in meinen Händen bleibt. Also es geht mir hier um einen Kontrast. Einerseits ist er so beweglich und andererseits bleibt er bei mir.

Danke für Dein aufmerksames Lesen! :)

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
Liebe Vera, ich glaube der Knackpunkt ist nicht allein "Wänden", es ist mehr die Disharmonie zu "Händen". Irgendwas ist dort, ich kann es selbst nicht sagen, nur fühlen, was ein wenig den ansonsten schönen Fluss stört. Auch ist das "willig" keine große Bereicherung innerhalb der Story. Warum sollte er denn "willig" sein? Sieht der Prot. den, dem er einst gehörte? Ihm Aufgaben zu verpassen, ihn also willig zu machen, ist kaum möglich, jedenfalls hier, in dieser meist schattenlosen Welt. Ich zerbrüte mir gerade die Birne, wie man da was machen könnte. Natürlich nur für mich! :)


Eine Idee:

Ein Schatten geistert über Wände,
ein Lebender, ein Gegenbild,
er bleibt mir kalt, wie auch die Hände,
ein Schein, ein Spiel, ein Traumgefild.


Liebe vorweihnachtliche Grüße, verbunden mit der Hoffnung, dass heute ausreichend Lebkuchen zur Verschnabulisierung vorhanden war.


Tom
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Tom,

Du bist doch schon ganz nah dran, an dem, was ich sagen will.

Der Schatten gehört zu einer Person. Jetzt ist diese Person aber nicht mehr da, sondern ins Schattenreich hinübergegangen.

Das Lyri fühlt aber, dass die Person noch da ist und dass sie willens ist, bei dem Lyri zu bleiben. Im Schattenreich warten aber auch Aufgaben auf diese Person und so geistert sie eben nur ab und zu um das Lyri herum.

Es ist kein trauriges Gedicht. Es wird nicht von Abschied und nicht von Schmerz gesprochen.

"ein Schein, ein Spiel, ein Traumgesicht" machen deutlich, wie innig sich das Lyri immer noch mit dem Verstorbenen verbunden fühlt.

Danke, dass Du Dir so viel Mühe machst!

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
H

Heidrun D.

Gast
Ganz wunderbar, liebe Vera-Lena!

Gut, dass der Text nochmal ans Licht gehoben worden ist. - Es täte mir - nachdem ich ihn nun kenne - leid, wäre er mir spurlos entgangen.

Zum Inhalt hat Thom bereits viel Erklärendes bemerkt, so dass mir für diesmal nur die stille Freude an einem edel Gereimten bleibt.

Herzliche Grüße
Heidrun

P.S.: Esst ihr Ende Februar denn immer noch Pfefferkuchen? *staun
 

Vera-Lena

Mitglied
Das freut mich, dass Du den Text auch noch gelesen hast, liebe Heidrun.

Die Lebkuchen bezogen sich auf "neulich", also die Vorweihnachtszeit.

Jetzt ist Fastenzeit und bald ist Ostern......

Liebe Grüße
Vera-Lena
 



 
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