© by Gagamello
Angie oder../ Fortsetzung
Er sah die Putzfrau aus dem Lokal kommen und betrat den Gastraum. Ein Geruch nach abgestandenem Bier und kaltem Rauch schlug ihm entgegen. Er setzte sich an einen Tisch und zog den Parka aus.Die Bedienung kam und er bestellte sich Rühreier mit Speck und zwei Brötchen. Dazu eine Portion Kaffee.
Es dauerte eine Weile bis sie das gewünschte brachte und er überlegte sich in der Zeit, was er heute zu erledigen hatte.
Gegen später konnte er ja ins Quasi-Modo gehen oder bei Trude vorbei schauen. Allerdings machte Trudes Grill nicht vor elf Uhr auf und das Quasi nicht vor halbzwölf. Irgendwie mußte er die Zeit totschlagem.
Zunächst sollte er vielleicht seine Kleidung aus der Reinigung holen gehen. Es wurde mal wieder Zeit für einen Garderobenwechsel. Ab neun war dort geöffnet.
Er hatte sich schon vor längerer Zeit eines der Schließfächer im Bahnhof gemietet um die paar Habseligkeiten die er besaß, nicht überall hin mitschleppen zu müssen. Ein Päckchen Einwegrasierer mit einer Dose Schaum, ein Kamm, ein Stück Seife und eine Zahnbürste mit Zahnpasta befanden sich in der Plastiktüte.Außerdem eine Badehose und zwei Handtücher. Diese dienten für den Besuch des Hallenbades.
Dort war die einzige Möglichkeit zu duschen. Die Unterwäsche wurde immer wieder neu gekauft und landete nach Gebrauch in einem Mülleimer. Dasselbe galt für die Socken.
Bevor es so kalt wurde, hatte er gelegentlich eine dieser Kaufhaustoiletten aufgesucht und sein Zeug im Waschbecken mit Handwaschcreme kurz durchgespült, die abfälligen Bemerkungen und geringschätzenden Blicke der Klo-Besucher ignorierend.Doch wo sollte er die Sachen bei dieser Kälte trocknen?
Sicher, er hätte die Kleidung auch seiner Mutter bringen können. Allerdings hätte es dann wieder eine dieser unendlichen Debatten über Sinn und Unsinn seines Lebenswandels gegeben. Diese Fragerei, wo er sei, was er mache und wie er sich sein weiteres Leben vorstelle.
Doch das waren Fragen die er ihr nicht beantworten konnte. Sein Aufenthaltsort war mal hier, mal da. Was er machte? Na jeden Tag so gut es ging über die Runden zu kommen. Und Pläne für die Zukunft? Es gab ganz einfach keine Pläne. Nix Bausparvertrag..nix Lehrstelle..nix Kohle..nix Future..nix... nix ..einfach garnix.. Das Ergebnis dieser Unterhaltungen war meist ein Streit gewesen.
Er war sich bei ihr nie sicher, ob sie ihn nur auszuquetschen versuchte, um ihre Neugier zu befriedigen oder ob es sich dabei um wirkliches Interesse handelte. Es war eine wirklich herliche Mutter-Sohn bezeihung zwischen ihnen. Manchmal fragte er sich, ob Mütter wohl einfach so sein MUSSTEN wenn sie so viele Kinder gebaren. Für ihren Hund hatte sie mehr Tiefgang... dachte er. Sein Gesicht verfinsterte sich. Kann ich was dafür das ich existiere?..hätte der Alte nicht ins Gras spritzen können?..welchen Unterschied hätte das gemacht? ..keinen...für niemanden..
Was ihn eigentlich noch veranlasste, sie sporadisch zu besuchen, war ihm selber nicht so ganz klar. Vielleicht weil es normal war. Bei dem Wort “Normal” mußte er grinsen. Was war denn normal? Wenn er in Gedanken seinen bisherigen Werdegang Revue passieren ließ, gab es im Vergleich zu anderen Menschen die er kannte ,nicht viel, das man als “Normal” hätte bezeichnen können. Keinen Job..von ein paar Tagelöhnerarbeiten abgesehen..Beschissenes Abgangszeugnis, abgebrochene Lehre.. Familie..die keine war und als Freunde nur die Kneiper die sich freuten, wenn er sein Geld bei ihnen lies..
Die Bedienung kam und brachte das Bestellte. Für den Augenblick schob er die trüben Gedanken zur Seite und widmete sich seinem Frühstück.
Das Lokal füllte sich allmählich. Der große Stammtisch, der gegenüber der Schanktheke stand, war im Nu vollständig belegt. Es war erst halb sieben. Aber den Leuten schien das Bier schon recht gut zu schmecken.
Es waren eigentlich immer die gleichen Gesichter, die um diese Uhrzeit hier zu sehen waren. Witzigerweise waren einige “Angestellte” darunter, die sich jeden Morgen über ihren imaginären Job aufregen konnten. Imaginär deshalb, wie sonst ließe sich erklären, das sie bis gegen elf Uhr ein Bier nach dem anderen bestellten, dann angesoffen das Lokal verließen und nach einem Imbiß an der nahegelegenen Frittenbude wieder auftauchten.
Da blieb für Arbeit gar keine Zeit. >>Na Hauptsache ihr glaubt selber an den Scheiß, den ihr da erzählt<<... dachte er oft.
Die Bedienung kam und fragte eher aus Gewohnheit, denn aus wirklichem Interesse, ob es geschmeckt habe. Er antwortete mit der Frage nach der Rechnung.
Als er bezahlt hatte, zog er sich seinen Parka wieder über und verließ das Lokal.
Draußen war die Dunkelheit einem grauen Dämmerlicht gewichen.
Nebelschwaden zogen vom nahen Fluss herüber. Auf dem Vorplatz des Bahnhofs befanden sich die Haltestellen der verschiedenen Buslinien. Einige Schüler standen in Gruppen herum und warteten auf den Schulbus.
Als er auf dem Weg über den Vorplatz an einer dieser Gruppen vorrüber ging, sprach ihn einer der Jungs an: ”Hey Mann, haste mal ne Kippe für mich?” Er nickte und kramte die Schachtel aus seiner Brusttasche, fischte eine Zigarette heraus und gab sie dem Jungen. Der nickte mit dem Kopf und fragte: “Haste Feuer auch?” Er reichte ihm auch noch Feuer und meinte in freundlichen Ton: “Aber rauchen kannste alleine, ja?“ Der Junge grinste ihn an und sagte : “Klar Mann, ....danke Mann”. In einem Anflug von Sarkasmus dachte er bei sich: “ Meine gute Tat ist für heute getan“.
Er setzte seinen Weg fort und erreichte nach einer viertel Stunde Fußweg die Reinigung. Es war erst halb neun und der Laden hatte noch geschlossen. Neben der Reinigung war eine Sitzbank für Busfahrgäste angebracht. Dort lies er sich nieder. Mit klammen Fingern fischte er sich eine Zigarette aus der Packung und zündete sie an. Tief inhalierte er den Rauch.
Seine Gedanken schweiften zurück zum gestrigen Tag. Eigentlich war nichts besonderes gewesen gestern. Vielleicht doch, ja.. Er hatte am späten Abend noch etwas Glück im Spiel gehabt. Als er gegen dreiundzwanzig Uhr noch kurz auf einen Schoppen Rotwein in einer Pizzeria einkehrte. Dort hatte er aus lange Weile eine Münze in den Spielautomaten geworfen und Fortuna war ihm hold gewesen. Nach dem zweiten Spiel klingelte der Kasten und zeigte an, das er fünfzig Sonderspiele gewonnen hatte. Nach deren Ende zeigte der Automat ein Guthaben von Hundertfünfzehn Mark an . Bei sparsamen Umgang mit dem Geld würde es mindestens sechs Tage fürs Essen reichen, wenn nicht sogar länger. Ein kleiner Lichtblick war das schon. Wer weiß schon, was in sechs Tagen ist... dachte er. Bei dem Gedanken an den Gewinn lächelte für er einen Moment.Dieses Lächeln verstand eine gerade vorrübergehende Frau wohl als Gruß, denn sie lächelte zurück und wünschte einen guten Morgen. In Momenten spontaner Freundlichkeit wie diesem, vergaß er gelegentlich den unterschwelligen Neid, den er den anderen, den “normalen” Menschen gegenüber Empfand. Ein Neid, der manchmal übermächtig wurde, obwohl er sich oft fragte.. bin ich nicht selber Schuld an meiner Situation?...
Angie oder../ Fortsetzung
Er sah die Putzfrau aus dem Lokal kommen und betrat den Gastraum. Ein Geruch nach abgestandenem Bier und kaltem Rauch schlug ihm entgegen. Er setzte sich an einen Tisch und zog den Parka aus.Die Bedienung kam und er bestellte sich Rühreier mit Speck und zwei Brötchen. Dazu eine Portion Kaffee.
Es dauerte eine Weile bis sie das gewünschte brachte und er überlegte sich in der Zeit, was er heute zu erledigen hatte.
Gegen später konnte er ja ins Quasi-Modo gehen oder bei Trude vorbei schauen. Allerdings machte Trudes Grill nicht vor elf Uhr auf und das Quasi nicht vor halbzwölf. Irgendwie mußte er die Zeit totschlagem.
Zunächst sollte er vielleicht seine Kleidung aus der Reinigung holen gehen. Es wurde mal wieder Zeit für einen Garderobenwechsel. Ab neun war dort geöffnet.
Er hatte sich schon vor längerer Zeit eines der Schließfächer im Bahnhof gemietet um die paar Habseligkeiten die er besaß, nicht überall hin mitschleppen zu müssen. Ein Päckchen Einwegrasierer mit einer Dose Schaum, ein Kamm, ein Stück Seife und eine Zahnbürste mit Zahnpasta befanden sich in der Plastiktüte.Außerdem eine Badehose und zwei Handtücher. Diese dienten für den Besuch des Hallenbades.
Dort war die einzige Möglichkeit zu duschen. Die Unterwäsche wurde immer wieder neu gekauft und landete nach Gebrauch in einem Mülleimer. Dasselbe galt für die Socken.
Bevor es so kalt wurde, hatte er gelegentlich eine dieser Kaufhaustoiletten aufgesucht und sein Zeug im Waschbecken mit Handwaschcreme kurz durchgespült, die abfälligen Bemerkungen und geringschätzenden Blicke der Klo-Besucher ignorierend.Doch wo sollte er die Sachen bei dieser Kälte trocknen?
Sicher, er hätte die Kleidung auch seiner Mutter bringen können. Allerdings hätte es dann wieder eine dieser unendlichen Debatten über Sinn und Unsinn seines Lebenswandels gegeben. Diese Fragerei, wo er sei, was er mache und wie er sich sein weiteres Leben vorstelle.
Doch das waren Fragen die er ihr nicht beantworten konnte. Sein Aufenthaltsort war mal hier, mal da. Was er machte? Na jeden Tag so gut es ging über die Runden zu kommen. Und Pläne für die Zukunft? Es gab ganz einfach keine Pläne. Nix Bausparvertrag..nix Lehrstelle..nix Kohle..nix Future..nix... nix ..einfach garnix.. Das Ergebnis dieser Unterhaltungen war meist ein Streit gewesen.
Er war sich bei ihr nie sicher, ob sie ihn nur auszuquetschen versuchte, um ihre Neugier zu befriedigen oder ob es sich dabei um wirkliches Interesse handelte. Es war eine wirklich herliche Mutter-Sohn bezeihung zwischen ihnen. Manchmal fragte er sich, ob Mütter wohl einfach so sein MUSSTEN wenn sie so viele Kinder gebaren. Für ihren Hund hatte sie mehr Tiefgang... dachte er. Sein Gesicht verfinsterte sich. Kann ich was dafür das ich existiere?..hätte der Alte nicht ins Gras spritzen können?..welchen Unterschied hätte das gemacht? ..keinen...für niemanden..
Was ihn eigentlich noch veranlasste, sie sporadisch zu besuchen, war ihm selber nicht so ganz klar. Vielleicht weil es normal war. Bei dem Wort “Normal” mußte er grinsen. Was war denn normal? Wenn er in Gedanken seinen bisherigen Werdegang Revue passieren ließ, gab es im Vergleich zu anderen Menschen die er kannte ,nicht viel, das man als “Normal” hätte bezeichnen können. Keinen Job..von ein paar Tagelöhnerarbeiten abgesehen..Beschissenes Abgangszeugnis, abgebrochene Lehre.. Familie..die keine war und als Freunde nur die Kneiper die sich freuten, wenn er sein Geld bei ihnen lies..
Die Bedienung kam und brachte das Bestellte. Für den Augenblick schob er die trüben Gedanken zur Seite und widmete sich seinem Frühstück.
Das Lokal füllte sich allmählich. Der große Stammtisch, der gegenüber der Schanktheke stand, war im Nu vollständig belegt. Es war erst halb sieben. Aber den Leuten schien das Bier schon recht gut zu schmecken.
Es waren eigentlich immer die gleichen Gesichter, die um diese Uhrzeit hier zu sehen waren. Witzigerweise waren einige “Angestellte” darunter, die sich jeden Morgen über ihren imaginären Job aufregen konnten. Imaginär deshalb, wie sonst ließe sich erklären, das sie bis gegen elf Uhr ein Bier nach dem anderen bestellten, dann angesoffen das Lokal verließen und nach einem Imbiß an der nahegelegenen Frittenbude wieder auftauchten.
Da blieb für Arbeit gar keine Zeit. >>Na Hauptsache ihr glaubt selber an den Scheiß, den ihr da erzählt<<... dachte er oft.
Die Bedienung kam und fragte eher aus Gewohnheit, denn aus wirklichem Interesse, ob es geschmeckt habe. Er antwortete mit der Frage nach der Rechnung.
Als er bezahlt hatte, zog er sich seinen Parka wieder über und verließ das Lokal.
Draußen war die Dunkelheit einem grauen Dämmerlicht gewichen.
Nebelschwaden zogen vom nahen Fluss herüber. Auf dem Vorplatz des Bahnhofs befanden sich die Haltestellen der verschiedenen Buslinien. Einige Schüler standen in Gruppen herum und warteten auf den Schulbus.
Als er auf dem Weg über den Vorplatz an einer dieser Gruppen vorrüber ging, sprach ihn einer der Jungs an: ”Hey Mann, haste mal ne Kippe für mich?” Er nickte und kramte die Schachtel aus seiner Brusttasche, fischte eine Zigarette heraus und gab sie dem Jungen. Der nickte mit dem Kopf und fragte: “Haste Feuer auch?” Er reichte ihm auch noch Feuer und meinte in freundlichen Ton: “Aber rauchen kannste alleine, ja?“ Der Junge grinste ihn an und sagte : “Klar Mann, ....danke Mann”. In einem Anflug von Sarkasmus dachte er bei sich: “ Meine gute Tat ist für heute getan“.
Er setzte seinen Weg fort und erreichte nach einer viertel Stunde Fußweg die Reinigung. Es war erst halb neun und der Laden hatte noch geschlossen. Neben der Reinigung war eine Sitzbank für Busfahrgäste angebracht. Dort lies er sich nieder. Mit klammen Fingern fischte er sich eine Zigarette aus der Packung und zündete sie an. Tief inhalierte er den Rauch.
Seine Gedanken schweiften zurück zum gestrigen Tag. Eigentlich war nichts besonderes gewesen gestern. Vielleicht doch, ja.. Er hatte am späten Abend noch etwas Glück im Spiel gehabt. Als er gegen dreiundzwanzig Uhr noch kurz auf einen Schoppen Rotwein in einer Pizzeria einkehrte. Dort hatte er aus lange Weile eine Münze in den Spielautomaten geworfen und Fortuna war ihm hold gewesen. Nach dem zweiten Spiel klingelte der Kasten und zeigte an, das er fünfzig Sonderspiele gewonnen hatte. Nach deren Ende zeigte der Automat ein Guthaben von Hundertfünfzehn Mark an . Bei sparsamen Umgang mit dem Geld würde es mindestens sechs Tage fürs Essen reichen, wenn nicht sogar länger. Ein kleiner Lichtblick war das schon. Wer weiß schon, was in sechs Tagen ist... dachte er. Bei dem Gedanken an den Gewinn lächelte für er einen Moment.Dieses Lächeln verstand eine gerade vorrübergehende Frau wohl als Gruß, denn sie lächelte zurück und wünschte einen guten Morgen. In Momenten spontaner Freundlichkeit wie diesem, vergaß er gelegentlich den unterschwelligen Neid, den er den anderen, den “normalen” Menschen gegenüber Empfand. Ein Neid, der manchmal übermächtig wurde, obwohl er sich oft fragte.. bin ich nicht selber Schuld an meiner Situation?...