Apfelzeit

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nyleve

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Das monotone Dahingeplätscher der typischen Supermarktmusik ging ihr allmählich auf die Nerven. Sicher, sie brauchte ja nicht hinzuhören, doch das war mindestens genauso einfach, wie nicht an einen roten Apfel zu denken.
Apropro, Äpfel, wo waren wieder die Äpfel? Hektische manövrierte sie ihren Einkaufswagen aus dem schmalen Gang heraus.
Ah, da vorne sind sie ja schon. Zielstrebig visierte sie die Obstabteilung an, aus der knallrote, glänzende Äpfel hervorlugten. Vorsichtig ließ sie sieben große Äpfel in das raschelnde Obstsäckchen gleiten. Das Wasser lief ihr förmlich im Mund zusammen und am liebsten hätte sie gleich hier auf der Stelle in einen gebissen.
Doch dann erspähte sie die leuchtenden Hinweise der Kassen. Gerade als sie das Säckchen mit den Äpfeln aufs Band hieven wollte, erfuhr ihr Wagen einen heftigen Stoss.
Mit voller Wucht krachte die Vorderseite ihres Einkaufswagen in ihre Hinterseite. Voller Schreck und Schmerz warf sie ihre Arme hoch und ließ dabei das noch nicht am Band zu liegen gekommene Säckchen los.
Mit vor Entsetzen und Empörung weit aufgerissenen Mund musste sie mit ansehen, wie jeder einzelne ihrer sieben Äpfel auf den harten, schmutzigen Supermarktboden polterte und in sieben verschiedene Richtungen verschwand.
“DDDDas, tut mir aber leid!“ Nicht minder entsetzt und überrascht blickten sie zwei türkisblaue Augen an.
„Leid? Es tut ihnen Leid?“ Wie konnte sich dieser, dieser Kerl, nur erlauben, so mit ihren Äpfeln umzugehen?
Wütend genug, um einen ganzen Apfelbaum auszureißen, setzte sie zu einer heftigen Schimpftirade an. Doch anstatt ihren Gegner kampflustig vor sich zu sehen, erhaschte sie gerade noch einen Blick auf eine am Boden herumkriechende Gestalt.
„Ich hab sie gleich wieder. Da ist noch einer!“ Undeutlich waren seine Worte zu verstehen. Ungläubig starrte sie auf den äpfeleinfangenden Mann. Süßes Hinterteil, dachte sie unvermittelt.
Aus ihrer anfänglichen Wut und Empörung wurde allmählich Belustigung. Die Haare ein wenig zersaust, die dunkle Jeans mit eindeutigen Schmutzspuren stand er vor ihr, alle sieben Äpfel verkrampft auf den Armen balancierend.
Sie kam nicht drum herum ihn anzulächeln. „Sie glauben wohl nicht, dass ich diese Äpfel noch in meiner Obstschale arrangieren kann?“ „Nun ja, ich meine, ich weiß nicht, vielleicht kann man ja ... Oder nicht?“ Sichtlich verlegen und unsicher wechselte er von einem auf den anderen Fuß.
Plomp! Schon wieder kullerte ein Apfel fort. Ungelenk versuchte er sich zu dem Apfel hinunter zu beugen. „Lassen sie nur, ich mach das schon!“
In der Hoffnung, nicht allzu plump auszusehen, ging sie vor ihm in die Knie und fischte den Apfel zwischen seinen Füssen hervor. Mit einem strahlenden Lächeln hob sie ihn triumphierend auf.
Dann spürte sie den türkisfarbenen Blick in ihrem Rücken, als sie nach dem Säckchen griff. Schmutzig und mit matschigen Dellen übersät, fanden die Äpfel erneut Schutz in dem knisternden, durchsichtigen Säckchen.
Mit einem Räuspern versuchte er ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. „Verzeihen Sie, bitte. Das mit den Äpfeln, ich meine, sie wissen schon, tut mir ehrlich leid!“
„Ach, ist ja halb so wild, Es war mehr der Schrecken und so. Aber trotzdem, Danke.“ Beide studierten verlegen die Spuren auf dem kahlen Supermarktboden. Schweigsam endete das Scannen der restlichen Lebensmitteln.
Nachdem sie bezahlt hatte, wagte sie noch einmal einen Blick zu den türkisfarbenen Augen, aber ihr bot sich stattdessen nur der Anblick seines süßen Hinterteils.
Ehe ihr Zögern peinlich werden konnte, schob sie ihren Einkaufswagen Richtung Parkplatz, sorgfältig observiert von einem tiefen Türkisblau.
Gerade hob sie die vollgestopfte Einkaufstüte in den Kofferraum, schon kullerte ein bereits ziemlich ramponierter Apfel aus ihrem Fahrzeug, schlug dreimal am Asphalt auf, bevor er unter ihrem Auto verschwand.
Seufzend beugte sie sich, wahrscheinlich weniger elegant, hinunter, um den Ausreißer auszumachen. Doch anstatt ihres Apfels entdeckte sie zwei lustig blitzende Augen, die von der anderen Seite ebenfalls unter ihrem Auto nach einem Apfel Ausschau zu halten schienen. Mit einem Ruck richtete sie sich auf. „Suchen sie vielleicht nach dem hier?“ Fragend begutachtete er einen unförmig zerquetschten Apfel von allen Seiten.
„Äh ja. Ja genau, den habe ich gesucht.“ Verschmitzt grinsend warf er ihr das Obst zu. Er hatte sich bereits wieder seiner Einkaufstüte zugewandt, als sie plötzlich neben ihm stand. „Mögen sie eigentlich Apfelmus?“ Überrascht sah er ihr in die Augen. „Ich meine, ich werde heute wahrscheinlich noch Apfelmus machen. Nun ja, nicht wahrscheinlich, sondern ziemlich sicher sogar.“ Mit schiefgelegtem Kopf hörte er ihr geduldig zu. „Ich glaube, Sie habe auch ein Recht darauf, ein bisschen zumindest.“ Hochroten Kopfes wartete sie seine Reaktion ab. Die Türkisblauen Augen schienen zu lachen. „Apfelmus! Mein Gott, ich liebe Apfelmus!“
Leise polterten die anderen sechs Äpfel aus dem Kofferraum.
 



 
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