Aufbruch

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Anonym

Gast
Die Zeit stirbt Risse in die Brücke
die wir über die Wolken spannten
um uns ganz oben zu begegnen

Nun folgst du mir rückwärts durch die Nacht
und schneidest meinen Schatten vom Pflaster
Stunden quellen träge aus den Fenstern
hinter denen du schale Feste
mit dem Wein vom Vortag feierst

Ich räume dir nicht mehr
die Tage hinterher
und trage dein Lachen auf
Zwischen dir und mir
finde ich dich hundertfach
Und immer noch streife ich
nur, was außen

Ich gehe dahin zwischen Zeilen
aus gefrorenem Weiß
 
S

Sheerie

Gast
hallo A.

es ist einfach grandios, trotz seiner
tiefsinnigen melancholie oder gerade deshalb

wenn die punkte am ende jeder strophe fehlen würden,
würde nichts fehlen

danke sehr, Sheerie
 

Anonym

Gast
Hallo Sheerie,

du hast Recht! Die Punkte am Ende jeder Strophe stören. Bei der Lyrik weiß ich nie so recht mit der Zeichensetzung umzugehen. Rein intuitiv möchte ich meinen, dass sie ohne Punkt und Komma auskommen muss/sollte.

Es freut mich sehr, dass dir das Werk gefallen hat. Besonders, weil es mein erster Versuch in Richtung Lyrik ist.

Lieben Gruß
A.
 

Svalin

Mitglied
Hallo A.

Auch auf mich entfaltet dein Text eine starke, bewegende Wirkung. Nach meinem Empfinden liegt das maßgebend daran, dass er es vermag, sich in seiner Bildersprache über die sentimentale (unreflektierte) Befangenheit hinaus zu erheben, die ein solches Herzschmerz-/Trennungsmotiv häufig mit sich zu bringen scheint. Hier ist eine emotionale Distanz des Autors zum Gegenstand seiner Betrachtung spürbar, die ihn überhaupt erst in die Lage versetzt hat, Wesentliches zu erkennen und zu verdichten. Das setzt normalerweise einiges an Übung und Erfahrung voraus. Dir scheint das intuitiv gelungen zu sein, was in meinen Augen sehr für lyrisches Talent und Potential spricht.
Deine Metaphern legen ihren Fokus irgendwo zwischen Offenbarung und Verhüllung. Sie sind nie zu abstrakt, das Geschilderte unverständlich zu machen, aber auch nie zu deutlich, alle Details zu verraten. Es bleibt immer ein kleines Stück Unauflösbares, Unbestimmbares darin zurück. Auch das gefällt mir außerordentlich gut. Dieses perspektivische Offenhalten gibt dem Leser genügend Raum, sich im Text trotz aller Vorgaben frei bewegen zu können. Ich denke, du kannst deinen ersten "Versuch in Richtung Lyrik" wirklich als gelungenen Einstand betrachten ;)
Worauf du beim nächsten Mal vielleicht noch achten könntest, wäre, dir den Text noch während des Schreibens laut vorzulesen. Das hilft, Stellen zu entdecken, an denen sich kein richtiger Sprachfluss einstellen will. Gerade der Anfang

> Die Zeit stirbt Risse in die Brücke
> die wir über die Wolken spannten
> um uns ganz oben zu begegnen

wirkt in dieser Hinsicht ein wenig ungelenk. Das betrifft aber lediglich die A-Note (technische Ausführung). In der B-Note (künstlerischer Ausdruck) gäbe es von mir volle Punktzahl ... wenn wir beim Eiskunstlaufen wären ;)

Viele Grüße
Martin
 

Anonym

Gast
Hallo Martin,

vielen Dank für die Mühe, die du dir mit meinem Werk gemacht hast. Es war mir wichtig, die Zeilen nicht ins Weinerliche abgleiten zu lassen und natürlich freut es mich, das nun durch deinen Kommentar bestätigt zu wissen. Im Grunde geht es weniger um Herzschmerz oder Trennung als vielmehr um Resignation infolge von Stagnation; sozusagen die Vorstufe zur endgültigen Loslösung.

Dein Lob lasse ich mir gerne gefallen. Aber auch deine Kritik. Ich habe den Anfang laut gelesen und festgestellt, dass er nicht sonderlich melodisch klingt. Vielleicht kann ich das ja noch ändern.

Lieben Gruß
A. (grottenschlechte Eiskunstläuferin)
 

Svalin

Mitglied
Hallo A.

Dass mit der Mühe kann ich so nicht stehen lassen: Falls Genuss und Inspiration wirklich eine Form von Anstrengung sein sollten, dann war ich gerne bereit, diese bei der Beschäftigung mit deinem Text zu "erdulden" :D Schade nur, dass dies bei den "Anonymen" hier nur einem vergleichsweise kleinen Leserkreis vorbehalten bleibt ;)

> Vielleicht kann ich das ja noch ändern.

Ja, vielleicht ;) Ich denke, die grundsätzliche Bereitschaft an seinen Texten arbeiten zu wollen, ist sicher wichtig und lobenswert. Auf der anderen Seite haben Gedichte auch eine Form von Authentizität, die viel mit dem Moment ihrer Entstehung zu tun hat: das Aus-einem-Guss-Sein. Da lässt sich oft an einigen Stellen nachträglich noch etwas polieren oder entgraten. Größere Änderungen hingegen (soweit jedenfalls meine Erfahrung) können Texten oft viel von ihrem ursprünglichem Charme nehmen. Das würde ich hier sehr schade finden.

Viele Grüße
Martin
 

Anonym

Gast
Hallo Martin,

meine Bereitschaft, an Texten zu arbeiten, ist ziemlich groß, zumal ich das Gefühl habe, nie wirklich damit fertig zu werden. Kleine Unebenheiten entdeckt man immer wieder. Allerdings darf sich ein guter Text auch die ein oder andere Schwäche erlauben. Ich werde das Gedicht jetzt nicht mehr anrühren, freue mich über die Resonanz, die es erhielt und bin froh, es endlich "los" zu sein. Es wollte ja schließlich unbedingt heraus. ;)

Liebe Grüße
A.
 

Inu

Mitglied
Hallo A.

Da es Dein erster Versuch in Lyrik ist, kann ich es ja sagen: Dein Stil erinnert mich sehr an den Sandras. ( sie schreibt auch hier in der Lupe )

Also, in dem ganzen Gedicht fand ich nur 2 Zeilen, hinter denen ich ganz stehe, die ich SEHR gelungen finde und die in mir ein inneres Verständnis auslösen.

Das Ganze ist ( ich gehe natürlich hier von meinem persönlichen, unmaßgeblichen Empfinden aus )genau um die Spur zu gewollt exaltiert, um von guter Lyrik in den Kitsch hinüberzusacken.
Ich denke, dass auch Lyrik in ihren Bildern und Metaphern wahr sein muss.
Und das ist hier oft nicht der Fall.

Die Zeit [red]stirbt[/red] Risse in die Brücke. Warum schreibst Du nicht einfach: s c h l ä g t Risse oder macht Risse. Nein, die Zeit muss Risse sterben!! Was soll das?
die wir über die Wolken spannten
um uns ganz oben zu begegnen

Nun folgst du mir rückwärts durch die Nacht
und [red]schneidest[/red] meinen [red]Schatten[/red] vom [red]Pflaster[/red]
das Bild ist derart verquer!
Stunden quellen träge aus den Fenstern
hinter denen du schale Feste
mit dem Wein vom Vortag feierst

Ich räume dir nicht mehr
die Tage hinterher
und trage dein Lachen auf
[blue]Zwischen dir und mir
finde ich dich hundertfach[/blue]
Ich glaube, ich weiß, was Du damit sagen willst, sind aber irgendwie viel zu hochtönende Worte, n u r auf Wirkung bedacht.
[blue]Und immer noch streife ich
nur, was außen[/blue]
Das gefällt mir gut.
Ich gehe dahin zwischen Zeilen
aus gefrorenem Weiß
Auch das ist akzeptabel. Erinnert mich an leere weiße Blätter... könnte aber auch eine winterliche Allee von eisstarrenden Bäumen...
Ganz abgesehen von den beiden Spitzen, die ich rot markiert habe, begreife ich auch einige andere Zeilen nicht.
Es ist dieses offensichtlich gequälte Sich-Bemühen um ausgefallene Bilder und Metaphern, das mir solche Texte unsympathisch macht. Weil es nicht zu Klarheit führt. Ich mag nicht all das Verschwurbelte. Wenn ich es gelesen habe, bleibt wenig Gefühl, nur eine klingende Auflistung ( von was eigentlich?) Es ergibt sich mir kein Bild in der Seele. Es ergibt sich mir auch keine Atmosphäre. Ich finde das Gedicht n i c h t aus einem Guss.
Leider.

Es fällt mir jetzt schwer, meine Gedanken hierzu in die Lupe zu setzen, weil man solchen Texten nicht wirklich beikommt... Es gibt Menschen, die sich einfach von so etwas fernhalten. Ich lese das aber mit großer Spannung, suche nach Aussage und (Allgemein)gültigkeit und finde am Ende ??

Mit freundlichem Gruß
Inu
 

Anonym

Gast
Hallo Inu,

dein Kommentar klingt ja beinahe wütend. Das hat mich etwas verwundert. Auch, dass du Sandra erwähnst, die ich zwar nicht kenne, nun aber weiß, dass du ihre Werke unsympathisch findest. Wozu soll mir diese Information dienen? Die bisherige Resonanz auf mein Gedicht zeigte mir, dass es durchaus von einigen Leuten immerhin soweit verstanden wurde, etwas in ihnen auszulösen oder anzustoßen. Das ist bei dir nicht der Fall und da kann man nichts machen. Meine Zeilen entstanden übrigens nicht bemüht oder gequält. Ausgefallene Metaphern weisen sie kaum auf und sind in absolut einfachen Worten gehalten, um jede Manieriertheit zu vermeiden. Das, was du für hochtönend hältst, ist einfachstes Deutsch oder wie willst du „zwischen dir und mir finde ich dich hundertfach“ anders bezeichnen? Und natürlich „stirbt“ die Zeit Risse in die Brücke, weil es im gesamten Gedicht um etwas Absterbendes geht. Das zu erkennen, dürfte jedoch wirklich nicht schwer ein. „Schlagen“ oder „machen“ wäre mir da übrigens zu plump. Das trifft es einfach nicht. Nun will ich aber nicht das ganze Werk erklären sondern verbleibe mit Dank für deine Kritik und den ausführlichen Kommentar.

Lieben Gruß
A.
 

Inu

Mitglied
Hallo A.

Das war mein ernst empfundener Kommentar und dazu werde ich jetzt nichts mehr sagen.

Was Sandra betrifft, so halte ich sie für eine sehr talentierte Lyrikerin, die unsagbar viele gute, große Zeilen schreibt, sich aber manchmal, und ich sage MANCHMAL zu Bildern hinreißen lässt, die m i r überladen und schwülstig vorkommen. Ich hätte es nicht sagen sollen, es gehörte auch nicht in einen Kom, aber dieser Text hat mich halt an sie erinnert.

Gruß
Inu
 



 
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