Augenblick

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sylvanamaria

Mitglied
Augenblick (überarbeitet)

Ich wohne in Berlin und einer der schönsten Plätze für mich ist das Schloss Charlottenburg mit seinem ausgedehnten Parkareal. Ich liebe diesen Platz. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich von der Arbeit pausieren und hatte auf einmal mehr Zeit als genug. Ein ungewohnter Zustand für mich, da ich sonst in der Lage sein muss, 24 Stunden am Tag maximal aus zu nutzen und zu managen zwischen eigenem Job und Studium, zwischen Familie und familieneigenen Unternehmen. Ich beschloss, einen Frühlingsspaziergang zu unternehmen, denn der Tag war zu schön, um ihn in der Wohnung zu verbringen. Das Wetter konnte nicht besser sein: frühlingshaft sonnig und mild. Ich bin die ca. drei Kilometer nach Charlottenburg aus Zeitgründen noch nie gelaufen. Ich wollte die Schloss - Peripherie hautnah erleben und nahm daher den Weg, der über einen alten Teil der Königsstrecke läuft. Dieser ist nur zu Fuß erreichbar, denn der Autoverkehr nimmt einen anderen Weg. Es war unbeschreiblich schön. Die Alleebäume der alten Schlossstraße grenzten den Blick auf die Originalanlage ein und die Sichtachse wurde durch keine störenden Gebäude beeinträchtigt. Die Sonne am blauen Aprilhimmel ließ die goldene Kuppelfigur hell erstrahlen. Die u -förmige Originalanlage mit den späteren l-förmigen Anbauten breitete sich vor dem Betrachter aus und ließ die alte Pracht als Residenzschloss erahnen. An einem solch schönen Tag blitzten und blinkerten die Goldarbeiten in der Sonne und ließen Marmor und Sandstein um so heller schimmern.

Der Park selbst entzückte mit einem Aufgebot an Frühlingsblühern. Ich habe noch nie eine so große Anzahl von Anemonen gesehen, die ihre zarten weißen Blütenkelche in der sanften Frühlingsbrise wiegten. Es müssen Tausende gewesen sein; ganze Wiesen bedeckten den Waldboden. Zwischendurch wechselten sich Narzissen mit Blausternchen und gelben Sternentalern ab. Hellrote knospenden Haselnusssträucher harmonierten mit den hellgrünen noch kleinen Blättern der Linden. Kastanien reckten ihre klebrigen dunkelbraunen Knospen der Sonne entgegen und auch die großen Eichen machten sich frühlingsbereit. Es war wie in einem verzauberten Garten. Die Frühlingssonne sandte ihre lebensspendenden Strahlen zur Erde und ermutigte Blumen, Bäume und Sträucher das graue Winterkleid abzustreifen und die bunten Frühlingsgewänder an zu legen.

Ich wanderte langsam durch den Park und genoss das süße faule Nichtstun. Einmal für nichts verantwortlich sein.Ich traf das Schwanenpaar, das sein Nest baute und sich auf das Brüten vorbereitete. Stockenten führten einen Frühlingstanz auf und die neugierigen Blesshühner glitten die Wasserläufe rauf und runter. Die sonst so scheuen Eichhörnchen waren beim Großreinemachen ihrer Kobel zu beobachten oder genossen einfach mit wippenden Schwänzen die Sonnenstrahlen. Bienen und Hummeln summten von Blüte zu Blüte. Das Sonnenlicht traf manch irisierendes Flügelpaar und verstreute goldene Sonnenreflexe. Die Luft war angefüllt mit einem geheimnisvollen Raunen und Wispern, zeugend von der erwachenden Lebenskraft der Natur. Ich konnte die Farben schmecken: die Bräune der frischen Erde, die Süße der bunten Farben der Blüten, die Klebrigkeit der knospenden Bäume, das frische Grün des ersten Grases gepaart mit der Muffigkeit des alten Herbstlaubes.
Auf der beliebten so beliebte Luiseninsel, sonst ein Tummelplatz für Jogger und Liebespaare, war es noch ruhig. Ich breitete meine Jacke am Mammutbaum aus, dem Relikt vergangener Zeit und ein Garant für die Beständigkeit der Zeit, und genoss die friedvolle Atmosphäre. Es war nicht einmal still, denn die Vögel brachten dem Frühling ihr Ständchen dar.
Ein seltsamer Tag, an dem nichts geschah, aber aufregend genug, um ihn irgendwann zu wiederholen.
 
H

Henry Lehmann

Gast
Sehr schöner Text. Ohne Höhepunkte, aber angenehm plätschernd. Richtige Chill-Out Literatur.

Da freut man sich schon jetzt auf den Frühling.

LG Henry
 
M

Minotaurus

Gast
Inhaltlich möchte ich mich der Kritik von Henry Lehmann vorbehaltslos anschließen.
Die Geschichte wirkt wie der Auszug aus einem Tagebuch von einem Tag, an dem wirklich nichts vorgefallen war.

Allerdings denke ich, daß Du mit einer besseren Gliederung der Geschichte durch einige Absätze und/oder Leerzeilen doch noch etwas mehr herausholen könntest.
So wie die Geschichte jetzt dasteht, liest sie sich beinahe wie ein Fließtext, genauso dahinplätschernd wie der Inhalt.
Durch eine bessere Struktur könnte zumindest die Aufmerksamkeit des Lesers etwas mehr gefesselt werden.
Wer weiß?

Grüße vom Minotaurus.
 



 
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