Augenblicke

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Augenblicke

Er richtet sich auf. Sein schwarzes Haar steht in allen Richtungen vom Kopf ab. Die Augen halb verschlossen, zündet er sich eine Zigarette an.
„Wo warst du denn so lange?“
Sie zieht sich die Weste aus. Öffnet die Spange, die ihr dunkles Haar hielt. Es fällt leicht auf ihre Schultern.
“Du weißt doch, bei der Präsentation Susannes Choreografie.“
Der Fernseher läuft.
„Aber so lange. Wie spät ist es denn?“ Er sieht sie dabei nicht an. Sein verschlafener Blick gilt dem Bildschirm. Es läuft eine Dokumentation über Lebkuchen, in dem erhöhte, krebserregende Substanzen nachgewiesen wurden. Sein Arm fliegt unkontrolliert mit der Zigarette in der Hand, zu seinem Mund. Dabei verliert er Asche, die auf seine Decke fällt. Er bemerkt es nicht. Er zieht tief daran und lässt den Rauch genauso intensiv wieder aus ihm. Dabei verzieht er angewidert sein Gesicht.
“Warum rauchst du denn, wenn sie dir nicht schmeckt?“ Sie schiebt ihm den Aschenbecher zu, durch eine Menge Nussschalen, die am Tischtuch verstreut sind.
„Geht das denn schon wieder los?“ Er verzieht das Gesicht noch mehr, um seiner Frage gleich die Antwort zu nehmen.
„Es war ein netter Abend. Schade, dass du nicht dabei warst“.
Sie fängt an, die verstreuten Nussschalen auf die Zeitung zu schieben.
„Schön für dich, aber du weißt doch, dass ich Susanne nicht ausstehen kann “. Er dämpft die Zigarette im Aschenbecher aus, der über quillt.
„Also, ich geh jetzt ins Bett. Kommst du auch?“
Er schlägt die Decke zurück und drückt ihr frierend einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Er geht mit eingezogenem Kopf ins Schlafzimmer. Sie hört wie er seinen Wecker richtet, für den Morgen.
Als sie mit den Nussschalen auf der Zeitung und der leeren Saftflasche an der Schlafzimmertür vorbei geht, macht sie das Deckenlicht aus. Er liegt zusammengerollt im Bett. Die Decke weit, über den Kopf.
Sie räumt noch die leeren Jogurtbecher und den vollen Aschenbecher in die Küche. Macht alle Lichter aus. Auf dem Weg ins Bad leuchtet ihr durch die Fenster die Straßenbeleuchtung, die sich wohlig und warm am hellen Fliesenboden wiedergibt. Sie lehnt sich an eines der Vorraumfenster und sieht den ersten Schneeflocken zu, wie sie aus dem schwarzen Schoß des Himmels, in den Lichtkegel der Laterne tanzen. Die Flocken scheinen sich zu freuen, einander zu sehen. Sie lehnte an der Mauerkante, die kühl zurück lehnte. Ein sehnsüchtiges Lächeln, begleitet die Schneeflocken bei ihrem strahlenden Tanz ohne Musik.
 
Hallo Billenstone Nati!


Das Bild des Typen mit der Zigarette im Mund und dem angewiderten Ausdruck ist gut gezeichnet. Auch die Fürsorglichkeit der heimkehrenden Frau.

Fraglich finde ich Sätze wie diesen: „Auf dem Weg ins Bad, leuchtet ihr die Straßenbeleuchtung, die sich wohlig und warm am hellen Fliesenboden räkelt.“ Hast du da nicht was vergessen? Und wieso steht ein Komma zwischen „Bad“ und „leuchtet“? Und die Straßenbeleuchtung soll sich wohlig und warm räkeln? Sehr riskantes Bild, das mich etwas überfordert.

Und was mir fehlt, obgleich ich nie auf Plots aus bin. Wozu die genaue Schilderung des fernsehguckenden Menschen? Die Offenheit kommt mir hier eher wie eine Verlegenheitslösung vor. War die Frau bei einem Liebhaber? Oder was bedeutet das: Eine Veranstaltung bei Gerd? (Hier übrigens ein Rechtschreibfehler: "Du [red]weißt [/red] doch..." muss es heißen.)
Warum leben die beiden noch zusammen? Warum kommt der Mann nicht mit? Nicht jede Frage muss beantwortet werden, aber der Text spielt zu sehr im konkreten Raum, als dass sich diese Fragen nicht stellten.

Festhalten möchte ich aber: Die Personenskizze ist sehr gelungen.

Liebe Grüße

Monfou
 
Hallo Monfou Nouveau,
ich danke dir für den Hinweis des Rechtschreibfehlers für das Lob und die Aufmerksamkeit.
So viele Fragen auf einmal.
Zu viele oder zu wenig Beistriche oder Rechtschreibfehler, kennzeichnen leider einer meiner schlechten Charaktere, die näher zu erörtern, mich nicht weiter bringen.
Die räkelnde und wohlig warme Straßenbeleuchtung. Eine Metapher für behagliches Licht. Momentane Situation, der wortlosen Stille. Gerade diese Formulierung gefällt mir besonders.
Ein belangloser Augenblick, der wahrscheinlich in vielen Beziehungen so oder so ähnlich abläuft.
Der Fernseher übernimmt im wesentlichen den Part, der wortlos gewachsenen Ehe oder Beziehung. Die Verlegenheit liegt im nicht ausgesprochenen.

liebe Grüße
Billenstone Nati
 

huwawa

Mitglied
ja, ja die falschen beistriche...
dieser "schlechte charakterzug" ist ja fast schon ein markenzeichen von dir!
übrigens - ein hund wäre vielleicht nicht schlecht - wenn du spät nach hause kommst, gibts wenigstens einen, der sich freut, dass du wieder da bist!

schwarzhumorige gutenachtgrüße wünscht dir
huwawa
 



 
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