Ausgerechnet du

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Ich war in die Stadt zurückgekehrt, in der ich früher mal gelebt hatte. An einem Novemberabend traf ich auf einen Menschen, den ich mir vor Jahren zum Feind gemacht hatte.
Als ich Thomas auf einer Party kennenlernte, war er mit Ina befreundet. Ina war eine attraktive junge Frau Anfang zwanzig, Thomas war dreiundzwanzig und ich selbst war vierundzwanzig. Zu dem Zeitpunkt, als wir zusammentrafen, war ich gerade solo. Einerseits war es eine gute Übung, eine Zeitlang allein zu leben, andererseits vermisste ich aber auch etwas in meinem Leben. Ina gefiel mir auf Anhieb. Wir drei kamen ins Gespräch, Ina, Thomas und ich. Ich hatte gerade meine Zwischenprüfung hinter mir, fühlte mich frei, war locker, völlig aufgedreht, ja überdreht. Thomas war als Gesprächspartner eher langweilig. Um so gesprächiger war Ina. Wir fanden immer wieder neue Themen, die uns beide interessierten. Es war ein sehr unterhaltsamer Abend, es machte uns allen viel Spaß. Wir tauschten unsere Adressen und versprachen, in Kontakt zu bleiben.
Drei Tage später traf ich Ina in der Seminarbibliothek. Sie studierte ebenfalls Germanistik, und nachdem wir einige Stunden lang Bücher gewälzt hatten, gingen wir in die Cafeteria und kamen wieder lebhaft ins Gespräch. Ina deutete an, dass sie sich in ihrer Beziehung mit Thomas schon seit längerem nicht mehr wohl fühlte, und ich horchte auf. Einige Wochen später kam es dann genau so, wie ich es mir erhofft hatte: Ina trennte sich von Thomas und tat sich mit mir zusammen. Wir zogen in eine kleine gemütliche Studentenwohnung.

Aber Thomas wollte die neue Situation nicht akzeptieren. Von Dietmar, dem Gastgeber jener Party, hatte Thomas unsere Adresse erfahren, und eines Abends klingelte es bei uns. Ina öffnete die Tür. Draußen im Flur stand Thomas, wohl nicht mehr ganz nüchtern, und sagte mit Bestimmtheit: "Du kommst sofort mit." Ina lachte nur. Doch Thomas verstand keinen Spaß. "Sofort, ist das klar!" schrie er, und überall im Haus hörte man Türen aufgehen, Nachbarn lauschten.
Erschrocken kam ich aus dem Arbeitszimmer gelaufen und bat ihn, zu gehen. Doch das machte alles noch schlimmer, wie ein Berserker brüllend stürzte Thomas sich auf mich. Ina schrie entsetzt auf, wir beiden Männer prügelten uns auf dem Treppenabsatz, und dann geschah es: nach einer heftigen Bewegung trat Thomas ins Leere, verlor den Halt, stürzte kopfüber die Treppe hinab und blieb unten regungslos liegen. Er blutete stark am Kopf.
Ina und ich rannten die Treppe hinunter, knieten uns neben ihn, fühlten ihm den Puls, da begann er sich wieder zu regen. "Mensch, Thomas!" rief Ina entgeistert. Thomas stöhnte laut auf vor Schmerzen.
"Ich rufe sofort den Rettungswagen!" stieß ich atemlos hervor. Zehn Minuten später war der Notarzt da. Thomas wurde auf eine Bahre gelegt, Ina begleitete ihn ins Krankenhaus. Dort stellte sich heraus, dass er Glück im Unglück gehabt hatte: einige Rippen und der rechte Unterarm waren gebrochen, außerdem hatte er viele blaue Flecken.
Ina besuchte ihn fast täglich, und eines Tages gestand sie mir, dass sie wieder mit Thomas zusammenleben wollte.

Als ich das erfuhr, war ich maßlos schockiert, ich war wütend, verzweifelt, völlig am Boden zerstört.
An der Universität hörte ich mich nach einer anderen Wohnmöglichkeit um, kam glücklich in einer WG unter, machte mein Examen mit Ach und Krach, aber es reichte, und zog in eine andere Stadt.
Dann hatte ich eines Tages beruflich wieder in der Stadt zu tun, in der ich studiert hatte. Ich blieb dort über Nacht, und an jenem Abend im November traf ich mit Thomas zusammen. Fast hätte ich ihn übersehen, er ging auf der gegenüberliegenden Straßenseite, dunkel gekleidet. Er jedoch hatte mich bemerkt und kam zu mir herüber:
"Hallo Basti! Kaum zu glauben, dass wir uns hier treffen. Wie geht's? Bist du immer noch sauer wegen damals?"
"Naja, war nicht gerade einfach. Aber inzwischen geht's mir wieder ganz gut. Und wie geht's dir und Ina?"
"Frag lieber nicht. Wir sind schon seit langem nicht mehr zusammen."
"Und wo steckt Ina jetzt?"
"Tja, genau weiß ich das auch nicht. Vielleicht ist sie noch beim Nächsten oder schon beim Übernächsten oder..."
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo HansenFlensburg,

Dein Text liest sich in meinen Augen wie eine Gegenstandsbeschreibung. Detailverliebt und ein bisschen zu emotionslos für meinen Geschmack. Zum Glück sind die Geschmäcker verschieden. Vielleicht findet sich ja noch ein echter Liebhaber...

Einen schönen Tag wünscht Dir
NDK
 



 
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