Auszeit

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Aligator

Mitglied
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus, ich kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. Und dann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geklotzt, Elvira breit gegrinst und dabei genickt – und er ging.
Das war vor drei Stunden geschehen. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf die grüne Bank. Die kannte er schon von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles rumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des öfteren auf der Couch, starrte in den Fernseher und verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil des Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, lallte sie.
Elvira trank seit Thorsten, seinem Zweiten. Es war ein Wochenendding. Sie warf ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu. Dann ging sie ins Schlafzimmer - sie wollte ja nicht vor den Kindern saufen - und kam und ging immer wankender, bis sie dann auf allen Vieren umherkroch.
In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.
Kantmann schlug sie, auch wem ihn ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“
Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried einfach ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue freie Bank suchen?
„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.
„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“
„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“
„Ja Prima, was macht die Werkstatt?“
„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“
„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“
„Nee, bei ner andern.“
Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.
„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“
Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.
Da zog er von dannen, dieser Bernd, mit seinem Trenchcoat.
„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“

Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er nun durch die Fußgängerzone, schaute in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hippster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. Mag sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so.
Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider machen Leute.
„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit machten doch Leute Leute.“
Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Aber wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen bei einem Kaffee. Nicht nur mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die stundenlangen Diskussionen mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte.
Doch das war doch alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber dennoch, da war dieser Junge gewesen: Ein Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken, der ihn an Tim, seinen Sohn erinnerte. Und der hatte ihn angeguckt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. Und da hat Kantmann einfach grinsen müssen. Auch wenn es nur eine Art Reflex war, es hatte funktioniert.

Die Erinnerung an den Jungen ließ Kantmann lächeln.
Nun richtete er sich auf, zog die Abendbrise tief ein und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam und wie in einer Zeremonie ließ er das Feuerzeug knipsen, ließ die Glut knistern, pustete den blauen Dunst in Richtung Sonne.

Da begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich?
Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim.
„Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er leise lächelnd vor sich hin.
 
A

aligaga

Gast
Wow! Endlich mal ein prekäres Bild, das ohne den üblichen Betroffenheits-Kitsch auskommt und gerade deshalb so gut wirkt. Schön klar gezeichnet, guter Aufbau, gute Details.

TTip: Glotzen besser mit "g"; das "Wochendding" ist unverständlich. Ein bisschen auf die Kommatas und die Zeiten achten.

Coole Nummer!

aligaga
 

Aligator

Mitglied
Freut mich, dass es dir gefällt! Danke für die Tipps (ich muss wohl Glotzen aus meinen Wortschatz nehmen, jedes Mal ...).

Liebe Grüße,
Steffen
 

Aligator

Mitglied
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus, ich kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. Und dann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geglotzt, Elvira breit gegrinst und langsam genickt – und er ging.
Das war vor drei Stunden geschehen. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf die grüne Bank. Die kannte er schon von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles rumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des öfteren auf der Couch, starrte in den Fernseher und verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil des Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, lallte sie.
Elvira trank seit Thorsten, seinem Zweiten. Fast jedes Wochenende. Sie warf ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu. Dann ging sie ins Schlafzimmer - sie wollte ja nicht vor den Kindern saufen - und kam und ging immer wankender, bis sie dann auf allen Vieren umherkroch.
In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.
Kantmann schlug sie, auch wem ihn ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“
Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried einfach ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue freie Bank suchen?
„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.
„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“
„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“
„Ja Prima, was macht die Werkstatt?“
„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“
„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“
„Nee, bei ner andern.“
Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.
„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“
Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.
Da zog er von dannen, dieser Bernd, mit seinem Trenchcoat.
„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“

Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er nun durch die Fußgängerzone, schaute in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hippster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. Mag sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so.
Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider machen Leute.
„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit machten doch Leute Leute.“
Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen bei einem Kaffee? Nicht nur mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die tiefen und anregenden Gespräche mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte.
Doch das war doch alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber dennoch, heute morgen, da war dieser Junge gewesen: Ein Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken, der ihn an Tim, seinen Sohn erinnerte. Und der hatte ihn angestarrt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. Und da hat Kantmann einfach grinsen müssen. Auch wenn es nur eine Art Reflex war, es hatte funktioniert. Es hatte ihn berührt.

Mit dieser Erinnerung richtete er sich auf, zog die Abendbrise tief ein und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam und wie in einer Zeremonie ließ er das Feuerzeug knipsen, ließ die Glut knistern, pustete den blauen Dunst in Richtung Abendsonne.

Da begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich?
Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim.
„Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er noch leise vor sich hin.
 
A

aligaga

Gast
Hallo @aligator,

hier ein paar TTips, mit denen du vielleicht etwas anfangen magst:
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt [blue]Komma[/blue] saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter [blue]besser: ..., auf einen zerdrückten Zigarettenfilter am Boden starrend[/blue]. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus[blue]. I[/blue]ch kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. [blue][strike]Und[/strike] D[/blue]ann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geglotzt, Elvira breit gegrinst und langsam genickt – und er [blue]war gegangen[/blue].

Das [blue][strike]war vor[/strike] lag erst [/blue]drei Stunden [blue][strike]geschehen[/strike] zurück[/blue]. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf [blue]eine[/blue] grüne Bank. Die kannte er schon von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles [blue]he[/blue]rumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des [blue]Ö[/blue]fteren auf der Couch, starrte in den Fernseher [blue]Komma [strike]und[/strike][/blue] verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil eines Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, [blue]hatte sie gelallt[/blue]. Elvira trank seit Thorsten[blue]s Geburt[/blue], seinem Zweiten. Fast jedes Wochenende. Sie [blue]hatte[/blue] ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu[blue]geworfen, d[/blue]ann ging sie ins Schlafzimmer[blue]. S[/blue]ie wollte ja nicht vor den Kindern saufen [blue]Komma[/blue] [strike][blue]und[/blue][/strike] kam und ging immer wankender, bis sie [strike][blue]dann[/blue][/strike] auf allen Vieren umherkroch. In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.

Kantmann [blue]hatte sie geschlagen[/blue], [strike]auch wem[/strike][blue] obwohl[/blue][strike][blue] ihn[/blue][/strike] ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich [blue](noch?) [/blue]für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“

Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried [strike][blue]einfach[/blue][/strike] ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue freie Bank suchen?

„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.

„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“

„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“

„Ja [blue]p[/blue]rima, was macht [blue](denn?) [/blue][blue]deine[/blue] Werkstatt?“

„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“

„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“

„Nee, bei ner andern.“ Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.

„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“ Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.

Da zog er von dannen, dieser Bernd, [blue]in[/blue] seinem Trenchcoat.

„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“ Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er [strike][blue]nun[/blue][/strike] durch die Fußgängerzone, [blue]blickte[/blue] in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hip[strike][blue]p[/blue][/strike]ster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. [blue]Mochte[/blue] sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so. Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider[blue] machten [/blue]Leute!

„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit [blue]machen[/blue] doch Leute Leute.“ Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen [blue]Komma[/blue] bei einem Kaffee? Nicht nur mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die tiefen und anregenden Gespräche mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte. Doch das war [strike][blue]doch[/blue][/strike] alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber [strike][blue]dennoch,[/blue][/strike] heute morgen, da war dieser Junge gewesen: Ein [blue]etwa[/blue] Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken, der ihn an Tim, seinen Sohn erinnerte [blue]Das kann nicht stimmen! Weiter oben ist Thorsten das jüngere der beiden Kinder; beide können rennen - folglich muss Tim, der Ältere, älter als drei Jahre sein. Vorschlag "... der ihn an seinen Jüngsten erinnerte". Der fremde Junge[/blue] hatte ihn angestarrt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. [strike][blue]Und[/blue][/strike] [blue]D[/blue]a hat[blue]te[/blue] Kantmann einfach grinsen müssen. Auch wenn es nur eine Art Reflex war, es hatte funktioniert. Es hatte ihn berührt.

Mit dieser Erinnerung richtete er sich auf, zog die Abendbrise tief ein und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam, [strike][blue]und[/blue][/strike] wie in einer Zeremonie [blue]Komma[/blue] ließ er das Feuerzeug knipsen, [strike][blue]ließ[/blue][/strike] die Glut knistern [blue]und[/blue] pustete den blauen Dunst in Richtung Abendsonne.

[blue]Dann[/blue] begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich? Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim. „Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er noch leise vor sich hin.
Besser auf die Logik der Absätze aufpassen, die Sätze nicht so oft mit "und" beginnen und vielleicht ab und zu einen Strichpunkt machen. In dem Stück kommt gar keiner vor - dabei ist das Semikolon eines der besten "und"-Substitute!

Heiter immer wieder weiter

aligaga
 

Aligator

Mitglied
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt, saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus, ich kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. Dann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geglotzt, Elvira breit gegrinst und langsam genickt – und gegangen.
Das war drei Stunden her. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf die grüne Bank. Er kannte sie von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles herumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des Öfteren auf der Couch, starrte in den Fernseher, verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil des Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, hatte sie gelallt.
Elvira trank seit Thorstens Geburt, seinem Zweiten. Fast jedes Wochenende. Sie warf ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Sie wollte ja nicht vor den Kindern saufen. Kam und ging immer wankender, bis sie auf allen Vieren umherkroch.
In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.
Kantmann schlug sie, auch wem ihn ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“
Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried einfach ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue freie Bank suchen?
„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.
„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“
„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“
„Ja Prima, was macht die Werkstatt?“
„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“
„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“
„Nee, bei ner andern.“
Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.
„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“
Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.
Da zog er von dannen, dieser Bernd, mit seinem Trenchcoat.
„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“

Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er nun durch die Fußgängerzone, schaute in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hippster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. Mag sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so.
Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider machen Leute.
„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit machten doch Leute Leute.“
Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen bei einem Kaffee? Nicht nur mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die tiefen und anregenden Gespräche mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte.
Doch das war doch alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber dennoch, heute morgen, da war dieser Junge gewesen: Ein Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken, der ihn an Tim, seinen Sohn erinnerte. Und der hatte ihn angestarrt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. Und da hat Kantmann einfach grinsen müssen. Auch wenn es nur eine Art Reflex war, es hatte funktioniert. Es hatte ihn berührt.

Mit dieser Erinnerung richtete er sich auf, zog die Abendbrise tief ein und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam und wie in einer Zeremonie ließ er das Feuerzeug knipsen, ließ die Glut knistern, pustete den blauen Dunst in Richtung Abendsonne.

Da begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich?
Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim.
„Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er noch leise vor sich hin.
 

Aligator

Mitglied
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt, saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus, ich kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. Dann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geglotzt, Elvira breit gegrinst und langsam genickt – und gegangen.
Das war drei Stunden her. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf die grüne Bank. Er kannte sie von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles herumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des Öfteren auf der Couch, starrte in den Fernseher, verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil des Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, hatte sie gelallt.
Elvira trank seit Thorstens Geburt, seinem Zweiten. Fast jedes Wochenende. Sie warf ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Sie wollte ja nicht vor den Kindern saufen. Kam und ging immer wankender, bis sie auf allen Vieren umherkroch.
In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.
Kantmann schlug sie, auch wem ihn ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“
Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue Bank suchen?
„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.
„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“
„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“
„Ja Prima, was macht deine Werkstatt?“
„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“
„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“
„Nee, bei ner andern.“
Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.
„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“
Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.
Da zog er von dannen, dieser Bernd, in seinem Trenchcoat.
„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“

Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er durch die Fußgängerzone, blickte in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hipster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. Mochte sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so.
Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider machten Leute.
„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit machen doch Leute Leute.“
Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen, bei einem Kaffee? Nicht mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die tiefen und anregenden Gespräche mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte.
Doch das war doch alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber dennoch, heute morgen, da war dieser Junge gewesen: Ein Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken, der ihn an Tim, seinen Sohn erinnerte. Und der hatte ihn angestarrt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. Und da hat Kantmann einfach grinsen müssen. Auch wenn es nur eine Art Reflex war, es hatte funktioniert. Es hatte ihn berührt.

Mit dieser Erinnerung richtete er sich auf, zog die Abendbrise tief ein und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam und wie in einer Zeremonie ließ er das Feuerzeug knipsen, ließ die Glut knistern, pustete den blauen Dunst in Richtung Abendsonne.

Da begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich?
Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim.
„Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er noch leise vor sich hin.
 

Aligator

Mitglied
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt, saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus, ich kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. Dann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geglotzt, Elvira breit gegrinst und langsam genickt – und gegangen.
Das war drei Stunden her. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf die grüne Bank. Er kannte sie von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles herumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des Öfteren auf der Couch, starrte in den Fernseher, verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil des Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, hatte sie gelallt.
Elvira trank seit Thorstens Geburt, seinem Zweiten. Fast jedes Wochenende. Sie warf ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Sie wollte ja nicht vor den Kindern saufen. Kam und ging immer wankender, bis sie auf allen Vieren umherkroch.
In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.
Kantmann schlug sie, auch wem ihn ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“
Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue Bank suchen?
„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.
„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“
„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“
„Ja Prima, was macht deine Werkstatt?“
„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“
„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“
„Nee, bei ner andern.“
Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.
„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“
Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.
Da zog er von dannen, dieser Bernd, in seinem Trenchcoat.
„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“

Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er durch die Fußgängerzone, blickte in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hipster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. Mochte sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so.
Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider machten Leute.
„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit machen doch Leute Leute.“
Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen, bei einem Kaffee? Nicht mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die tiefen und anregenden Gespräche mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte.
Doch das war doch alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber dennoch, heute morgen, da war dieser Junge gewesen: Ein etwa Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken. Der hatte ihn angestarrt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. Da hatte Kantmann einfach grinsen müssen. Es hatte ihn berührt.

Mit dieser Erinnerung richtete er sich auf, zog die Abendbrise tief ein und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam, wie in einer Zeremonie, ließ er das Feuerzeug knipsen, die Glut knistern und pustete den blauen Dunst in Richtung Abendsonne.

Dann begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich?
Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim.
„Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er noch leise vor sich hin.
 

Aligator

Mitglied
Kantmann wusste nicht mehr weiter. Den Kopf aufgestützt, saß er im Stadtpark auf einer Bank und starrte auf einen zerdrückten Zigarettenfilter. Er vernahm das Knirschen der Schritte, die Unterhaltungen der Leute und auch das Vogelgezwitscher. Der Stadtverkehr rauschte nicht fern.

„Elvira, es ist aus, ich kann nicht mehr!“, hatte er gesagt. Dann war er aufgestanden vom Esstisch - die Buben hatten mit dem Geschnatter aufgehört und verblüfft geglotzt, Elvira breit gegrinst und langsam genickt – und gegangen.
Das war drei Stunden her. Kantmann hatte es nicht weit gebracht auf seiner Flucht, gerade mal in den Stadtpark auf die grüne Bank. Er kannte sie von Spaziergängen mit den Kindern.

Er liebte seine Jungs. Natürlich, sie waren sein ganzer Stolz. Auch wenn es ihm in letzter Zeit zu stressig wurde. Und zu laut. Besonders abends, wenn sie in der Wohnung umherrannten, alles herumliegen ließen, ihr gellendes Lachen ihm in den Ohren schepperte, da saß Kantmann des Öfteren auf der Couch, starrte in den Fernseher, verstand nichts mehr von den Nachrichten oder was da sonst lief, sah nur noch durch alles durch, als wäre er nicht Teil des Ganzen. Aber so war das halt mit Kindern.

„Du bist das Allerletzte, du fettes Schwein! Warum hab ich ausgerechnet dich geheiratet? Schau dich doch an! Wie du dahockst und schweigst ... Versager!“, hatte sie gelallt.
Elvira trank seit Thorstens Geburt, seinem Zweiten. Fast jedes Wochenende. Sie warf ihm diesen Wart-nur-ab-was-du-davon-hast-Blick zu. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Sie wollte ja nicht vor den Kindern saufen. Kam und ging immer wankender, bis sie auf allen Vieren umherkroch.
In diesem Zustand war ihr alles egal. Sie fluchte, geiferte und kotzte.
Kantmann schlug sie, auch wem ihn ihm klar war, dass es nichts ändern würde. Es brachte ihm auch keine Befriedigung. Er wollte die Sauferei treffen, nicht die Frau, die er liebte. Und er liebte sie wirklich noch. Sie war die Mutter seiner Kinder, sein Leben. Doch was war das eigentlich für ein Leben?

„Mensch, Kuno? Bist du das?“
Oh nein, da stand einer vor ihm! Jetzt musste er aufsehen, grüßen, reden. Sollte er diesen Störenfried ignorieren? Oder einfach aufstehen und sich eine neue Bank suchen?
„Grüß dich, Bernd“, kam aus ihm hervor.
„Dich hab ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was treibst du denn so? Wie geht‘ s Elvira?“
„Gut. Den Kindern geht‘ s auch gut.“
„Ja Prima, was macht deine Werkstatt?“
„Gibt‘ s nicht mehr. Seit drei Jahren. Ich arbeite jetzt bei einer Wachfirma.“
„Ach so ... bei Schlüssel-Schmitt?“
„Nee, bei ner andern.“
Kantmann starrte Bernd angewidert an, was diesem natürlich nicht entging.
„Na dann“, sagte Bernd, „ich muss weiter, grüß Elli und die Kinder!“
Der Störenfried hatte sich schon von ihm abgewandt und seinen Weg fortgesetzt, als Kantmann noch ein „mach ich“ hervorbrachte.
Da zog er von dannen, dieser Bernd, in seinem Trenchcoat.
„Wer in aller Welt trägt heutzutage noch Trenchcoats? Außer Exhibitionisten, vielleicht.“

Kantmann interessierte sich seit neustem für Mode. Vor zwei Wochen, nach der Arbeit, da war er in so einer Laune gewesen. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Da lief er durch die Fußgängerzone, blickte in dieses und jenes Schaufenster und verglich die Puppen mit seinem Spiegelbild. Elegante Dreiteiler, aber auch Hipster-Jeans. Kaufen wollte er nichts. Er war auf der Suche nach etwas. Mochte sein, dass er sich selbst neu erfinden wollte. Kuno Kantmann – ein Mann mit Stil und Eleganz, oder so.
Er würde mit einem neuen Outfit beginnen. Kleider machten Leute.
„Unsinn“, dachte er sich. „In Wirklichkeit machen doch Leute Leute.“
Mangelte es ihm nicht vielmehr an Gesellschaft?

Wer sollte ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen, ihn ansprechen, ihn vielleicht sogar in eine nette Unterhaltung einladen, bei einem Kaffee? Nicht mit oberflächlichem Gerede, eher so, wie die tiefen und anregenden Gespräche mit Elvira damals, als sie sich kennengelernt hatten, noch bevor es bei ihnen gefunkt hatte.
Doch das war doch alles äußerst unwahrscheinlich. Die Wege waren breitgetreten und die Gesichter die immergleichen.

Aber dennoch, heute morgen, da war dieser Junge gewesen: Ein etwa Dreijähriger mit seinem Eis, den Mund ganz verschmiert. Ein Zwerg mit braunen Locken. Der hatte ihn angestarrt, wie es Kinder in diesem Alter eben tun, hatte ihn mit seinen großen Mandelaugen tief in die Seele geschaut und dabei keine Gefühlsregung, kein Anzeichen von Scham gezeigt. Da hatte Kantmann einfach grinsen müssen. Es hatte ihn berührt.

Mit dieser Erinnerung richtete er sich auf und griff nach den Zigaretten in der Jackentasche. Langsam, wie in einer Zeremonie, ließ er das Feuerzeug knipsen, die Glut knistern und pustete den blauen Dunst in Richtung Abendsonne.

Dann begann er leise in sich hineinzulachen. Was tat er da eigentlich?
Kopfschüttelnd und grinsend erhob er sich und ging heim.
„Der Bernd mit seinem Trenchcoat“, sagte er noch leise vor sich hin.
 



 
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