Autsch -- Winterzeit!

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ibini

Mitglied
Autsch, quiekt die Nacht, und das ist nicht gelogen,
denn jemand hat sie etwas unsanft an den Haaren gezogen.

„Wer? Na, wer wohl, natürlich dieser völlig verrückte Tag,
der sich einen Teufel drum schert, ob ich bereits schlafen mag.

Pünktlich wie ein Maurer, kommt er viel zu lang schon zur gleichen Stunde
selbst wenn ich putzmunter – wie gerne drehte ich noch die eine oder andere Runde.

Tagsüber hellwach, was soll ich nur tun? Ich muß doch schlafen,
sonst bin ich abends hundemüde – man müßte den Kerl mal bestrafen!

Ich würde ihm ja selber eine verpassen, aber das hat keinen Zweck,
es ist zum Kinderkriegen: bin ich da, ist er fort, ist er hier, bin ich weg.

Nur einmal im Jahr kann ich ihn, weil er sehr vergeßlich, auf dem linken Fuß erwischen,
nämlich Ende Oktober, wenn die Uhren zurückgestellt werden, und – es kommt nichts dazwischen.

Dann steht er eine Stunde zu früh auf der Matte, und ich lach mich schief, nicht er –
ich weiß, umwerfend ist das grad nicht, doch verglichen mit nichts ein bisserl mehr.“​
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich finde das Gedicht ungewöhnlich, in einem freien, aber (fast) genauen Rhythmus.

Und es lebt von der Idee.

Dabei würde ich aber noch folgende Änderung machen:

selbst wenn ich putzmunter [red]bin[/red] – wie gerne drehte ich noch die eine oder andere Runde.

Viele Grüße von Bernd
 
L

Lutz Menard

Gast
Hallo ibini,

über den Rhythmus bzw. die Metrik kann man sicher in einigen Punkten streiten, aber ich finde den Gedanken höchst originell!

Gruß
LuMen
 

ibini

Mitglied
Hallo Bernd,

offenbar hast Du die Wasserschöpferei inzwischen gut überstanden. Jedenfalls schön, von Dir zu hören:

Mit Deinem Ergänzungshinweis voll einverstanden, wirkt die Passage dann abgerundeter. Das Gedicht lebt von der Idee, das stimmt natürlich. Aber das gilt ja für vieles im Leben. Sonst müßte wie teilweise in früheren Jahren im wesentlichen der Formalist im Mittelpunkt stehen, weniger der Dichter. Ein Beispiel ist hier Platen. Aber selbst der hat mit ziemlichen Tricks gearbeitet, um der Form gerecht zu werden. Und gerade der Rhythmus hat in diesem Spiel seine eigenen Regeln (am liebsten würde ich sagen, seinen eigenen Kopf). Ich neige jedenfalls dazu, in dieser Hinsicht mehr auf „Freiheit“ zu setzen. Das sollte aber nicht ausschließen, sich auch mit dem strengeren Teil der Dichterei zu befassen, selbst wenn das Ergebnis nicht mehr als ein dürftiges Gebilde sein mag. Auf alle Fälle bleibt ein gewisser erzieherischer Wert, wenn das auch nicht unmittelbar etwas bringt. Vielleicht noch, um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich gibt es auch heute Gedichte, die bestimmte strenge Formen verlangen, zum Beispiel Haiku oder Sonett. Und wenn schon gereimt, dann muß ich mich eben an die Regeln halten. Auf der anderen Seite sollte man aber die vielen Freiheiten, die sich heute bieten, auch nutzen bzw. nutzen dürfen. Und gerade in dieser Hinsicht kommt dem Rhythmus eine besondere Stellung zu, weil er eigentlich in der Praxis kaum allübergreifend erfaßbar sein dürfte. Und ein Formalist zu werden, ist nicht gerade meine Absicht.

Mit Gruß
ibini
 

ibini

Mitglied
Hallo LuMen,

Dank Dir für den Kommentar. Rhythmus, Metrik … sicher kann man feste und lange darüber diskutieren. Die Regeln der „Dichtkunst“ haben zweifellos ihren Wert. Auf der anderen Seite halte ich es für gut, daß die Freiheiten auch in diesem Bereich gewonnen und dadurch zu einer gewissen Vielfalt beigetragen haben. Es gab mal eine Zeit, da galt die Form mehr als der Inhalt (zum Beispiel Platen). Ein Korsett, das der „Schreiberei“, wie ich meine, nicht die Impulse gegeben hätte, wie wir sie heute kennen. Doch wie auch: Am Anfang steht wohl immer die Idee (oder sollte ich besser sagen „eine“ Idee, da diese sich ja durchaus wandeln kann).

Mit Gruß
ibini
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Ibini,

es mag anders klingen, wenn ich schreibe, aber ich fühle die Rhythmik, ich berechne sie nicht, und gerade deshalb finde ich Dein Gedicht gelungen. Mir ist es auch geglückt, es aus den "roten Zahlen" zu holen.

Ich arbeite nicht mit Tricks, ich fühle die Form. Wahrscheinlich schmerzen falsch gestaltete Gedichte irgendwie. Deins hier aber finde ich gut.

Viele Grüße von bernd
 

ibini

Mitglied
Hallo Bernd,

dann sind wir uns in etlichem ähnlich. Zweifellos wirkt ein Gedicht, das aus dem Inneren entstanden ist, eigene Ideen, Gefühle oder Erfahrungen wiedergibt, natürlicher als jenes, das sein Dasein nur purem Schematismus zu verdanken hat. Deshalb ist mir eigentlich schon die Silbenzählerei beim Haiku ein Greuel. Zum Glück hält sich die ja noch in Grenzen. Und wenn ich von Tricks sprach, so meinte ich um Himmelswillen nicht Dich! Es waren halt zu jener Zeit manchmal die einzigen (durchaus legalen) Möglichkeiten, um der alles bestimmenden Form zu genügen. Und selbst was das Reimen angeht, so wird nicht selten bei einem der Großen ein Auge zugedrückt. Um noch einmal auf Platen zu kommen, der ja wahrlich nicht als einer der bedeutendsten Dichter gilt. Für ihn sollen seine Kunstgriffe mit der Zeit so selbstverständlich gewesen sein, daß er gar nicht mehr anders konnte. Aber okay, jeder Handwerker hat seine Tricks, für ihn letztlich sein Kapital.

Bliebe noch der Rhythmus. Für mich im wesentlichen eine Gefühlssache. Die Zusammenhänge zwischen innerem und äußerem Rhythmus, ihr Zusammenspiel mit dem Takt sowie dem melodischen Gefälle und was es da noch alles gibt – wäre das jedesmal eine Pflichtübung, ich glaube, eher würde ich die Schreiberei an den Nagel hängen. Außerdem sind das Fragen, die stark von dem jeweiligen Individuum und seinem Befinden abhängen.

Ach ja, da ist noch die Sache mit den „roten Zahlen“! Ich habe es wohl bemerkt, konnte (und kann noch immer nicht) mir aber keinen Reim darauf machen. Für mich ist es eigentlich nur die Bestätigung meiner schon des öfteren geäußerten Meinung. Und damit alles andere als ein Grund, diese zu ändern. Ich habe absolut nichts gegen Anonymität in der Person, nur gegen Mauscheleien unter dem Ladentisch. Es muß und kann nicht jedem gefallen, was ich mache. Und mit fundierter, begründeter Kritik aller Härtegrade kann ich ganz gut leben. Wenn jemand unseren Literaturpapst im Fernsehen dazu bringen könnte, zum Beispiel ein Gedicht von mir durch die Gegend zu wedeln und zu erklären, welcher Mist das ist und warum, dem würde ich … na ja, das zu überlegen, bleibt noch genügend Zeit! Näher liegend, gerade das Thema sollte für mich, da letztlich unwichtig, tabu sein!

Ich wünsche Dir eine gute Nacht
ibini
 



 
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