Ballade vom Straßenmädchen (gelöscht)

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Sidgrani

Mitglied
Hallo Drickes,

du erzählst uns mit nüchternen Versen und mit gekonnten Zeilensprüngen eine ganze, nachdenklich machende Geschichte. Mir gefällt sie sehr gut, zumal deine Zeilen auch eine Reihe von trostlosen und für dieses Gewerbe typischen Bildern vor meinen Augen entstehen lassen.

Schön, dich auf diese Art kennengelernt zu haben.

Gruß Sidgrani
 
T

Trainee

Gast
Hallo Drickes,

insgesamt auch für mich ein gutes Gedicht.
An einigen (wenigen) Stellen kommt es sprachlich allerdings noch etwas ungelenk rüber:
BALLADE VOM STRAßENMÄDCHEN

Der Regenschauer hat die Dächer
gesäubert von Sahara-Staub.
Zum Rinnstein rollen leere Becher
vom Take-away wie welkes Laub.

In kurzer, enger Wetlook-Hose
es schwingt im Wechsel her und hin
[blue](schwingt viel im Wechsel her und hin?)[/blue]
mit [blue](in?)[/blue] weiblich lustbetonter Pose,
wonach sich richtet Freiers Sinn.
[blue](gerichtet auf des Freiers Sinn?) [/blue]

Zwei Stöckelstiefel eilends [blue](siehst du eilends?)[/blue] streben
am Straßenrand zur Wagentür.
Gespreizte Schenkel Hoffnung geben
ad hoc auf schnelles Mannspläsier.

Bekleidung sucht sich keine Bügel
in Anbetracht der Eile. Und
- hernach [blue](danach?)[/blue] - beim Lidstrich vor dem Spiegel[blue]:[/blue]
[blue]D[/blue]as Mädchen weint die Augen wund.

Die Stiefel finden, wie befohlen
durchs Handy, zum gewohnten Ort.
Den Liebeslohn kommt jemand holen
und rast im Porsche wieder fort.

Im Gully finden sich die Kippen
von jedem abgerauchten Joint
nach zielgenauem Fingerschnippen,
bis dass kein Neonlicht mehr scheint.
Die kleinen Unebenheiten konzentrieren sich also auf den mittleren Teil.
Der Rest gefällt mir super. :) Die Tristesse ist ausgezeichnet eingefangen und "zeitgemäß" umgesetzt.

Grüße
Trainee
 

Drickes

Mitglied
Ballade vom Straßenmädchen

Hallo Sidgrani,
es freut mich, dass dir meine Zeilen gefallen haben.
Mit Dank und Grüßen
 

Drickes

Mitglied
Ballade vom Straßenmädchen

Hallo Trainee,
vielen Dank für deinen Kommentar,
der mich zu kleineren Änderungen veranlasst hat.
 

James Blond

Mitglied
An dieser Sozialballade gibt es auch nach dem 4. Entwurf noch eine ganze Menge zu korrigieren.

Ich hätte mir normalerweise nicht die Mühe gemacht, solch ein Gedicht bis ins Detail zu kommentieren und wäre üblicherweise kopfschüttelnd darüber hinweg gegangen, wenn nicht zuvor hiesige Koryphäen sich derart positiv dazu geäußert hätten. Das - und nicht etwa das Gedicht - hat mich - offen gestanden - so entsetzt, dass ich mich wiederholt gefragt habe, ob ich hier noch im richtigen Forum bin.

Der Regenschauer hat die Dächer
gesäubert von Sahara-Staub.
Zum Rinnstein rollen leere Becher
vom Take-away wie welkes Laub.

[blue]Seit wann rollt denn welkes Laub?[/blue]

In enger Wetlook-Damenhose
[red]es schlenkert schwungvoll her und hin[/red]
mit weiblich lustbetonter Pose,
[red]wonach sich richtet Freiers Sinn.
[/red]

[blue]Gleich zwei nicht nur unschöne, sondern sinnentstellende Inversionen. Auch charakterisiert "schlenkern" den weiblichen Gang nicht gerade treffend.[/blue]


[red]Zwei Stöckelstiefel eilends streben
am Straßenrand zur Wagentür.
Gespreizte Schenkel Hoffnung geben
ad hoc auf schnelles Mannspläsier.[/red]

[blue]Hier entfalten die Inversionen bereits eine - vermutlich ungewollte - humoristische Komponente. Ist dir Frederike Kempner, der "Schlesische Schwan" ein Begriff? die letzten beiden Verse haben mich sofort an ihr Werk erinnert.[/blue]

[red]Bekleidung sucht sich keine Bügel
in Anbetracht der Eile. Und[/red]
Die beiden Verse zerstören sich gegenseitig:
Sofern im 1. Vers eine "lyrische" Umschreibung für Eile versucht wird, braucht das nicht auch noch im Beamtenjargon wiederholt zu werden.

[red]- hernach - beim Lidstrich vor dem Spiegel
das Mädchen weint die Augen wund.[/red]

[blue]Nein, das ist keine Sozialballade mehr, das ist inversiver und zugleich invasiver Sozialkitsch, schwer zu ertragen. Übrigens: Das "hernach" hatte mir die wohlwollend kommentierende Vorgängerin einst als völlig unzeitgemäß angekreidet. Ich bin da allerdings anderer Ansdicht.[/blue]

Die Stiefel finden, wie befohlen
durchs Handy, zum gewohnten Ort.

[blue]Wiederum verdrehte Formulierung. Auch die Kommata vermögen die Sinnenstellung der Inversion nicht mehr gerade zu rücken: Die Stiefel finden hier durchs Handy zum Ort. Wie passen sie da nur durch? ;) Gleich wieder an Frau Kempner gedacht. [/blue]

Den Liebeslohn kommt jemand holen
und rast im Porsche wieder fort.

[blue]Der Porsche fahrende Zuhälter gehört natürlich auch ins Klischee. Die Hamburge Lodls stehen allerdings eher auf Corvette.
[/blue]

Im Gully finden sich die Kippen
von [red]jedem [/red]abgerauchten Joint

[blue]Wirklich von jedem? Warum ist das wichtig?[/blue]

nach zielgenauem Fingerschnippen,
bis dass kein Neonlicht mehr scheint.

[blue]"Bis dass" wird üblicherweise für ursächliche Verknüpfungen verwendet, z. B. "bis dass der Tod uns scheidet". Dass man mit zielgenauem Fingerschnippen von Jointkippen die Neonlichter auszuschalten vermag, eröffnet mir hier neue lyrische Horizonte. [/blue]
Dieses Gedicht versucht sich als soziale Ballade und steht damit in einer großen Tradition von Heine bis Brecht. Das ist anzuerkennen. Allerdings erfolgt hier kein genauer, analytischer, aufklärender Blick in eine triste Realität, sondern das Geschehen wird aus der Perspektive des "Tatort"-Fernsehzuschauers kollageartig auf Nebensächlichkeiten (Handy, Wetlook, Take away, Joint) reduziert, wodurch zwar Modernität suggeriert wird, die lyrische Betrachtung sich aber an Oberflächlichkeiten abarbeitet, ohne auf die tatsächlichen Mechanismen von Sex und Geschäft einzugehen. Vielmehr wird bereits vorhandenes Wissen durch entsprechende Reizworte angesprochen, um so den moralischen Schmelz der Empfindung abzuschöpfen wie den Speichelfluss des Pawlowschen Hundes beim Ertönen der Glocke.

Nein, das ist keine Soziale Ballade, das ist sentimentalistische Betroffenheitslyrik in ihrer schwächsten Form. Es macht mich betroffen, dass hier Texte wie dieser mit 9 benotet oder als "gutes Gedicht" bezeichnet werden, denn davon ist es jenseits aller geschmacklichen Differenzen meilenweit entfernt.

Tut mir leid, wenn ich das hier einmal so deutlich aussprechen muss.

Grüße
JB
 
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