Befehlsdosis

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Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Befehlsdosis

„Fukushima, Fukushima – immer nur Fukushima! Ich kann es nicht mehr hören, geschweige denn sehen!“
Mit diesen Worten greift meine Frau zur Fernbedienung und zappt sich so lange durch die Programme, bis sie eine ihrer so geliebten Kochshows gefunden hat.
Ich kann ihr Verhalten nur teilweise nachempfinden. Ein wenig verärgert, erhebe ich mich von der Couch, begebe mich auf den Balkon und zünde mir eine Zigarette an.

Das Bild von den japanischen Feuerwehrleuten will mir nicht aus dem Kopf gehen. Äußerlich gefasst und ohne erkennbare Regung in den Gesichtern, nahmen sie den Befehl entgegen, sich dorthin zu begeben, wo die Kernstrahlung einen Aufenthalt eigentlich verbietet. Als geschulte Leute müssten sie doch wissen, dass ihre feuerroten Schutzanzüge, nur so heißen, aber gar nicht schützen. Was mag in den Köpfen dieser Männer, die im Begriff sind, ihre Gesundheit oder gar ihr Leben zu verlieren, wirklich vorgehen?

Mir ist kalt. Ich hätte eine Jacke überziehen sollen. Damals herrschte brütende Hitze.
Damals?
Wie komme ich plötzlich darauf?
Fast dreißig Jahre ist das her! Ich sehe mich mitten unter meinen Kameraden im Stabszelt sitzen – das Notizbuch auf den Knien. Wir starren auf den großen Tisch, auf dem die topographische Karte ausgebreitet liegt. Es ist stickig in dem Zelt. Draußen sorgt die Nacht bereits für eine leichte Abkühlung. Hier drinnen rinnt uns noch immer der Schweiß über den Rücken, und die Augen tränen vom Zigarettenqualm.
Der Stabschef unseres Pionier-Bataillons ist aufgestanden und tippt mit dem Zeigefinger auf den fetten roten Punkt auf der Karte. Um diese Stelle sind verschiedenfarbige Ringe gezogen. Sie markieren Sektoren unterschiedlicher Strahlungsintensität.
„Ich fasse zusammen! Der Kernschlag hat unter anderem auch die strategisch wichtige Oder-Brücke völlig zerstört. Unsere Aufgabe ist es, eine Behelfsbrücke zu schlagen. Wir haben dafür genau vierundzwanzig Stunden Zeit, dann muss der Nachschub wieder nach Westen rollen.“
Er richtet sich auf und lässt den Blick über seine Offiziere schweifen. Schließlich treffen seine Augen mich.
„Genosse Oberleutnant! Wie lautet Ihr Entschluss?“
Ich springe auf, merke nicht, dass der Hocker hinter mir umkippt. Nervös fummle ich am Koppelschloss herum und überfliege meine Notizen, ehe ich mit dem Vortrag beginne. Als einer der fünf Stellvertreter des Bataillonskommandeurs bin ich für den technisch-organisatorischen Ablauf auf der Brückenbaustelle verantwortlich. Und ich bin neu in dieser Funktion.
Ich wiederhole die Aufgabenstellung, erläutere einige technische Details und teile dann mit, dass eine aus vormontierten Stahlelementen bestehende Brücke zum Einsatz kommen soll.
„Ich benötige dafür lediglich die erste und zweite Kompanie, sowie zwei Züge der Gefechtssicherstellungskompanie und den Ramm-Zug. Der Rest des Bataillons kann in der Reserve verbleiben. Genosse Major – Ausführungen beendet“
Der Stabschef nickt, aber ich bin noch nicht entlassen. Er hat noch Fragen. Unter anderem will er wissen, warum ich mich für die Stahlbrücken-Variante entschieden habe. Die würde erhebliche Transportkapazitäten in Anspruch nehmen.
„Und warum scheidet eine Holzbrücke aus? Wir könnten das Material vor Ort gewinnen. Wozu haben wir drei Sägegatter?“
„Genosse Major, ich befürchte, dass es in einem weiten Umkreis von der Einschlagstelle keine Wälder mehr geben wird.“
Verhaltes Gelächter in der Runde, bevor es von den wütenden Blicken des Stabschefs erstickt wird. Er lässt meine Antwort unkommentiert, was einem Einverständnis gleich kommt und wendet sich an seinen Stellvertreter für Technik und Ausrüstung.
„Sie stellen unverzüglich das Marschband zusammen und melden mir in einer Stunde Vollzug. Abmarsch – null drei Uhr!“
Während der Angesprochene aufspringt und sein „Ja-wolll, Genosse Major!“ bellt, entsteht unter den betroffenen Kompaniechefs aufgeregtes Gemurmel.
„Noch Unklarheiten?!“, schnauzt der Major. Schon der Tonfall lässt erkennen, dass ihm an Fragen wenig gelegen ist.
Einer der Kompaniechefs hebt den Kopf und gibt mit zögernden Worten zu bedenken, dass er den Zeitpunkt für den Abmarsch für zu früh halte.
„Die Strahlenbelastung ist vor Ort noch viel zu hoch, wenn wir dort eintreffen.“
„Unsinn! Die Genossen werden unter kompletter Schutzausrüstung ihre Aufgabe erfüllen.“
„Ja, aber…“
„An der von mir festgelegten Befehlsdosis werden keine Abstriche zugelassen!“, faucht der Stabschef und lässt gefährlich tiefe Stirnfurchen erkennen.
„Damit wird die Quote der Totalausfälle bereits nach vierundzwanzig Stunden zwischen sechzig und siebzig Prozent liegen“, brummt unser Bataillonsarzt halblaut und handelt sich einen giftigen Blick ein. Eine Antwort erhält er nicht.
„In genau einer Stunde - Befehlsempfang - beim Bataillonskommandeur!“, hören wir stattdessen.
„Zu Befehl – Genosse Major!“, grummelt es zurück. Die Stimmung ist gereizt.
Langsam stehen wir auf und verlassen das Zelt. Die Kommandeure begeben sich zu ihren Einheiten und zerstreuen sich zwischen den Bäumen. Ich bin bereits ein paar Schritte gegangen, als ich auf den Bataillonsarzt treffe. Er lehnt an einem Kiefernstamm und stopft sich eine Pfeife. Wir kennen uns gut, stammen aus dem gleichen Ort und haben schon mehrere Reserveübungen gemeinsam absolviert. Im Zivilleben ist er Psychiater.
„Mich kotzen diese perversen Spielchen von Mal zu Mal mehr an“, faucht er, während er ein Streichholz aufflammen lässt.
„Siebzig Prozent Totalausfälle – zumindest laut Handbuch! Und der Rest der Truppe hätte auch nur noch Stunden oder Tage zu leben. Viel Arbeit für unsere Militärseelsorger.“
Er lacht gallig über diese Bezeichnung, mit der eigentlich die Politoffiziere gemeint sind. Es ist unter anderem deren Aufgabe, die Todeskandidaten bei Laune zu halten und die gewünschte Leistung abzufordern, so lange es irgend geht.
„Für einen solchen Befehl müsste man den Kerl über den Haufen schießen“, fährt der Doktor fort und ist dabei, sich um Kopf und Kragen zu reden.
„Nicht so laut“, zische ich. „Und außerdem – es ist doch nur ein Manöver.“
Er nickt bedächtig und stößt eine Qualmwolke gen Himmel.
„Befehlsdosis – welch abartige Umschreibung für ein Todesurteil mit langsamer Vollstreckung. Gebe Gott, dass wir so etwas nie im Ernstfall verantworten müssen“, knurrt der bekennende Atheist.

Schon wenige Jahre später, als Einzelheiten über die Katastrophe von Tschernobyl bekannt wurden, erinnerte ich mich wieder an diese beklemmende Szene im Stabszelt. Und jetzt sind die Bilder erneut da. Es hat Ernstfälle gegeben. Nicht kriegsbedingt, aber für die Betroffenen entsetzlich genug. Trotz des bitteren Geschmacks im Mund bin ich ein wenig froh – froh darüber, keine Verantwortung tragen zu müssen. Das macht es leichter, die Bilder zu verdrängen, sie nicht in den Alltag einbrechen zu lassen.

Ich drücke die Zigarette aus und setze mich wieder brav neben meine Frau.
Der Koch auf dem Bildschirm ist gerade dabei, saftig-roten Paprika zu schnippeln. Das Rot erinnert mich an die Farbe der Schutzanzüge der japanischen Feuerwehrmänner. Ist wohl doch nicht so einfach – das Verdrängen.
 
U

USch

Gast
Hallo Ralph,
ein beklemmender, gut nachzuvollziehender, authentisch wirkender Text (vermute, dass du bei der DDR-Armee warst, denn dein Motto ist ja >Schreib über das, was du kennst!<. Selten so eine politisch-emotionale Geschichte hier in der LL. Aber das finde ich gut, dass so eine Thematik mal aufgegriffen wird.
LG USch
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Usch,

besten Dank für deine Reaktion auf diesen kleinen Text. Bei einem Schreiblehrgang hat mir mir lediglich den Begriff Fukushima vor den Latz geknallt, und ich sollte mit Hilfe des Clusterverfahrens einen Text kreieren. Dies ist das Ergebnis.
Was deine Vermutung mit der NVA angeht, so stimmt das nicht ganz. Ich war nie Berufssoldat, gehöre aber einem Jahrgang an, bei dem man Studienabsolventen, die ihren Grundwehrdienst vor Studienbeginn (18 Monate) abgeleistet hatten, zu Reserveoffizieren beförderte. Das hatte den Nachteil, alle paar Jahre zum Reservedienst eingezogen zu werden. Bei einer solchen Übung gab es eine Situation, die mit der hier beschriebenen nahezu identisch ist.

Wow -soviel wollte ich gar nicht schreiben.

Gruß Ralph
 
U

USch

Gast
Hallo Ralph,
ja, mit dem Clustering kommt man zunächst mal etwas aus dem analytischen Kopf und schreibt weniger kopfgesteuert drauflos. Da kommen oft sehr kreative Texte heraus. Natürlich muss man dann in die Überarbeitung gehen. Aber da bist du ja Profi.
LG USch
 
Hallo Ralph,

beim Durcharbeiten älterer Texte bin ich gerade auf Deine Geschichte gestoßen. Die Thematik hat mich sehr berührt, wird doch offenkundig, wie wirklichkeitsfremd und menschenverachtend im militärischen Bereich oft agiert wird.

Ich selbst leistete Ende der Sechziger Jahre meine Reserveübungen bei einer Pioniereinheit am Rhein ab ( Erkundungsoffizier bzw. Kompaniechef). Die Ausgangslage war ähnlich: Der Feind hatte mit einem atomaren Sprengkopf die Rheinbrücken zerstört; mit Hohlplatten aus Alu sollten Behelfsbrücken erstellt werden, um den amerikanischen Verbänden den Übergang Richtung Osten zu ermöglichen. Als ABC- Ausrüstung hatten wir die übliche Maske und eine Kunststoffplane! Man kann aus heutiger Sicht nur den Kopf schütteln über die Naivität aller Beteiligten. Im Rückblick darf man dankbar sein, dass uns Vieles erspart geblieben ist.

Ich habe tatsächlich eine Kleinigkeit entdeckt:

[red]Verhaltes[/red] [blue]Verhaltenes[/blue] Gelächter in der Runde, bevor es von den wütenden Blicken des Stabschefs erstickt wird.
LG Bertl
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Befehlsdosis

„Fukushima, Fukushima – immer nur Fukushima! Ich kann es nicht mehr hören, geschweige denn sehen!“
Mit diesen Worten greift meine Frau zur Fernbedienung und zappt sich so lange durch die Programme, bis sie eine ihrer so geliebten Kochshows gefunden hat.
Ich kann ihr Verhalten nur teilweise nachempfinden. Ein wenig verärgert, erhebe ich mich von der Couch, begebe mich auf den Balkon und zünde mir eine Zigarette an.

Das Bild von den japanischen Feuerwehrleuten will mir nicht aus dem Kopf gehen. Äußerlich gefasst und ohne erkennbare Regung in den Gesichtern, nahmen sie den Befehl entgegen, sich dorthin zu begeben, wo die Kernstrahlung einen Aufenthalt eigentlich verbietet. Als geschulte Leute müssten sie doch wissen, dass ihre feuerroten Schutzanzüge, nur so heißen, aber gar nicht schützen. Was mag in den Köpfen dieser Männer, die im Begriff sind, ihre Gesundheit oder gar ihr Leben zu verlieren, wirklich vorgehen?

Mir ist kalt. Ich hätte eine Jacke überziehen sollen. Damals herrschte brütende Hitze.
Damals?
Wie komme ich plötzlich darauf?
Fast dreißig Jahre ist das her! Ich sehe mich mitten unter meinen Kameraden im Stabszelt sitzen – das Notizbuch auf den Knien. Wir starren auf den großen Tisch, auf dem die topographische Karte ausgebreitet liegt. Es ist stickig in dem Zelt. Draußen sorgt die Nacht bereits für eine leichte Abkühlung. Hier drinnen rinnt uns noch immer der Schweiß über den Rücken, und die Augen tränen vom Zigarettenqualm.
Der Stabschef unseres Pionier-Bataillons ist aufgestanden und tippt mit dem Zeigefinger auf den fetten roten Punkt auf der Karte. Um diese Stelle sind verschiedenfarbige Ringe gezogen. Sie markieren Sektoren unterschiedlicher Strahlungsintensität.
„Ich fasse zusammen! Der Kernschlag hat unter anderem auch die strategisch wichtige Oder-Brücke völlig zerstört. Unsere Aufgabe ist es, eine Behelfsbrücke zu schlagen. Wir haben dafür genau vierundzwanzig Stunden Zeit, dann muss der Nachschub wieder nach Westen rollen.“
Er richtet sich auf und lässt den Blick über seine Offiziere schweifen. Schließlich treffen seine Augen mich.
„Genosse Oberleutnant! Wie lautet Ihr Entschluss?“
Ich springe auf, merke nicht, dass der Hocker hinter mir umkippt. Nervös fummle ich am Koppelschloss herum und überfliege meine Notizen, ehe ich mit dem Vortrag beginne. Als einer der fünf Stellvertreter des Bataillonskommandeurs bin ich für den technisch-organisatorischen Ablauf auf der Brückenbaustelle verantwortlich. Und ich bin neu in dieser Funktion.
Ich wiederhole die Aufgabenstellung, erläutere einige technische Details und teile dann mit, dass eine aus vormontierten Stahlelementen bestehende Brücke zum Einsatz kommen soll.
„Ich benötige dafür lediglich die erste und zweite Kompanie, sowie zwei Züge der Gefechtssicherstellungskompanie und den Ramm-Zug. Der Rest des Bataillons kann in der Reserve verbleiben. Genosse Major – Ausführungen beendet“
Der Stabschef nickt, aber ich bin noch nicht entlassen. Er hat noch Fragen. Unter anderem will er wissen, warum ich mich für die Stahlbrücken-Variante entschieden habe. Die würde erhebliche Transportkapazitäten in Anspruch nehmen.
„Und warum scheidet eine Holzbrücke aus? Wir könnten das Material vor Ort gewinnen. Wozu haben wir drei Sägegatter?“
„Genosse Major, ich befürchte, dass es in einem weiten Umkreis von der Einschlagstelle keine Wälder mehr geben wird.“
Verhaltênes Gelächter in der Runde, bevor es von den wütenden Blicken des Stabschefs erstickt wird. Er lässt meine Antwort unkommentiert, was einem Einverständnis gleich kommt und wendet sich an seinen Stellvertreter für Technik und Ausrüstung.
„Sie stellen unverzüglich das Marschband zusammen und melden mir in einer Stunde Vollzug. Abmarsch – null drei Uhr!“
Während der Angesprochene aufspringt und sein „Ja-wolll, Genosse Major!“ bellt, entsteht unter den betroffenen Kompaniechefs aufgeregtes Gemurmel.
„Noch Unklarheiten?!“, schnauzt der Major. Schon der Tonfall lässt erkennen, dass ihm an Fragen wenig gelegen ist.
Einer der Kompaniechefs hebt den Kopf und gibt mit zögernden Worten zu bedenken, dass er den Zeitpunkt für den Abmarsch für zu früh halte.
„Die Strahlenbelastung ist vor Ort noch viel zu hoch, wenn wir dort eintreffen.“
„Unsinn! Die Genossen werden unter kompletter Schutzausrüstung ihre Aufgabe erfüllen.“
„Ja, aber…“
„An der von mir festgelegten Befehlsdosis werden keine Abstriche zugelassen!“, faucht der Stabschef und lässt gefährlich tiefe Stirnfurchen erkennen.
„Damit wird die Quote der Totalausfälle bereits nach vierundzwanzig Stunden zwischen sechzig und siebzig Prozent liegen“, brummt unser Bataillonsarzt halblaut und handelt sich einen giftigen Blick ein. Eine Antwort erhält er nicht.
„In genau einer Stunde - Befehlsempfang - beim Bataillonskommandeur!“, hören wir stattdessen.
„Zu Befehl – Genosse Major!“, grummelt es zurück. Die Stimmung ist gereizt.
Langsam stehen wir auf und verlassen das Zelt. Die Kommandeure begeben sich zu ihren Einheiten und zerstreuen sich zwischen den Bäumen. Ich bin bereits ein paar Schritte gegangen, als ich auf den Bataillonsarzt treffe. Er lehnt an einem Kiefernstamm und stopft sich eine Pfeife. Wir kennen uns gut, stammen aus dem gleichen Ort und haben schon mehrere Reserveübungen gemeinsam absolviert. Im Zivilleben ist er Psychiater.
„Mich kotzen diese perversen Spielchen von Mal zu Mal mehr an“, faucht er, während er ein Streichholz aufflammen lässt.
„Siebzig Prozent Totalausfälle – zumindest laut Handbuch! Und der Rest der Truppe hätte auch nur noch Stunden oder Tage zu leben. Viel Arbeit für unsere Militärseelsorger.“
Er lacht gallig über diese Bezeichnung, mit der eigentlich die Politoffiziere gemeint sind. Es ist unter anderem deren Aufgabe, die Todeskandidaten bei Laune zu halten und die gewünschte Leistung abzufordern, so lange es irgend geht.
„Für einen solchen Befehl müsste man den Kerl über den Haufen schießen“, fährt der Doktor fort und ist dabei, sich um Kopf und Kragen zu reden.
„Nicht so laut“, zische ich. „Und außerdem – es ist doch nur ein Manöver.“
Er nickt bedächtig und stößt eine Qualmwolke gen Himmel.
„Befehlsdosis – welch abartige Umschreibung für ein Todesurteil mit langsamer Vollstreckung. Gebe Gott, dass wir so etwas nie im Ernstfall verantworten müssen“, knurrt der bekennende Atheist.

Schon wenige Jahre später, als Einzelheiten über die Katastrophe von Tschernobyl bekannt wurden, erinnerte ich mich wieder an diese beklemmende Szene im Stabszelt. Und jetzt sind die Bilder erneut da. Es hat Ernstfälle gegeben. Nicht kriegsbedingt, aber für die Betroffenen entsetzlich genug. Trotz des bitteren Geschmacks im Mund bin ich ein wenig froh – froh darüber, keine Verantwortung tragen zu müssen. Das macht es leichter, die Bilder zu verdrängen, sie nicht in den Alltag einbrechen zu lassen.

Ich drücke die Zigarette aus und setze mich wieder brav neben meine Frau.
Der Koch auf dem Bildschirm ist gerade dabei, saftig-roten Paprika zu schnippeln. Das Rot erinnert mich an die Farbe der Schutzanzüge der japanischen Feuerwehrmänner. Ist wohl doch nicht so einfach – das Verdrängen.
 



 
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