Begegnung im Park

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Maribu

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Begegnung im Park

Er hatte, wie so oft bei schönem Wetter, einen Rundgang durch den 'Botanischen Sondergarten' unternommen, die gepflegten Beete bewundert, an verschiedenen Blumen geschnuppert und festgestellt, dass sie nicht alle einen angenehmen Duft verströmten. Danach hatte er einen Sessel im Halbschatten in Beschlag genommen, den er gerade noch vor einem anderen Besucher erreicht hatte, und sich in ein Buch vertieft.
Irgendwann hatte er das Verlangen nach Kaffee und blickte auf die Uhr. Wie schnell waren zwei Stunden bei einem spannenden Buch vergangen! Er stand auf, steckte es in die Innentasche des Sakkos und ging durch die Pforte, die in den Stadtpark führte.
Er hatte seinen Blick auf den Boden gerichtet, um den vielen Pfützen auszuweichen, denn am Vortag hatte es stundenlang geregnet.
Plötzlich wurde er von einem Hund angesprungen. Die Pfoten hinterließen Matschflecke auf seiner hellen Hose. Bevor er "Verflixter Köter!" schreien konnte, kam sein Frauchen angelaufen, die den 'Golden Retriever' an einer langen Leine hatte. "Entschuldigen Sie bitte! Das macht sie sonst nie. Ich komme selbstverständlich für die Reinigung auf."
"Es hilft mir nicht! Jetzt muss ich mich mit der beschmutzten Hose unter die Leute wagen!"
Ihr war das unangenehm und sie erwiderte: "Das tut mir aufrichtig leid! Aber Sie müssen etwas an sich haben, was sie mag! Vielleicht haben Sie ein angenehm duftendes Rasierwasser oder das Tier spürt, dass Sie Hunde mögen!"
Er lachte. "Nun bin ich auch noch schuld! Ich wollte gerade zum Kaffeetrinken ins Restaurant gehen. - Würden Sie mich begleiten?"
Bevor sie antwortete, betrachtete sie ihn: Mittelgroß, schlank, dunkle Haare, an einigen Stellen ins Graue übergehend. Für einen etwa 50-Jährigen noch ganz passabel. Trotzdem wollte sie nicht dankbar zustimmen. "Wenn ich nicht in Ihrer Schuld wäre, würde ich nicht darauf eingehen und...
Komm zurück Isolde!" unterbrach sie ihren Satz. Die Hündin hatte die Leine bis zum Anschlag angezogen. Sie parierte sofort, flitzte wie ein Windhund zurück und sprang übermütig ein zweites Mal an ihm hoch. Diesmal an der anderen Seite, sodass jetzt beide Hosenbeine dunkle Flecken aufwiesen.
"Nun ist aber genug!" schimpfte sie.
Er nahm es mit Humor. "Das ist zwar meine einzige und beste Hose, aber sie sieht jetzt viel besser aus! Man könnte denken, dass wäre ein Muster."
Sie schüttelte lächelnd den Kopf und empfand Sympathie, weil er es so gelassen und witzig hinnahm.
Inzwischen hatten sie die Terrasse erreicht und nahmen unter einem Sonnenschirm Platz, bestellten zwei Kännchen Kaffee und den hausgebackenen Kuchen, der auf einem Schild besonders angepriesen wurde. "Habe ich eben richtig gehört?" nahm er das Gespräch wieder auf. "Riefen Sie Isolde?"
"Ja, das ist ein ungewöhnlicher Hundename, ich weiß! Dazu möchte ich Ihnen etwas erklären: Mein Mann liebte die Musik Wagners über alles. 'Den Ring' hat er sich an vier Abenden hintereinander angesehen. Aber das Größte war für ihn das Musikdrama 'Tristan und Isolde'. Als er vor einem Dreivierteljahr starb, habe ich mir kurz danach diesen Welpen geholt. Eigentlich wollte ich einen 'Tristan' haben, aber sie sah so traurig aus und lief mir entgegen."
Er lachte. "Ganz das Gegenteil von heute! - Haben Sie denn keine Kinder?"
"Doch. Mein Sohn wohnt mit seiner Familie in Frankfurt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, als ich ihm vom Hund erzählte. Er wollte als Kind nämlich immer so einen 'Golden Retriever' haben. Mein Mann und ich konnten ihm das ausreden, so ein Tier in der Wohnung zu halten. Er musste sich mit einem Wellensittich trösten."
"Und wie hat Ihr Sohn reagiert?"
"Ganz lieb. Er sagte, er könne es verstehen, weil ich dann nicht mehr so allein sei. Außerdem hätte ich einen Grund, an die Luft zu gehen. Und er hatte sich besonders gefreut, dass ich mich für seine Lieblingsrasse entschieden hatte. Am Wochenende danach besuchte er mich mit meinen Enkelkindern"
"Die Ausrede mit einer Wohnung hatte ich leider nicht!" Er lächelte. "Meine Tochter hatte Mitleid mit Tieren und kam eines Tages mit einem schwarzen Mischling in Schäferhundgröße an, den sie aus einem Tierheim geholt hatte. Wir hatten damals ein Haus mit Garten, indem wir ihn nach fünfzehn Lebensjahren begraben haben."
Der Kellner kam mit einem Tablett und sie schwiegen, bis er serviert hatte. Er nahm sich ein Stück Kuchen, biss ab, kaute und trank sofort Kaffee hinterher. "Der ist aber trocken!"
"Wirklich? Der soll doch hausgemacht sein!"
"Ja, fragt sich nur, wann?" Sie mussten beide lachen.
Trotz seiner Warnung griff sie auch zu und sagte nach einigen Bissen: "Mir schmeckt er. Aber wir wollen ja nicht den Kuchen testen. - Sie haben das Haus also nicht mehr?"
"Nein, es war zu groß. Ich habe mir eine Eigentumswohnung gekauft."
"Wollte Ihre Tochter es nicht haben?"
"Sie hat einen Mann mit einem Reihenhaus geheiratet."
"Wie clever! Und - Ihre Frau, war die mit dem Verkauf des Hauses einverstanden?"
Er griff nach der Tasse und nahm einen großen Schluck. "Sie hatte mich vorher schon verlassen. Ich möchte aber nicht darüber sprechen."
"Vielleicht ein anderes Mal?" Sie lächelte verlegen.
Er bemerkte es. Konnte es sein, dass diese gutaussehende Frau, die vielleicht fünf Jahre jünger als er war, Anteil nehmen wollte? "Sind Sie ernsthaft daran interessiert oder erwarten Sie eine Klatschgeschichte wie aus einer Illustrierten, die einem beim Friseur oder Arzt die Wartezeit erträglich macht?"
"Das weiß ich noch nicht; wir haben uns ja eben erst kennen gelernt! - Lieben Sie denn auch klassische Musik?"
"Ja, aber nicht Wagner. Ich mag Beethoven und Verdi."
Statt einer Antwort sagte sie: "Schauen Sie mal hinter sich!"
Die Hündin, die sie locker am Schirm angebunden und die es sich auf dem breiten Ständer bequem gemacht hatte, war hinter ihn geschlichen. Sie hatte alle Viere von sich gestreckt, mit dem Kopf lag sie unter seinem Stuhl. "Na Isolde, sitzt hier Tristan?" fragte er lachend und langte mit dem Arm hinunter.
Sie schien es zu bejahen, indem sie an seiner Hand leckte.
Ihr Frauchen musste ebenfalls lachen. "Wenn das keine Zuneigung ist! - Gehen Sie hier öfter spazieren?"
"Ja, aber morgens."
"Können Sie das denn mit Ihrer Arbeitszeit vereinbaren?"
"Ich arbeite zu Hause und kann mir die Zeit einteilen."
Vielleicht ist er arbeitslos, dachte sie und musterte ihn kritisch. Er widerlegte das aber sofort. "Die Firma, für die ich tätig bin, hat einige Arbeitsplätze ausgelagert. Ich bin selten im Büro. Nur bei Problemen oder Konferenzen, die über Video zu kompliziert wären. Ich bin Software-Entwickler."
Den Kaffee hatten sie ausgetrunken, zwei Stücke Kuchen ließen sie liegen. Er nahm sein Portemonnaie in die Hand und winkte dem Kellner. Sie protestierte. "Das wollte ich doch bezahlen wegen der Hose!"
"Nein, sie musste sowieso in die Reinigung! Ich möchte mich aber noch vorstellen. Mein Name ist Wiegand. Ich wohne in der Nähe am Südring." Er machte eine Pause und sah sie bedeutungsvoll an. "Als Gegenleistung könnten Sie mir Ihre Adresse geben, dann würde ich ab und zu mit Ihrer Hündin Gassi gehen!"
Der ist ja raffiniert! Sie musste innerlich lächeln. Das Tier vorzuschieben, um mich näher kennen zu lernen, und sie entgegnete: "Einverstanden! Aber nur, wenn Sie Isolde nicht umbenennen in Leonore oder Aida!"
 
U

USch

Gast
Hallo Maribu,
nette kleine Alltasgsgeschichte mit amüsanten Einsprengseln. Über Hunde läßt sich wohl gut in Kontakt treten - im Guten wie im Schlechten. Als Jogger habe ich früher allerdings keine guten Erfahrungen gemacht, kann aber beobachten wie schnell einsame Hundebesitzer ins Gespräch kommen.
Ich würde dir empfehlen, mal über die vielen <[red]hatte[/red]> nachzudenken. Das klingt nicht so gut.

Er [red]hatte[/red], wie so oft bei schönem Wetter, einen Rundgang durch den 'Botanischen Sondergarten' unternommen, die gepflegten Beete bewundert, an verschiedenen Blumen geschnuppert und festgestellt, dass sie nicht alle einen angenehmen Duft verströmten. Danach [red]hatte [/red]er einen Sessel im Halbschatten in Beschlag genommen, den er gerade noch vor einem anderen Besucher erreicht [red]hatte[/red], und sich in ein Buch vertieft.
Irgendwann [red]hatte [/red]er das Verlangen nach Kaffee und blickte auf die Uhr. Wie schnell waren zwei Stunden bei einem spannenden Buch vergangen! Er stand auf, steckte es in die Innentasche des Sakkos und ging durch die Pforte, die in den Stadtpark führte.
Er [red]hatte [/red]seinen Blick auf den Boden gerichtet, um den vielen Pfützen auszuweichen, denn am Vortag hatte es stundenlang geregnet.
Etwas Straffung könnte der Text auch noch vertragen.
LG USch
 



 
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