Belgischer Trauerzug

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viktor

Mitglied
Belgischer Trauerzug

Im einsamen Westen von Flandern
versanken die Wolken im Rot.
Wir stützten uns, einer den andern,
auf einsamer Fährte beim Wandern
und vor uns ritt langsam der Tod.

Wir trugen die Kinder zu Grabe,
auf unserem Weg nach Brabant.
Den Nachtgesang krächzte ein Rabe
und Charon, der magere Knabe,
hat Dörfer und Städte verbrannt.

Ein Haus stand in einsamer Schneise,
es war nicht mehr weit bis Namur.
Dort ruhten wir auf unsrer Reise,
kein Wirt reichte stärkende Speise,
kein Namensschild hing an der Tür.

Der Friedhof lag in den Ardennen,
längst waren die Gräber bereit.
Nun mussten wir uns wieder trennen,
wir würden uns nicht mehr erkennen,
vor uns lag die einsame Zeit.
 

viktor

Mitglied
Belgischer Trauerzug

Im herbstlichen Westen von Flandern
versanken die Wolken im Rot.
Wir stützten uns, einer den andern,
auf trauriger Fährte beim Wandern
und vor uns ritt langsam der Tod.

Wir trugen die Kinder zu Grabe,
auf unserem Weg nach Brabant.
Den Nachtgesang krächzte ein Rabe
und Charon, der uralte Knabe,
hat Dörfer und Städte verbrannt.

Ein Haus stand in einsamer Schneise,
es war nicht mehr weit bis Namur.
Dort ruhten wir auf unsrer Reise,
kein Wirt reichte stärkende Speise,
kein Namensschild hing an der Tür.

Der Friedhof lag in den Ardennen,
längst waren die Gräber bereit.
Nun mussten wir uns wieder trennen,
wir würden uns nicht mehr erkennen,
vor uns lag die grausame Zeit.
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Viktor,

ein sehr schönes Gedicht, dessen Rhythmus mich an Moritaten erinnerte, die man gleich mitsingen kann.

Einzig

und Charon, [red]der uralte Knabe[/red],
hat mich etwas gestört, weil es zum restlichen Inhalt nicht so gut zu passen scheint. Vielleicht gibt es da noch eine Verbesserungsmöglichkeit?

Mir fiele hier

und Charon, [blue]im alten Gehabe[/blue],
ein, ohne dass ich das schon optimal fände.

Liebe Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
Hallo Viktor,

das ist wieder eines Deiner Werke, die so ganz lakonisch beschreibend daherkommen, als sei nichts Besonderes mit ihnen gesagt. Dem ist, sonst wäre es ja nicht extra angemerkt, natürlich nicht so.

Nun wissen viele nicht, in welcher Zusammenhang Dein Werk eingebunden ist. Wir schreiben das Jahr 1944. Am 16.12.1944, vor nahezu 65 Jahren, begann die Ardennenoffensive. Sie war das letzte Aufbäumen, was das Deutsche Reich aufzubieten hatte, und der Anfang vom Ende, wenn auch anfangs riesige Geländegewinne erzielt wurden, aber um welchen Preis. Der Feldzug, wenn auch militärisch überzeugend begonnen, brachte nichts außer weitere Opfer und eine weitere Hinauszögerung der unvermeidbaren Niederlage.

Der historisierende Inhalt täuscht nur verhohlen über den Zweck und die Zielrichtung des Texts hinweg. Es ist die Deutung des Kriegs als unverzeihlichen Fehlers und das Heraufbeschwören der Sinnlosigkeit des Opfers der Tapferen, die sich für ein falsches Ziel mit falschen Mitteln an den Tod und den Kampf hingaben.

Gruß W.
 

Ralf Langer

Mitglied
ein starkes gedicht,
das mich an die deusche "lost generation"
auch und gerade unter den schriftstellern denken lässt.

Wie viele dichter, schriftsteller haben
in den gräben der großen weltenzerstörungen
von 14 - 18 und 39-45 ihre richtstatt gefunden?
bin sehr beührt
ralf
 

viktor

Mitglied
...es ist ein text, der sich aus unterschiedlichen assoziationen nährt, nicht nur der ardennenoffensive.
zunächst: ich wohne in der nähe belgiens und fahre oft dorthin, um preiswert zu tanken bzw. kaffee zu kaufen. manchmal durchquere ich dann auch den südosten und bin nach etwa 35km an der luxemburgischen nordgrenze, wo der sprit nochmal deutlich billiger ist, auch der tabak.
sobald man die grenze hinter sich hat, fällt der schlechte zustand der belgischen straßen auf. die gegend (ardennen) ist dünn besiedelt, viele häuser in den dörfern und städtchen sind ungepflegt bzw. scheinen verlassen zu sein und zerfallend. das kommt mir jedes mal ziemlich morbide vor. man munkelt, dass viele hier von kinderpornographie leben.
zum "kriegerischen":
eine anregung stammt von dem landsknechtlied
"Flandern in Not!
In Flandern reitet der Tod!"
die zweite anregung ist NICHT der deutsche überfall im ersten weltkrieg.
wenn ich nach belgien fahre, stehen entlang der grenze noch große restbestände des westwalls (panzersperre aus betonpyramiden, "siegfriedlinie"), den hitler hat bauen lassen. während der ardennenoffensive wurde hier gekämpft und es gab zahlreiche tote auf der deutschen (eifel) und der belgischen (ardennen) seite...
liebe grüße
viktor
 

viktor

Mitglied
Belgischer Trauerzug

Im herbstlichen Westen von Flandern
versanken die Wolken im Rot.
Wir stützten uns, einer den andern,
auf trauriger Fährte beim Wandern
und vor uns ritt langsam der Tod.

Wir trugen die Kinder zu Grabe,
auf unserem Weg nach Brabant.
Den Nachtgesang krächzte ein Rabe
und Pluto, der teuflische Knabe,
hat Dörfer und Städte verbrannt.

Ein Haus stand in einsamer Schneise,
es war nicht mehr weit bis Namur.
Dort ruhten wir auf unsrer Reise,
kein Wirt reichte stärkende Speise,
kein Namensschild hing an der Tür.

Der Friedhof lag in den Ardennen,
längst waren die Gräber bereit.
Nun mussten wir uns wieder trennen,
wir würden uns nicht mehr erkennen,
vor uns lag die grausame Zeit.
 



 
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