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Sonnenblume

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Ich sitze im Auto.
Mein Plan: Aussteigen, gewaschene Wäche ausladen, zur Wohnung bringen, wieder zum Auto laufen, zur nächsten Tankstelle fahren und mein vierrädrigen Gefährten aussaugen.

Aber es kommt alles anders, dank der Balkonspione vom alten Eisen.

Ich steige aus, laufe zum Kofferraum, da höre ich zwei ältere Damen über mir auf dem Balkon, gegenüber dem Parkplatz, bei Kaffe und Kuchen über das Wetter reden. Belanglos, bis sie mich sehen. „Guckmal, Frieda, die habe ich hier schon öfters gesehen, die muß hier ganz in der Nähe wohnen“. Ich schließe den Kofferraum auf, öffne die Klappe, will den Korb mit der Wäsche raus holen und da rummst es plötzlich. Mit voller Wucht fällt die Klappe auf meinen Schädel. Aua ! In Anbetracht meiner Beobachter kann ich das Fluchen gerade noch auf ein "Scheiße" beschränken, trete dann aber doch kochend vor Wut im Vorbeigehen gegen den Hinterreifen meines Wagens. Bei Schmerzen laufe ich immer wie ein kopfloser Gockel durch die Gegend. Bis der TÜV uns scheidet, denke ich. Dann Gekicher von oben, mein entnervter Blick hoch zum Balkon, ein zaghaftes „Hallo“. Mit einer Hand halte ich nun den Kofferraumdeckel fest, mit der anderen versuche ich umständlich den Korb und die Platiktüte mit Wäsche heraus zu holen. Immer mit den Blicken der Alten im Rücken, die jeden meiner Schritte verfolgen. Der Deckel liegt schwer auf meinem Körper, ich stämme mich mit aller Kraft dagegen, geschafft, die Klappe fällt zu. Ächzend stelle ich nun die Plastiktüte und den vollen Wäschekorb hinter dem Auto ab.

Und wo ist mein Schlüssel ? Klar, der ist drin. Durch die Fahrertür klettere ich nach hinten zum Kofferraum und wieder zurück. Das ist schon eine sportliche Höchstleistung. Zu Schulzeiten hing ich immer wie eine reife Pflaume am Reck. Am Auto vorbeigehend, schaue ich verstohlen noch oben, während sie nach unten starren. „Schau mal, Wäsche holt 'se aus dem Auto. Die hat wohl keine eigene Waschmaschine, wa ?“ Ich werde immer nervöser, hektisch. Ich komme mir vor, wie in einem Film für Sehbehinderte, in der alle Handlungen vertont werden. Reiß Dich zusammen, laß sie doch gucken. Mein alter Pappkarton, der auch noch im Auto lag, hatte seinen Dienst getan. Aber damit extra zum Wohnungsmüll latschen ? Nee. Das unhandliche Teil aus meiner Karre geholt, marschierte ich in Richtung Park, wo ein kleiner Mülleimer stand. Glauben Sie mir, das Meter mal Meter Dingen durch einen 30 cm geöffneten Mülleimerspalt zu stopfen, das ist schon eine rekordverdächtige Höchstleistung. „Guck mal, Frieda, jetzt entsorgt 'se Ihren ganzen Müll im Park. Nee, nee. Die Jugend von heute. Da müßte man mal die Polizei informieren.“

Ich bin verzweifelt, denke nur, warum tun die so, als würde ich bewußtlos neben dem Auto liegen und alles nicht hören ? Flucht, oder Angriff ? Ich entscheide mich für Letzteres und steige ins Auto, lege den Rückwärtsgang ein, fest entschlossen nun endlich zur Tankstelle zu fahren. Ich setzte zurück und da passiert es. Ein unheimliches Geräusch, als hätte ich alle 206 Knochen eines Menschen auf einmal gebrochen. Ich stelle den Wagen aus, hole tief Luft. Die Frau oben am Balkon ist vom Stuhl aufgespungen und plärrt schon los, als ich noch nicht ganz ausgestiegen bin: “Schaun 'se mal, über Ihre Wäsche sind 'se gefahren.“ In diesem Moment hätte ich mir gewünscht, ich hätte mich mit einem Fingerschnipp auf einen anderen Kontinent beamen können. Da sah ich nun das Malheur. Der Hinterreifen stand auf meiner Plastiktüte, die Wäsche überall verstreut. Der Korb zerfläddert daneben. Ich mußte noch einmal einsteigen und den Wagen vorsetzen, weil alles Zerren an der Plastiktüte vergebens war.

Alles zusammengeräumt saß ich im Auto, überlegte mir einen neuen Plan und hätte heulen können vor Wut.
 



 
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