Beowulf

ekmek

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Beowulf



„Dem Gott ist alles schön und gut und gerecht;
nur den Menschen aber scheint das
eine Recht, das andre Ungerecht.“
Heraklit, DK 103



Über der Halle des Schildkönigs hingen tief die Wolken. Rauch stieg langsam über den Hütten auf. In der großen Halle, die fest gefügt, sich am Gipfel des Hügels erhob, schliefen die Männer noch. Der Eindruck des Friedens trog. Großes Unheil kam über sie alle, ein Drache erwachte aus langem Schlaf um Feuer und Tot zu bringen und dem Reich Verwüstung. Ein großer König, Schild seines Volkes, dem Ende seines Lebens nahe, eines Lebens großer Taten, stand ein letztes Mal auf.

I

Das Gras war nass vom Tau des Morgens, als der alte König aus der Tür seiner Halle schritt. Lange schon war er nicht mehr in den kalten Morgennebeln zu Fuß gegangen. Bald schon waren seine Tuchsolen durchnässt. Seine Zehen begannen zu frieren. Er zog den grauen Mantel aus einfachem Tuch enger um seine Schultern. Der rauhe Stoff scheuerte an Hals und Kinn.

Als er durch die Tore seiner Halle schritt, waren seine Hände über den geschnitzten Türstock geglitten. Das in endlosen Winternächten kunstvoll geschnitzte Holz war in langen Jahren glatt geworden. Geglättet von Sonne, Sturm und Wind. Aber auch von so mancher Hand, die wie seine eigene aus Freude an der Schönheit darüber gestrichen war. Nicht ohne Wehmut ließ er den Türstock hinter sich und hüllte sich enger in den grauen Wollmantel.

Er zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, bevor er vorsichtig durch das Dorf strich. Die Siedlung lag auf einem Hügel und war von einer niedrigen Steinmauer umgeben, die eigentlich nur aus grob aufgeschichteten Steinen von den Feldern ringsum bestand. Der Königshalle gehörte die Mitte, um sie herum die Ställe und die Vorratskammern. Im engsten Kreis um die Halle und die heiligen Erlen und Eichen um sie herum, lagen die Häuser seiner Mägen und Dienstmannen. Am Rande endlich die Höfe der reicheren Familien und ganz am Rande die Katen der Tagelöhner. Grau waren die Steine der Hütten und der Himmel über ihnen, Grün das Gras und Braun die Erde.

Der Alte schritt durch eine kleine Öffnung in dem Mauerring, ein paar rohe Treppen hinab, nachdem er die letzten Hütten hinter sich gelassen hatte. Dort wo der Hügel in die Wald bestandene Ebene überging.

Aus dem Dunkel der Wand löste sich ein Schatten und war mit einem Schritt bei ihm. Lange, rotblonde Locken flogen, ein teures, glänzendes Biberfell rutschte über eine nackte Schulter und nacktes, warmes Fleisch, dürftig verdeckt von dünnem Linnen, schmiegte sich an ihn. Bloße, weiße Arme umfingen seine Schultern, weiche Schenkel schlangen sich um seine Hüften und ein feuchter, lebendiger Mund küsste seinen Hals. Dort wo auch das Alter und die Jahre, die Winter und die Wunden, noch weiche Stellen gelassen hatten, dort küsste sie ihn.

Er konnte die Frau durch den Kettenpanzer, den er unter seinem Mantel trug, spüren. Ihren heißen Atem auf der Haut und das Versprechen nach einem wohlig warmen Bett das in ihren Glieder steckte, und ihm unhörbar zuflüsterte. Ein Flüstern, das von einem Versprechen auf lange Jahre voll Glück und Zufriedenheit sprach, von Liebe und Vertrautheit, warmen Decken im Winter und einsamen Wiesen an dunklen Teichen im Schatten der Eichen im Sommer und Frieden.

Ihr Gewicht trug er leicht, obwohl jetzt seine Kraft klein war, verglichen mit den lang vergangenen Tagen seiner Jugend. Ihre Glieder schienen leicht, er straffte seinen Rücken und blickte ihr direkt in die klaren Augen. Kurz vermochte sie seinem Blick standzuhalten, dann senkte sie den ihren und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Verschämt, aber nicht ängstlich. Biberpelz glitt in das feuchte Gras.


Langsam presste er sie sanft gegen die moosbewachsenen Steine der Mauer und küsste die Frau während sie ihre Schenkel um seine Hüften schlang. Küsste sie innig. Abrupt machte er sich von ihr los, löste ihren Griff um Hals und Hüften, hart fasste er sie an. Er bückte sich, hob das wunderbare Fell auf, legte es um ihre Schultern.
Dabei strich er über den goldroten Reif an ihrem Oberarm. Die Hand zuckte zurück, denn das Muster zeigte die Midgardschlange, die Mutter aller Drachen. Dann löste er gefasst die Fibel seines Umhangs, er trug sie auf der Innenseite, denn niemand sollte sie sehen, das Gold hätte ihn ansonsten sicher verraten.
Während er die Nadel der Spange durch das Biberfell drückte, hob sie an zu sprechen.

„Prinz der Goten, bleibt bei mir, geht nicht in den Tod, der das Leben von den Gliedern trennt. Lasst die Arbeit jüngeren und genießt die Früchte eures Lebens und eurer Herrschaft. Bleibt bei mir und ich werde euch sein, was je eine Frau einem Mann war.“

Ihren Kopf neigte sie sacht, so dass ihr Haar, rot wie Gold, sich schimmernd regte.

„Ihr schleicht euch wie ein Dieb davon, in die Morgennebel. Stehlt nicht euren Männer deren Ehre. Ihr beschämt alle, wenn ihr alleine geht. Bleibt Herr bleibt.“

Ernst blickte sie. Ihr Hemd war wieder verrutscht, ein runde bloße Schulter zeigte sich. Weißes junges Fleisch lockend und versuchend.

„Eure Männer sind stark und jung, lasst sie die Last der Arbeit tragen, geht wenigstens nicht allein.“

„Diese Arbeit kann einer so gut wie hundert tun, mein Kind. Ich werde nicht zurückkehren, einen Feuerdrachen besteht niemand. Es sollen nicht so viele sterben, die auch leben könnten.“

„Herr bleibt bei mir und schenkt mir ein Kind, einen Erben, der euer Reich sichert. Schenkt euch selbst Frieden.“

Lebe und kämpfe, kämpfe und stirb, Einaug erwartet alle, dachte der alte König bei sich. Zum Mädchen aber sprach er:
„Frieden, mein Kind, schenkt nur der Tod. Ich schenke dir die Spange. Einst trug sie eine Kaiserin, sie war ihrer Schönheit weniger würdig als du es bist.“




II

Am Waldrand, unter den Bäumen verborgen, wartete ein Knabe, die Hände am Halfter eines Schimmels. Das frische Grün der Blätter hob sich von den feuchten schwarzen Stämmen ab. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, hunderttausende kleine Tropfen klopften an die Blätter. Ab und zu sammelte sich Wasser und ein schwerer Tropfen fiel auf den dunklen Waldboden. Der Knabe hob grüßend die Hand bevor er dem König die Zügel übergab.

„Gut, dann seid ihr Hygd nicht begegnet?“

„Doch, Offa, an der Mauer.“

„Und ihr habt sie einfach stehen gelassen?“

„Wie du siehst“

„Warum?“

„Ich hab sie dir gelassen, alte Männer und junge Frauen zusammen bringen Unglück.“

Ein großer Tropfen fiel klatschend auf seine Kapuze und lief ihm langsam übers Gesicht, bis er in den Barstoppeln auf des Königs Wange verschwand.

„Wie soll ich so ein Mädchen freien, wenn ihr mir keine Gelegenheit dazu gebt? Nur Helden und Reichen ist so etwas möglich, denn Hygd ist schön und reich. Mein Vater ist arm, und nur wenn ich vom Drachen zurückkomme bin ich ein Held.“

„Keine Sorge, jedem Mann begegnet sein eigenes Monster, an dem er zum Helden werden kann.“

„Aber ihr, Herr, seid schon einer. Warum überlässt ihr den Drachen nicht mir?“

„An einem Feuerdrachen wird man nicht zum Helden, man kann nur als einer sterben. Der Drachen läßt einem keine Wahl. Keiner kehrt von dort zurück. Du aber Offa sollst leben. Ich bin zum Sterben alt genug, du noch nicht.“

Er strich dem Knaben übers Haar und schwang sich in den Sattel. Seine Füße froren, er war durchnässt und seine Glieder waren steif, fast wäre er wieder heruntergefallen. Zwischen den Zähnen fluchte er, beugte sich zum Hals des Schimmels, tätschelte den muskulösen Hals
„Möge der Drachen gnädig mit uns beiden sein, Hemming mein Alter“
und trabte in den Wald davon.

Der Junge stand noch eine Weile unter dem schützenden Dach der alten Erle und schaute dem König nach, auch als dieser schon lange aus seinem Blickfeld verschwunden war. Dann machte er sich auf den Weg zurück.

Der Alte ritt den ganzen Tag dahin, zuerst durch den Frühlingswald, dann kam er höher hinauf, dort ging der Laubwald zuerst in Nadelholz über, um dann einer braunen Moorlandschaft zu weichen. Hier und da waren vom Torf schwarze Tümpel zu durchqueren. Der Nieselregen hielt an, auf der Passhöhe vereinigte er sich mit dem kalten Wind, in dem noch der Schnee des letzten Winters zu riechen war.
Der Regen war wie Nadeln auf der Haut und der Alte bald bis auf die Knochen durch gefroren. Einen warmen Mantel wünschte er sich, so wie das Mädchen einen gehabt hatte, auch sie selbst wäre ihm willkommen gewesen. Alt werde ich, dachte er, früher hätte ich so ein Wetter genossen, heute rieche ich im Wind nur noch den Tod.

Bald begann sich die Ebene zu senken. Grau in Grau gingen See und Himmel ineinander über. Eine tief ins Landesinnere reichende Bucht, zur Ebbe seicht, mit festem, sandigem Boden erstreckte sich vor dem Reiter und dem Pferd. Über ihnen sangen die Möwen ihr fremdartiges Lied. Er stieg ab und kniete in den Sand. Neben ihm ragte ein von der See und Jahrtausenden ausgespülter Torbogen in den Himmel. Das Licht war so flach, dass sogar der gelbe Sand grau schien. Er nahm eine Handvoll auf, dort wo noch die Wellen hinreichten, und ließ das mit aufgenommene Wasser durch seine Finger fließen, bis nur noch der Sand seine Handfläche bedeckte. Dann führte er sie zum Gesicht und roch, lange.

So war es damals auch gewesen, als sie über die große Walstraße hinunter in den Süden fuhren, um Hrothgars Halle und seine Königswürde zu retten. Genau hier hatten sie das Boot zu Wasser gelassen, ausgelassen und froh, keiner ahnte des Unheil, das im Land der Speerdänen ihrer harrte. Unbekümmert und wild waren sie gewesen. Ob auch ohne solch Unbekümmertheit ein Sieg zu erringen war? Er bezweifelte es. Danach, als sie glücklich und als Helden zurückgekommen waren, ließen sie hier die Schiffe ins Wasser wenn wie jetzt im Frühling die Reise in den Süden ging. Zu den reichen Städten und den dunkelhaarigen, kohlenäugigen Mädchen und zum roten Wein. Wieviel Gold hatten sie mit nach Hause gebracht, was war ihm davon geblieben. Die goldenen Spange, einzig aus unlesbaren Schriftzeichen gebildet, hatte er dem Mädchen geschenkt, nur mehr sein Panzer war übrig. Gold verfaulte schneller als Brot, übrig blieb nur der Geschmack des Schimmels auf der Zunge. Er straffte sich, richtete sich mit einem Ruck auf, ignorierte die steifen Glieder und den schmerzenden Rücken.
Was ein Mann nicht verteidigen kann, gehört ihm nicht. Der Wahlspruch seiner Ahnen galt auch ihm. Er war König, ihm gehörte das Land, gegen wen auch immer, musste er es verteidigen. Auch wenn der Gegner ein Kind der Midgardschlange war.

Langsam stieg er in den Sattel und trieb den Schimmel ins seichte Wasser der Bucht hinaus. Das Wasser war kalt und der Hengst warf den Kopf zurück, den langen gebogenen Hals gestreckt. Der König beugte sich zum Ohr des Pferdes und flößte dem Tier Zutrauen ein. Bald reichte die sanfte Dünung bis auf den Sattelgurt des Tiers.

Auf geradem Weg zum Drachenberg. Keinen Umweg. Da nahm er eine Rabenfeder wahr, die im Wasser trieb, schwarz und ölig glänzend. Er beugte sich aus dem Sattel und fischte die Feder auf. Sie war lang und wohlgestalt. Er steckte sie unter der Kapuze in einen seiner langen Haarflechten, denn ein Wahrzeichen blieb ein Wahrzeichen. Er hatte schon vor langer Zeit den Unterschied zwischen Glück und Gotteswunsch aufgegeben, er nahm die Zeichen einfach hin.


III

Unter den Linden am anderen Ufer der Bucht stand eine Kate. Langsam ritt er näher. Die Kate war alt und ärmlich, die Mauern aus moosigem Stein fast völlig vom strohgedeckten Dach verborgen, das teilweise bis zum Boden reichte. Rauch stieg auf, so band er sein Pferd an den Eibenstamm der tot vor der Hütte stand. Ein Überbleibsel aus besseren Tagen, fast wie der Alte selbst.

Kurz scheute Hemming, denn eine Schlange kroch langsam und ohne Furcht über den Hof und verschwand im Dachstroh. Laut rief er, und trat gebückt ein, während er das schwere Fell, das schmutzig und stinkend vor den kalten Winden von der See her schützen sollte, zur Seite zog.

Obwohl draußen Regen und Nebel regierten, mussten sich seine Augen erst an das Dunkel der Hütte gewöhnen. Zu Beginn sah er nichts, nicht einmal die Feuerstelle. Alles was er wahrnahm, war der Geruch alter Milch und eines schlecht genährten, qualmenden Feuers. Langsam gewahrte er die Feuerstelle in der Mitte des Raumes, nur spärlich drang Licht durch das Rauchloch im Dach. Er ließ den Vorhang hinter sich fallen und trat einen Schritt hinein in den Raum. Der Boden war uneben, mit altem Schilf bestreut.

„Was willst du Krieger, mit deinem Schwert und deinem Panzer. Bist du gekommen um das Brot und den Met eines alten Weibes zu nehmen?“

„Nein“

„Dann bist du gekommen, du reicher Mann, um deinen Spott mit meiner Armut zu treiben. Über mein Alter lachen kannst du nicht, denn ich sehe, auch du trägst die Furchen der Zeit. Was willst du also.“

„Speise und Trank, ich zahle auch, du sollst es nicht bereuen Weib.“

„So einer bist du also. Einer der zahlt. Früher einmal wärest du mein Gast gewesen, heute bist du nur mein Kunde. Sag selbst, alter Mann, wärest du nicht lieber Gast gewesen, als ein Geldsack.
Tritt zum Licht und lass dich sehen, dann sollst du haben was du willst, deinem Schwert kann ich es sowieso nicht wehren.“

Wieso kann sie mich sehen, aber ich sie nicht, schoß ihm durch den Kopf, als er zum Feuer trat. Er wärmte seine Hände an der blakenden Feuerstelle. Er hatte wieder direkt ins Feuer geschaut, darum war der Raum ringsum wieder Dunkel wie zuvor. Nur aus der Dachluke kam ein wenig Lichtschein herein, aber die Schwärze in der Hütte schien das Licht aufzusaugen. Lange bevor es noch den Boden erreichen konnte, war es schon verschluckt. Mit ausgestreckten Armen kniete er behutsam nieder, die steifen Knie knackten wie trockenes Holz.

„Was ist euer Geschäft, dass euch in den Norden, zum Drachenberg hin treibt, ihr seid alt genug um zu wissen, das Lokis Kinder nicht den Ruhm, sondern nur den Tod bedeuten für einen sterblichen Mann.“
Er vernahm sie im Dunkeln hantieren, sah auch ihren Schatten und die Konturen ihres gebeugten Körpers, hörte ihre schlurfenden Schritte.

„Ich suche die Steine von den Sternen, aus denen die scharfen Schwerter und todbringenden Äxte gemacht werden. Hoch oben in den Bergen des Nordens sind sie zu finden, tief im Niflheim.“

„Ihr sehr mir aber nicht wie ein Schwarzschmied aus.“

Sie trat aus dem Dunkel an ihn heran, bedeutete ihm einen grob bearbeiteten Baumstrunk, den er zuvor übersehen haben musste, auf den er sich zu setzen hatte und reichte ihm eine Schüssel und einen Kanten Brot.

Sie ließ sich auf einen Schemel nieder, direkt neben ihm, und bedeutet ihm zu essen. Er war hungrig, den ganzen Tag lang hatte er nichts zu essen gehabt. Das Wohlleben hatte ihn verweichlicht, stellte er sachlich fest. Trotz seines Hungers schielte er über den Rand der hölzernen Schale, während er hastig aß. Das Gesicht der Frau vor ihm ließ ihn nicht los.
Er bemerkte nicht was er aß, noch wie viel. Falten zogen sich wie Täler über ihr Gesicht, das dünne weiße Haar hing ihr in wirren Strähnen um den Kopf. Die Stirn war hoch und majestätisch,um die Augen zogen sich Falten, die Spott ebenso wie gutmütiges Lachen auszudrücken schienen. Die Frau war alt, uralt, gegen sie fühlte er sich wie ein Knabe vor dem Weib, doch ihre Augen waren klar. Klar wie die eines Mädchens das zur Sonnenwende durchs Feuer springt. Keine Spur der Trübe wie er sie ansonsten in den Augen der Alten und Ältesten zu sehen gewohnt war. Auch in seinen Augen musste wohl schon der graue Schleier für die anderen zu sehen sein, von seinem eigenen Alter kündend. Ihr Körper, wie auch ihr Hinterkopf war in einen tiefschwarzen Mantel gehüllt, an dem einzelne Strohhalme hingen.
Um ihren faltigen Hals schien Gold zu blitzen, es schien ihm wie das besondere Glitzern, das nur ältesten und schönsten Schmuckstücken eigen ist. Wenn sie den Kopf bewegte schimmerten auch grüne und rote Steine. Ein hoher Preis war einst für diesen Schmuck gezahlt worden, von der Frau wie auch von anderen, dessen war sich der König sicher.

„Ihr kommt doch von der Königsburg, wohin ihr auch das Sternensteineisen zu bringen gedenkt.“

„Ja“

„Habt ihr gehört, was der König zu tun plant? Wird er wirklich sein Leben dort am Drachenstein dem Enkel von Loki zu schenken? Beowulf, der Prinz der Goten hat keinen Erben, hatte nie ein Weib, der Streit ums Reich wird entbrennen.“

Schweigen, die feuchten Zapfen und Scheite im Feuer knackten.

„Ihr wisst, dass ein solcher Krieg der Mächtigen immer auf dem Rücken der Armen und Kleinen, der Frauen und Kinder ausgetragen wird.“ Eine kurze Pause, bevor sie bitter hinzufügte „Sie müssen zahlen, die Männer sterben bloß“

Aus einem Korb hinter sich warf sie Tannenzapfen ins Feuer, kleine Funken stoben als die Hitze die Samenkapseln platzen ließ.

„Was bloß kann einen solchen Mann, der in seiner Jugend ein Held war, um dann ein weiser und gerechter König zu werden, zu einer solchen Tat, der Tat eines unreifen Kindes bringen?“

„Ihr tragt doch ein Schmuckstück um den Hals. So schön wie ich noch nie eines sah. Jetzt seid ihr alt und arm, früher aber muss das anderes gewesen sein. Welche Tat und welche Scham müssen mit diesem Kleinod zusammen verbunden sein und doch tragt ihr es, stolz wie einst in den Tagen eurer Jugend. Obwohl euch der Reichtum und die Schönheit längst verlassen haben, und ihr wissen müsstet, das es euch nicht mehr ansteht es zu tragen, und doch tut ihr es.“

Kurz sah der König ihre klaren Augen flackern, nun da die Sonne untergegangen war, schien er in der Hütte schärfer zu sehen. Was er sah ließ sein Herz nicht froh werden, oft schon hatte er sich in seinem Leben der Angst gegenüber gesehen. Würgend und grimmig wie ein Wolf, der über dem Schaf steht, die Kehle rot von Blut, so war sie ihm gegenüber gestanden. Doch noch nie hatte er diesen Kampf verloren, immer mit harter Hand den Schrecken in seinem Herzen bezwungen. Aber noch nie so knapp wie an diesem Tag, in dieser Kate, diesem Weib gegenüber. Erleichtert war er als sie die Augen von ihm abwandte, ins Feuer blickte, und zu ihm sprach.

„Führt euren Schimmel hinter das Haus in den Stall, dort sind keine Tiere, ich halte dieser Tage keine mehr. Doch für euren Hemming ist gesorgt. Dann kommt zurück, ich werde den Met gewärmt haben, der euer Herz erfreuen soll.“

Draußen war es bereits dunkel, durch die Linden rauschte der Wind. Woher die Alte wohl die Tannenzapfen haben mochte, hier gab es weit und breit keine Nadelbäume. Er trat zu seinem Pferd und streichelte es sanft, flüsterte ihm eine Entschuldigung ins Ohr und führte es hinter die Kate, wo wirklich auch ein alter Schuppen stand, baufällig und windschief, aber gut genug für eine Nacht. Es fand sich auch eine Krippe mit Hafer und Stroh sowie klares Wasser. So ließ er den Schimmel allein, und ging zurück in die Kate.

In der Hütte war der Geruch nach gebrochener Milch, Alter und Krankheit verschwunden, an seine Stelle war ein scharfer, würziger Geruch getreten. Es war hell, Kienspäne waren entzündet worden, ein warmes Licht erfüllte den Raum, ließ aber die Ecken und Winkel im Schatten geborgen. Der König trat ans Feuer und setzte sich auf den Baumstrunk auf dem eine dicke, grobe Decke gebreitet war. Das Weib hatte sich die Haare aus dem Gesicht gestrichen, Zeichen von Schönheit und Freude waren zu erkennen.


Die Alte reichte eine Schale über das Feuer, nachdem sie aus einem tiefen Krug geschöpft hatte.

„Trinkt mein König. Es soll euch bekommen. Recht hattet ihr, mit dem was ihr gesagt habt, mutig waren eure Worte. Die Klinge eines Mannes ist immer nur so scharf wie sein Geist und seine Zunge.“

„Vergebt mir Herrin, denn ich war verletzt und töricht, euch so anzusprechen.“

Sie blickte wieder ins Feuer nachdem beide tief aus der Schale getrunken hatten, füllte sie wieder und sprach, von der Vergangenheit Worte die dem König fremd blieben, obwohl er sie zu verstehen meinte:

„Die Wahrheit ist selten ein gern gesehener Gast. Früher gab ich, was ich hatte frei und freudig. Vielen und nicht alle waren wert, von mir beschenkt zu werden. Doch da gab ich um des Gebens und nicht des Bekommens Willen, blieb alles Frei, Schön und Gut. Doch als ich gab, was ich hatte um zu bekommen, wonach mein Herz sich sehnte, war die Unschuld und die Schönheit nicht mehr frei und verschwand. Zurück blieb ein Makel, der nie mehr von mir weichen wird. Doch ich trage ihn, denn es ist mein Makel und dieses Band um meinen Hals ist Zeichen meines Makels wie auch meiner Unschuld die verloren ging. Frei war ich aber bin es nicht mehr.“

Er reichte ihr die Schale zurück und sie trank.

„Ihr habt mich an Dinge erinnert die ich schon lange vergessen glaubte, habt Dank Beowulf, ein würdiger König der Goten seid ihr, wie noch nie einer war.“

Wieder füllte sie die Schale und reichte sie dem König, der Geschmack nach Harz und Honig, würzig und bitter, süß und klar zugleich bezauberte seine Zunge und seinen Geist. Über die Schale blickte er hinüber, wo die Alte saß, die ins Dunkel hinter des Königs Schulter sah.


„Du weißt warum ich den Wurm im Berg einen Enkel Lokis nannte?“

„Ja, denn er war der Vater der Midgardschlange, die sich um die Erde legt, in vielfachen Schlingen, und von der manche sagen, dass es ihr Leib ist, auf dem wir wohnen, wenn er aus der ewigen See hervorschaut.“

„Wie zeugte Loki denn seine beiden Kinder, die Schlange und den Wolf?“

„Ich weiß es nicht, Herrin“

„Er zeugte sie gar nicht, er gebar sie, als er durch die Welt strich. An einem Feuer vorbei kam, an dem Menschen ein schreckliches Unheil begangen hatten. Eine Frau war verbrannt worden, auf einem Scheiterhaufen aus Lindenholz, lindenholz-weiß wie dein hölzerner Schild, den du am Sattel führst. Die Frau war verbrannt, eine Hexe nannten sie die unverständigen. Nur mehr der Duft nach verbranntem Fleisch hing in der Luft, die Toren waren schon verschwunden. Doch in der Glut und in der Asche fand Loki das Herz der Frau, vom lindenholz-Feuer geröstet, doch innen roh. Dieses Herz aß er, so dass das Blut über sein Kinn lief, gierig wie eine Schlange und ein Wolf, schlang er es hinunter.“

„So kamen also die Unholde in die Welt.“

„Ja, durch ein Verbrechen aus Dummheit.“

„Was willst du mir damit sagen, Herrin? Dass die Monster nur an ihrem Herzen verwundbar sind?“

„Nein, nicht am sondern durch das Herz. Weder Grendel noch seine Mutter hast du am Herzen verwundet, sondern mit deinem Herzen. Vergiss das nicht Kriegskönig. So auch den Drachen, das sagt dir Syr, die Alte.“

Am nächsten Morgen erwachte der König, fand eine Schale Mus am Feuer, aß es und ging hinaus zu seinem Pferd. Die Alte kam nicht mehr zum Vorschein. Nur die Schlange, die anderntags seinen Weg gekreuzt hatte, glitt wieder vor ihm über den schmalen Pfad, als er durch den Lindenhain ritt.
Später folgte er dann dem nächsten Fluss hinauf in die Berge. Wieder hingen die Wolken tief, es nieselte und binnen kurzem war der Alte nass bis auf die Haut. Nur die Wärme des Pferdeleibs unter ihm half dem König.




IV

Ein Drachen bedeutet mehr als nur einen ungeheurer Leib, mit Schwingen und Feueratem. Mehr als nur Schuppen und Klauen, Zähnen und Gift. Nicht alle Verwüstung besorgt er selbst, nicht alle Verwüstung, zumal nicht die schlimmste, ergibt zerstörte Felder und entvölkerte Landstriche. Die Schwachen erliegen seinem Feuergeist zuerst, aus Angst vor Tot und Schmerz wahnsinnig geworden, brechen sie aus den Banden, die Liebe und Gesellschaft um sie geschlungen, aus. Folgen nur mehr der eigenen Spur, werden kleine Abbilder ihres eigenen Herren. So kam der König, je näher er dem Drachenberg kam, auch an Höfen vorbei, die nicht der Zahn und Atem des Kindes der Weltschlange verwüstet, sondern Menschenhand. Durchnässt und müde erreichte der König ein Dorf. Auf einem kleinen Hügel lag es, unter sich ein klarer Fluss. Freundlicher Rauch aus herzerfreuenden Feuerstellen stieg aus den dunklen Dächern auf. Der Alte beschleunigte den Schritt des Schimmels, den Hügel hinauf, durch die Bäume hindurch.

Als der Pfad die Hügelkuppe erreichte, und der Gotenprinz die Siedlung erblickte, ihm der Rauch in die Nase stieg, erkannte er seinen Fehler. Hier waren keine Menschen mehr, an deren Feuerstelle er Nahrung und Wärme finden konnte. In den Linden am Straßenrand baumelten Leichen im leichten Wind. Die Häuser und Hütten waren schwarz verkohlt, die Dächer und Mauern gebrochen. Betrübt wollte er das müde Pferd zurück in den Schritt zwingen, als er den wohl vertrauten Klang von Stahl auf Stahl vernahm und heisere Männerstimmen.

Am anderen Ende der Dorfstraße war eine Versammlung zu sehen, ein Kreis, in dem zwei Figuren sich bewegten. Die Jahre hatten seinen Augen viel von ihrer Schärfe genommen, er konnte nicht allzu viel ausmachen. Nur die Schläge und die Schreie, der Männer und der Raben, die in Festtagslaune an den Toten fraßen, vernahm er klar und sicher.

Noch hatten sie ihn nicht bemerkt, er warf den nassen Mantel hinter sich auf den Pferderücken, strich die langen grauen Flechten seines Haares aus der Stirn und verknotete sie im Nacken. Den Helm setzte er sich nicht auf den Kopf, denn im Getümmel ist die Größe des Sichtfeldes entscheidender als der Schutz von Eisen und Leder. Dann nahm er den Lindenschild vom Sattel, warf ihn sich über die Schulter und richtete sich zur vollen Größe auf. Dann rief er den Männer die Straße hinunter seine Warnung zu.

Sofort öffnete sich der Kreis, der König erkannte einen Knaben im Kampf mit einem Mann. Der Mann schlug dem Kind die Waffe aus der Hand, sofort nahmen ihn zwei Männer in die Mitte. Der mit dem Schwert trat aus dem Kreis und seine Männer folgten ihm.

„Seht euch den zahnlosen Greis an. Der Geifer läuft ihm aus dem Mund. Alter, seid froh wenn ihr noch auf euren beiden Beinen zu stehen vermögt, alles andere ist euch zu viel.“

Gelächter seiner Männer.

„Es ist die Drachenzeit, die Blutzeit, die Wolfszeit. Die Zeit der Starken. Lasst die Schwachen verrotten, das Ende der Zeiten zieht herauf. Alter geh heim, wenn du den Abend noch sehen willst.“

Sie kamen immer näher.

Beowulf hörte in sich hinein, auf das Feuer in seiner Seele. Früher brannte es hoch und hell lodernd, kaum zu bändigen. Jetzt war es nur mehr ein schwaches Glimmen, eine Glut kurz vor dem Verlöschen, doch noch war sie da. Der König schlug dem Schimmel auf die Hinterbacken, mit einem Wiehern verschwand das Pferd hinter den Häusern. Nun machte er sich daran, in sein Seelenfeuer zu blasen, wie er es als Kind gelernt. Die Glut neu zu entfachen, den Kampf zu führen. Den zerlumpten Haufen der auf ihn zu kam, nahm er nur als Schemen wahr, all seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Glut in ihm. Sein Herz wurde heiß, seine Arme durchflog lange nicht mehr gekannte Stärke. Kälte und Nässe wich aus seinen Gliedern. Geschmeidig zog er sein Schwert, schwang es langsam im Kreis vor sich, wie um sich an dessen Schwere zu gewöhnen. Doch kannte er es seit langem, aus dem Haus unter dem Meer hatte er es. Fremdartige Zeichen liefen an der Blutrinne in der Mitte der Klinge entlang. Es glänzte nicht hell wie die Schwerter der Goten, es war matt und grau. Nicht geglättet schien seine Oberfläche dem Auge, sondern körnig und uneben, doch wenn der Finger über den Stahl glitt, so war der Eindruck der einer unfassbaren Geschmeidigkeit. Fast weich schmiegte sich das Metall an die Finger.
Stark loderte nun das Feuer im Herzen des Königs, sein Schwert lag glühend heiß in seiner Faust, und laut sang es sein grausames Lied von Blut und Tot und Kampf.

Seinen Streichen waren die Räuber nicht gewachsen, neue Tote gesellten sich zu den Toten in den Bäumen und Häusern. Bald war der ungleiche Kampf zu Ende, doch den Knaben erreichte er zu spät. Eine rachsüchtige Hand fügte dem Gefesselten eine Wunde zu, der König kam zu spät. Wenig mehr war ihm möglich als den Sterbenden zu laben und später den Toten zu ehren. Er kniete, den Körper des Knaben im Arm, auf der Erde.

„Warum bist du mir doch nachgeritten, hast nicht auf mich gehört, ich kannte das Ende dieser Reise für Dich.“

„Alle ließen euch allein Herr, ich wollte euch beistehen.“

Der Knabe schluckte schwer. Sein Atem ging stoßweise.

„Werde ich die goldene Halle des Einaugs sehen, Herr, werden wir uns dort wiedersehen, unter den Helden der Zeiten?“

Gern hätte er den Knaben beruhigt und getröstet, aber Lüge blieb Lüge. Für ihn gab es keine Gnade der Unwissenheit.

„Nein. Viel hab ich gesehen von der Welt in meiner Zeit. Im Westen glauben sie an andere Götter, im Süden an nur einen Gott, im Osten, in den endlosen weiten der Wälder und Sümpfe, wo die Flüsse gewaltig sind wie die See selbst, dort glauben sie an die Seele der Natur. An viel glauben die Menschen, aber nur wir an Walhalla. Glaubst du wirklich Einaug und sein Weib würden auf so viele starke Krieger verzichten, wenn es sie und ihre goldene Halle wirklich gäbe?“

„Nur wir Schwertgoten sind wirklich stark, alle andern sind nur Abbilder der Stärke Herr. Der Herr und die Herrin können sie nicht brauchen, nicht so wie uns.“

„Ich wünschte du hättest Zeit genug gehabt um zu lernen, was du jetzt noch nicht weißt mein Junge“

Der Knabe in seinen Armen war tot. Er beugte sich tief über die Brust des Knaben, roch das Blut des Kindes, den Geruch des Todes.

Die Zeiten gehen dem Ende zu, wenn das Alter lebt und die Jugend stirbt. Lange trauerte der König um den Sohn der ihm nie geboren, den er nie gehabt und den er nun für immer verloren hatte. Als langsam das Seelenfeuer in seinem Herzen niederbrannte, bis wiederum nur noch ein wenig Glut tief unter der Asche zu finden war, stand er auf. Er spürte einen Kratzer auf der Wange, und eine Zerrung in den Waden. Er blickte die Straße hinunter. Den Weg den er zurückgelegt hatte, säumten Leichen. In verzerrten Stellungen, verstümmelt, lagen sie im Matsch der Dorfstraße. Zwischen den dunklen Körper der Männer sah er einen hellen Fleck. Langsam ging er darauf zu. Die Füße schleiften über den Boden, müde war er und ausgelaugt. Über dem Körper des Anführers, beugte sich eine kleine Gestalt in hellen Leinenkleidern, halb verdeckt von der Leiche eines Räubers. Darum hatte sie der König nicht sofort bemerkt.

„Was machst du da Kleine, wo kommst du her“

Ohne Scheu blickte ihm das Kind in die Augen. Es war ein Mädchen von etwa 10 Jahren, schwarzes Haar und helle, klare Augen. Zart gebaut, mit einem Blütenkranz aus Akelei im Haar.

„Ich wohnte hier, meine Eltern hatten mich in dem Wald geschickt, als die Männer kamen, und jetzt kann ich sie nicht mehr finden“

Kurze Pause
„Er lebt noch. Seht nur, sein Atem erzeugt Bläschen im Blut vor seinem Mund.“

Beowulf zog sein gebogenes Messer aus dem Gürtel und kniete in den feuchte Matsch der Straße. Blut und Exkremente durchtränkten seine Beinkleider.

„Was habt ihr vor.?“

„Ich werde ihn erlösen.“

„Wie denn? Meine Mama sagt, nur Gott kann die Menschen erlösen?“

„Der Tod erlöst den Menschen, er allein.“

Mit einem Schnitt, quer durch die Kehle, das Blut floß dick und rot aus der klaffenden Wunde, fand der Mann Erlösung. Ein kurzes Zucken und Aufbäumen, dann war er gegangen. Für immer.

„Hinter den Hütten steht ein Pferd, ein weißes. Bring es her. Es ist ein freundliches Tier, Hemming ist sein Name, es wird dir folgen, nimm es einfach am Zügel.“

„Mach ich“

Das Mädchen machte sich auf die Suche nach dem Pferd. Der Alte lehnte sich gegen die Körper der Toten, wie auf die Polster, an die sich die Prinzessinnen des Südens lehnen. Nur glänzten seine nicht von Seide und Gold, sondern von Blut und Eisen. Überall hüpften Raben, mit glänzenden Federn, auf den Leichen umher, um sich Leckerbissen zu suchen.

„Ich habe euer Pferd, Herr.“

Beowulf öffnete die Augen.

„Gut, lass uns die Toten auf einen Haufen schaffen, auch die von den Bäumen und ein Feuer entzünden. Je länger wir warten, um so ärger wird die Arbeit“

Die Kleine sah ihn ungläubig an.

„Wie nannten deine Eltern dich?“

„Hörn rief mich der Vater.“

„Ich werde mit dem Tier die Toten bringen,Hörn und du Kleine, schneidest ihnen die Nägel an Händen und Füßen, und vergiss die Haare am Kopf nicht.“

„Ich habe Angst, warum soll ich das tun?“

„Haben dir deine Mutter und dein Vater nicht von Naglfar erzählt?“

„Nein.“

„Das ist das Schiff der Riesen, die Planken gefertigt aus den Nägeln der Toten, die Taue aus deren Haaren. Wir wollen doch nicht die Riesen über den Ozean zu uns kommen lassen, denn dann...“

„...beginnt der Ragnarök. Das haben mir die Leute im Dorf erzählt, aber Mama hat immer gesagt ich soll nicht auf die Lügenmärchen hören. Mama kam aus dem Süden, Vater hat sie mitgebracht, sie war Christin“

„Es ist aber auch wichtig die Toten nach deren eigenem Glauben zu ehren, egal was sie auch im Leben Schlimmes oder Gutes angestellt haben mögen. In den Tod hinein sollten die Lebenden nicht zürnen.“

Es war eine lange Arbeit, bis in die Nacht hinein. Endlich loderte der Scheiterhaufen in den Nachthimmel.


V

Irgendwann später lag er in einer kleinen Rindenhütte im Wald. Nahe am Feuer, sein Mantel war zwar noch klamm aber nicht mehr naß. Es war warm, aber in ihm war es kalt. Dämmrig fragte er sich, wie er in die Hütte gekommen war. Die Kleine hatte ihn geführt, an der einen Hand er, an der anderen das Pferd. Jetzt saß sie ihm gegenüber. Dann schlief er wieder ein.

Als er das nächstemal die Augen öffnete, war es noch immer Nacht, oder schon wieder. Die Kleine beugte sich über ihn, mit einer Schale voll Milch. Er wollte selbst trinken, aber konnte sich nicht aufsetzen, geschweige denn die Schale halten. So fütterte ihn das Kind wie ein Neugeborenes. Sein Kopf lag in ihrem Schoß, ihre Hand stützte ihn, während er langsam trank. Warme, dicke, süße Milch war in der Schale, lange und sorgsam über dem Feuer gekocht. Vorsichtig schluckte er, bis die Schale leer war. Danach füllte das Mädchen nach, nocheinmal fütterte sie ihn worauf er wieder in tiefen Schlaf fiel.

Die Sonne kitzelte ihn in den Augen, weckte ihn. Golden fiel ihr Strahl durch die frischgrünen Birkenblätter in die Rindenhütte. Er setzte sich auf, da kam das Mädchen zur Tür herein.

„Ihr habt viel getrunken, Herr. Meine Ziege gibt nicht soviel Milch, ihr müsst bald weiterziehen. Mir scheint euer Name ist nicht ganz der rechte.“

„Wie meinst du das?“

„Ihr heißt Beowulf, der Bienenjäger. Der Bär liebt die Bienen und ihren goldenen Saft. Ihr seht auch aus wie ein Bär, doch scheint ihr mir eher ein großer Jäger meiner Süßmilch zu sein.“

Der König musste lächeln.

„Danke für alles, Hörn. Sag, wo sind dein Eltern. Waren sie unter den Toten?“

„Nein, zuerst töteten sie die Männer und hängten sie in die Bäume. Dann sperrten sie die Frauen in die Häuser und gingen hinein, um sich mit ihnen zu vergnügen. Ihre Schreie waren schrecklich. Wenn meine Eltern sich liebten, war es für beide schön, woher kommt der Schrecken in der Liebe?“

„Früher war Liebe nur Schönheit und Freude. Freia gab frei und mit vollem Herzen. Doch dann fiel ein Schatten auf ihre Seele, die Dverge hatten ein Halsband geschaffen. Das Gold und die Steine dieses Kleinods verdunkelten ihr Herz. Um das Stück zu bekommen verkaufte sie ihren Körper den drei Schmieden. Jedem von ihnen war sie eine Nacht zu Diensten. Die Gier und das Haben-Wollen verschmutzten die Liebe, und seitdem ist sie nicht mehr rein und frei, sondern kann auch schrecklich und hässlich sein mein Kind.“

„Seid ihr krank Herr, dass ihr solange geschlafen habt?“

„Meine Krankheit ist das Alter. Die schwere Arbeit ließ mich lange schlafen.“


„Wer seid ihr Herr, woher kommt ihr, warum wißt ihr soviel?“

„Weit gereist bin ich den Tagen meiner Jugend, vieler Völker fremden Zungen habe ich gelauscht, und nicht alles vergessen. Darum weiß ich einiges, nicht vieles. Ich komme aus dem Süden, von der Küste her. Darum bin ich so müde. Beowulf ist mein Name, zum König wurde ich, als der Stamm meines Schwesterbruders im Krieg sein Ende fand und verdorrte. Darum bin ich hier, den Drachen zu töten.“

„Ihr seid Beowulf, der Kriegskönig, der Frieden brachte den Goten und Tod den Fremden? Der damals den Grendel erschlug, Hrothgars und der Dänen Befreier, dessen Taten die Goten in aller Welt berühmt machten? Viel habe ich von den Taten deiner Jugend gehört, Gotenkönig, kannst du es erzählen, so wie es wirklich war?“

„Viel Kunde aus alter Zeit hast du gehört und in deinem Herzen bewahrt, mein Kind. Sag, was weißt du von dem Drachen.“

„Mär gegen Mär lasst uns tauschen, Herr.“

„Mär gegen Mär mein Kind und noch einen Trank von deiner Süßmilch, dann will ich dir erzählen, was schon lange keiner mehr gehört von mir.“

Das Mädchen schöpfte mit der hürnenen Kelle aus dem schwarzen Topf über dem Feuer. Dem Alten fiel auf, dass ihr helles Linnenkleid nun unter einem schwarzen Mantel verborgen war. Sie setzte sich zum ihm, er begann zu erzählen während draußen der Sonnenuntergang die Welt in ein rotgoldenes Licht tauchte, bevor es dunkel wurde.

„Jung war ich, durch meine Mutter mit dem König verwandt. Doch wenig achteten mich die Männer der Goten. Zwar war ich hoch gewachsen, doch selten sprach ich, noch seltener lobte ich die eigenen Tat. Am Fuße der Tafel des Königs saß ich, als letzter bedient mit Fleisch und Trank. Ungeachtet.“

Er nahm einen tiefen Zug, die Milch lief in seinen Bart hinein.

„Doch ich hörte viel, von Weibern und Männern, lernte was ich konnte, denn damals war mein Geist wie Feuer. Wissen verzehrte er wie trocken Holz und Torf, verlangte stets nach mehr. So hörte ich auch von Hrothgar und den Herren der Dänen. Wie der Sohn großer Väter seine Halle Heorot baute, als ich noch ein Kind war. Doch ein Unheil suchte jede Nacht die Halle heim. Eine Strafe seiner Hochmut schien es und es nährte sich an den starken Körpern der Helden, die vom Met berauscht in der Halle schliefen. Das Monster kam mit den Nebeln der Nacht und ließ nur die blutgetränkten Decken zurück, von den Körpern fehlte jede Spur, wenn des Morgens der Sonnenwagen aus der See stieg.
Mir war dieser Grendel, wie sie ihn nannten, ein Zeichen der Hoffnung, nicht länger ein armer Mann zu bleiben. Ein Zeichen war es mir auf Achtung und Respekt. Ich sammelte Männer um mich, wenige waren Freunde, die meisten gierig auf die Beute. So nahm ich von meinem König Urlaub, baute ein Schiff und fuhr über die Walstraße ins Reich der Dänen. Schwer war die Reise, als Wind und Wellen Reigen tanzten.
Im Reich der Dänen war es schwer, denn niemand glaubte mir, viele waren misstrauisch. Ein unbekannter Fremder sollte leisten, was die Dänenhelden nicht vermocht. Doch der König traute mir und ließ mich und meine Männer in der Halle schlafen.“

„So weit kenne ich die Mär, mein König. Erzählt mir doch was ich noch nicht weiß.“

„Die Nacht schien endlos, die Feuer waren ausgegangen, obwohl es Sommer war, schlich die Kälte auf leisen Sohlen in den Saal. Die Lider unserer Augen waren schwer wie Gold. Einer nach dem anderen sank in seine Decken zurück, wandelte ins Reich der Träume. Auch ich schlummerte. Ein junges Mädchen lag in meinem Arm, dem ich ein Held schien.“


„Doch der Geruch nach Moor, unwirklicher Kälte und altem Blut weckte mich. In der Tür stand der Unhold, der aus der Tiefe emporgestiegen war. Gedämpft schienen mir meiner Schritte Laut, seltsam verzögert meine Bewegungen, wie im Traum. Mühelos und Gehemmt zugleich. Die Tür, in der er stand, schien nicht näher zukommen, doch plötzlich war ich dort. Bei ihm, wir rungen mit bloßen Armen, denn er kannte keine Waffen und ich führte keine.“

„War es denn ein Mensch, ein Moorhold oder einer der Jotünen?“

„Ich weiß es nicht mein Kind, nie wieder sah ich einen seiner Art. Niemand hatte, auch nicht die Weisen und die Dverge, je von solchem Wesen gehört. Große Stärke war in seinen Armen, in seiner Brust, in seinem Rücken, doch die Füße waren schwach, wie die eines Kindes. Bald hätte ich verloren, allein ich kannte die Kniffe der Ringkunst, er nicht. Ich betrog ihn mit seiner Unwissenheit, zurück blieb ich, geschunden und gewürgt, er floh, doch sein Arm blieb in meiner Hand.“

„Dann verblutete er im Moor, der Grendel?“

„Nein. Davon später. Wie alles lebende hatte er eine Mutter. Sie kam um ihren Sohn zu rächen. In der Nacht, auf leisen Sohlen, mit den Nebeln schlich sie in die Halle. Ich folgte ihren Spuren. Schön waren sie, zart im Tau des Morgens, im hohen Gras.“

„So war sie eine echte Frau? War sie schön.“

„Vielleicht war sie eine echte Frau. In ihrem Palast, sah ich sie dann. Schön war sie wie der Morgen und die See. Keine vermochte seither mein Herz zu rühren.“

Der König machte wieder eine Pause und nahm einen Zug aus der Milchschale.

„Tief unter dem Meer lag ihr Haus. Schimmernd wie das innere der Muschel. Rosig und glänzend. Es schien mir als könne ich im Wasser atmen, fischgleich.“

„Dort stand sie, in einer marmor-weißen Halle, mit hohen Säulen. Dort sprach sie auch zu mir. Sie wieß mir ein Schwert, das ich jetzt noch führe, und hieß mich ihrem Sohn den Kopf zu nehmen, sein Leiden zu enden. Der Unhold lag auf einem weißen Stein, sein Blut lief zu beiden Seiten hinab, alles war getränkt davon. Er dauerte mich, sein Gesicht war schmerzverzerrt, er klagte in hohlen Tönen. Meine Hand war schwach, ich vermochte es nicht.

„Bring zu Ende, was du begonnen, Gotenheld. Erlöse mein Kind, das dir so hässlich scheint, mir aber Schön, Gut und Gerecht. Die Frucht meines Leibes, nimm sie dir ganz, beende auch mein Leid. Ich habe ihn geboren und dir geschenkt, damit du an ihm zum Helden werden konntest. Töte ihn, den du verstümmelt hast, gedankenlos.“

„Ich vermag es nicht.“

„Dann heile ihn, wenn du auch dies nicht vermagst, so sollst du großes Leid in dir tragen, dein ganzes Leben, und dein Ende, denn es wird kommen, soll ein jammervolles sein.“

So nahm ich das Schwert und schlug ihm den Kopf vom Leib. Dann nahm mich die Herrin mit sich, labte mich mit ungekannten Speisen, wir aßen aus Muschelschalen und nie gesehenen Tierpanzern. Dabei strich sie mir übers Haar und erzählte mir die Geschichte ihrer Mutterschaft und seiner Kindheit.“

„Erzählt Herr, erzählt.“

„Nicht alles soll man erzählen, nicht alles kann ich erzählen. Es ist schon spät, morgen muss ich weiter, zum Drachenberg. Was weißt du von ihm.“

„Lange hat er geschlafen der Drachen, auf einem Hort aus rotem Gold. So erzählten die Alten im Dorf. Zweimal im Jahr, tanzten wir ums Feuer und sangen den Feurigen tiefer in seinen Schlaf. Er war der Hüter eines Horts aus alter Zeit, das Kriegsgold der Wanen sollt er hüten, als der Krieg der Götter tobte. Doch als Wotan Freia heim geführt und die Asen herrschten, da vergaßen die Wanen ihn, denn nur Tote wussten noch um ihn. Im Dorf lebten die Hüter des Drachen, wir sangen. Meine Mutter glaubte nicht daran, Vater hatte sie im Süden geraubt. Für sie gab es keine Drachen, keine Götter und kein Gold, tief im hohlen Hügel. Doch der Wechsel der Generationen verwirrte die Gesänge, und ein fremder Dieb fand so den Weg in den Berg, er weckte den Drachen aus seinem Schlaf. Seitdem wütet er im Land und in den Köpfen der Menschen.“

„Schlaf mein Kind, auch ich werde schlafen, und morgen weiterziehen. Hab dank für deine Mär und deine Milch.“

Satt und zufrieden drehte sich der Alte um, wickelte sich in seinen Mantel, nahe am Feuer und der Schlaf küsste ihm süß die Lider.


VI


Die Sonne kam gerade über den Bergrücken in Sicht, als Beowulf sein Pferd bepackt hatte und sich daran machte in den Sattel zu steigen. Seine Glieder waren noch steif von den Nacht, es fiel ihm nicht leicht.

„Nehmt mich mit Herr. Euer Pferd ist stark genug für zwei. Ich werde für euch kochen, denn Essen müsst ihr. Außerdem will ich nicht allein bleiben. Nehmt mich mit Herr.“

Ein frischer Kranz aus Akelei in ihrem Haar, die Stimme war so bestimmt und fest, dass Beowulf sie ergriff und vor sich in den Sattel hob. Dann erst stieg er selber auf.

Längere Zeit ritten sie ohne ein Wort zu sprechen. Beide genossen den Frühling, jeder auf seine Weise. Das Licht in den jungen, grünen Blättern, der Duft der Erde und der Blumen, ihr bereitete es Freude ihm Trauer. Der Weg führte stetig bergan, langsam ließen sie das fruchtbare Grün des Tales hinter sicht. Rauhe Felsen und verkrüppelte Kiefern prägten bald das Bild. Der Frühling wurde wieder zum Winter, bald waren Schneeflecken zu sehen und der Wind blies kalt, obwohl die Sonne schien.


Beide Reiter teilten sich den einen Mantel und ihre Körperwärme und der große Leib des Pferdes unter ihnen ließ es ihnen nicht kalt werden.

„Sagt Herr, unterbrach sie das Schweigen, „Grendels Mutter habt ihr nicht getötet, so wie die Geschichten es erzählen?“

Das Mädchen drehte sich im Sattel und blickte dem König ernst ins Gesicht.

„Ich habe sie getötet. Mit dem Schwert, das sie mir gab um ihren Sohn zu erlösen. Nachdem sie mich gefüttert hatte und ich ihn ihren Armen gelegen war.
Sie schlief sanft und auch ihr trennte ich das Haupt vom Rumpf.“

„Warum habt ihr das getan, sie fütterte euch und war euch nicht gram? Auch ich habe euch gefüttert und gepflegt, werdet auch ihr mir den Kopf vom Körper und die Glieder vom Leben trennen mit eurem Schwert?“

„Von allen Taten meines Lebens war ich nie überzeugter das Richtige getan zu haben, im Augenblick als ich es tat. Aber auch nie war ich mir danach sicherer das Falsche gewählt zu haben. Ich war jung und hatte Angst. Vor ihrer Schönheit und Liebe noch mehr als vor ihrem Sohn.“

„Wie kann man vor Schönheit Angst haben? Meine Mutter war schön, vor ihr hatte ich keine Angst.“

„Grendels Mutter hatte mein Herz gefangen, ich wollte mich befreien. Aber nachdem ich sie getötet hatte, merkte ich, dass die Tote mein Herz noch immer in ihrer Hand hielt. Und nicht mehr loslassen würde.“

„Darum seid ihr unbeweibt geblieben?“

„Ja, wo andere ein schönes Weib sahen, sah ich nur einen blinden Fleck.“

„Dann war der Knabe den ihr auf dem Scheiterhaufen legtet, zu dessen Ehren ihr die anderen verbranntet, gar nicht euer Sohn? Aber ich sah die Tränen in euren Augen.“

„Ich hatte keinen Sohn, ich werde auch keinen mehr haben, er war nur ein Knabe.“

„Ihr habt die Räuber gewürgt, als ob ihr Tyr selbst wäret. Aber ihr habt noch zwei Arme, daher konntet ihr nicht der Schwertgott sein. Ich dachte ihr wütet so, weil sie euren Sohn gefangen hielten.“

„Auch ohne Blutsbande kann man lieben. In diesem Knaben sah ich viel schönes. Er hätte nicht sterben sollen.“

Sie ritten schweigend weiter, der König schien in den Erinnerungen seines Lebens versunken, er hörte die helle Stimme des Mädchens nicht mehr, und so verstummte mit der Zeit auch sie.

Mit der Zeit, als der Sonnenwagen immer höher in Himmel stieg und dann wieder zu sinken begann, wurden die Drachenzeichen immer deutlicher. Der König fand immer einen Weg im Schutz von Bäumen und Felsen, er mied das offene Land.

In einer zerstörten Kate, durch deren geborstenes Dach der Himmel blau mit schwarzen Wolken zu sehen war, ruhten sie. Vorsichtig machte des Mädchen Feuer und kochte vorsichtig die Milch, die sie in einem Schlauch aus Ziegenleder mit sich geführt hatte.
Beowulf hatte sich um das Pferd gekümmert, lange seinen Kopf an dessen Hals geschmiegt zugesehn wie es gefressen hatte. Nun saß er in seinen Mantel gehüllt mit starrem Blick an die Wand gelehnt.

Beowulf fühlte sich alt und schwach, ausgelaugt und lethargisch. Plötzlich überkam ihn die Angst vor dem Tod, er wollte nicht so sterben, einfach an die Wand gelehnt, bevor er den Enkel Lokis gesehn hätte. Doch seine Lider waren schwer, seine Glieder kalt und fühllos. Immer tiefer sank er in einen warmen, schwarzen Abgrund. In dessen unermesslicher Tiefe glänzten Sterne wie Schmucksteine. Immer schneller drehte sich das Bild, die Sterne bildeten ein Muster, wunderschön und lebendig. Aus Schwarz wurde Mitternachtsblau, eine unsichtbare Sonne ging auf und Beowulf vermeinte hinter einem Tor grüne Wiesen und goldenen Hallen zu sehen. Er schritt durch einen wohlgeschnitzten Türstock, der wie sein eigener in der Königshalle war. Er fühlte das glatte, dunkle Holz, da fror das Bild ein. Das Gefühl der Freiheit verschwand, er fühlte eine Hand an seiner Schulter. Unsanft rüttelte sie ihn, der Duft von warmer Milch stieg in seine Nase.

„Trink Beowulf, trink.“

Wieder hielt sie sanft seinen Kopf, strich im die grauen Haarflechten aus dem Gesicht und flößte ihm schluckweise die Milch ein. Mit jedem Schluck kehrte er einen Schritt mehr in die Welt zurück. Als die Schale wieder gefüllt worden war und geleert am Boden lag, öffnete der alte Gotenprinz seine Augen. Verschwommen sah er ein Gesicht über sich, zuerst meinte er die Alte aus der Hütte am Meer zu sehen, doch es war nur seine Müdigkeit die ihn täuschte, es war das kleine Mädchen.

„Ihr habt tief geschlafen Herr, aber ich habe euch geweckt weil ich dachte dass ihr hungrig seid, und dem war auch so. Ihr habt zwei Schalen getrunken. Mein Vater war auch ein starker, großer Mann, aber auch nach harter Arbeit konnte er nur eine Schale von Großmutters Milch trinken.“

Mit einer Mischung aus Spott und Stolz blickte sie auf ihn hinab. Beide waren nun in den Mantel und eine Decke gehüllt, das Feuer war ausgegangen, der Mond aufgegangen. Das Mädchen hatte Stroh und trockenes Gras gesammelt, es unter ihnen zum Bett und rings um sie zur Dämmung aufgeschüttet. Beide wärmten einander.

„Werden wir morgen zum Drachenberg kommen Herr?“

„Ja, zur Mittagszeit“

„Sollten wir nicht besser nächtens kommen, wenn der Drachen schläft?“

„Wann schlafen Lokis Erben, schlafen sie überhaupt? Ich weiß es nicht. Wenn du es weißt, dann sag es mir. Ich glaube so oder so ist es gleich. Ich werde hingehen und den Wurm erschlagen.“

„Sind Drachen nicht groß und unverwundbar, mit welcher Waffe wollt ihr den Steinharten Panzer durchdringen, habt ihr einen Plan geschmiedet? Gibt es Waffen die einen Drachen zu verletzen mögen?“

„Im Süden, wo viele Menschen leben, in großen Städten, unter Kaisern und Kalifen, da gibt es auch Waffen gegen einen Drachen.“

„Habt ihr so eine Waffe bei euch, Herr? Zeigt sie mir.“

„Ich besitze keine, ich habe sie nur gesehen als ich Söldner eines großen Kaisers war.“

„Was ist ein Söldner?“

„Ein Mann der nur für Gold und Beute kämpft, sein Schwert und seine Axt vermietet.“

„Warum habt ihr das getan?“

„Ich war jung und wollte die Welt sehen. Wir fuhren die großen Flüssen des Ostens entlang, bis sie eines Tages in ein Meer mündeten, das wiederum in ein anderes Meer mündet. Dort liegt eine große Stadt, dort wurde ich Söldner, dort sah ich auch die Waffen gegen einen Drachen.“

„Was sind das für Waffen?“

„Riesigen Bögen sind sie gleich, deren Pfeile, dick wie Tannenstämme weithinschattend fliegen. Auch Rohre gibt es dort, die Feuer speihen, viele Schritt weit.“

„Dann lasst sie uns bauen Herr, diese Waffen von denen ihr sprecht.“

„Ich habe nicht gelernt solche Waffen zu bauen mein Kind, auch weiß ich nicht ob ein Drachen, der sich bewegt und vielleicht auch zu fliegen weiß, überhaupt zu treffen ist.“

„Wie wollt ihr dann den Drachen töten?“

„So wie man Ungeheuer tötet, mein Kind.“

Sie blickt ihn fragend an.

„Mit dem Herzen mein Kind, nicht mit Waffen.“

„Das verstehe ich nicht“

„Zuerst muss man sich selbst überwinden, bevor man das Wesen besiegen kann. Jede Waffe ist nur zweitrangig. Man muss sein Leben gegen das andere Leben setzen, nur so kann es getan werden. Nur wenn ich bereit bin mein Leben zu opfern, “

„Aber eine Waffe braucht ihr auch dazu, wird euer Schwert nicht brechen, am Panzer des Drachen?“

„Es hielt Grendels granitenen Schuppen stand, allem Stahl eines Kriegerlebens, ohne jemals schartig zu werden. Auch den Drachenpanzer wird es bestehen. Aus dem Meerhaus habe ich es, von der schönen Frau, die sein Opfer wurde. Alt ist es und keinem Schwert gleich das ich je sah.“

„Zeigt es mir, mein Herr.“

„Es ist wild und blutdürstend. Wenn ich es ziehe, muss es trinken, dein Blut aber ist mir heilig, du meine Ernährerin. Schlaf nun, morgen ist es soweit, morgen werden wir sehen.“

Der König schlief, das Mädchen wachte und ließ ihre Finger über den Griff des Schwertes gleiten, dass dort an der Wand lehnte. Altes Leder, ölig und fleckig war um den Griff gewunden, kalt fühlte es sich an. Dann schlief auch die Kleine ein, an ihn gelehnt.


VII


Die Höhle führt in die Flanke eines grauen Hügels dessen Kuppe schneeweiß glänzte.
Verbrannt war das Land ringsum, die verkrüppelten Kiefern waren schwarz verkohlt, das braune Gras verbrannt. Das Loch im Berg war frisch gegraben, denn noch nicht lange war es her, dass der Dieb den Feuerdrachen geweckt. Mann und Mädchen standen vor dem Tor, verborgen hinter Felsen. Eine Weile warteten sie, dann ging er allein auf die dunkle Öffnung zu und verschwand in ihr. Das Kind kauerte sich in die Felsen und wartete.

In der Höhle blieb Beowulf stehen und horchte in sich hinein. Er hoffte, dass er das Feuer noch einmal lodern machen könnte, ein letztes Mal. Unter der Asche in seinem Herzen waren kaum noch Glut, und lange dauerte es bis Flammen züngelten. Geduldig blies der König, sanft und gleichmäßig nährte er die Flamme mit seinem Atem. Endlich loderte es in seinem Herzen, doch das Feuer war ihm fremd. Lange überlegte er was ihn befremdete. Es war etwas Neues im Feuer, etwas unbekanntes. Es erinnerte ihn an Butter, die geklärt in heiliges Feuere gegossen, ihren Duft verströmte. Endlich erkannte er das Unbekannte. Die Süßmilch nährte das Feuer, nicht sein Selbst. Süßmilch schmeckte er auf seiner Zunge und in seinem Herzen. Sanft und gleichmäßiger als sonst brannte die Lohe seiner See. Verwundert schüttelte er das Haupt, zog den Helm über Gesicht und Kopf. Dann fasste er den Schild und sein Schwert, bis seine Waffen vom Seelenfeuer heiß und leicht waren, dann machte er sich auf den Weg in den Berg hinein.

Manchesmal war der Weg schmal, manchesmal niedrig, an manchen Stellen beides und der König musste auf Knien kriechen. Endlich weitete sich der Stollen in eine Halle. Weit und hoch war sie, die Decke wie ein Schiffsrumpf aus dem Stein geschnitten, dunkel glänzte rotes Gold und Waffenschmuck.

Klein schien der Drachen, drei Hengste lang und auch nicht höher. Die Schwingen angelegt, der Schwanz, in Körperlänge, peitschte wild umher. Heiß war sein Atem, heiß sein Körper, doch Beowulf spürte die Hitze nicht, denn ebenso heiß war seine Seele.
So tanzten Mann und Wurm, nah einander, bis zärtlich aneinander geschmiegt sie nieder sanken. Der Drachen tot, das lange Schwert im Leib, aus vielen Wunden blutend. Der alte Held erschöpft, sein Panzerhemd zerrissen, sein Wams versengt, sank an den Leib des Drachens.

So fand ihn das Kind. Ihre Augen fanden einander.

„Ihr habt ihn getötet Herr. Es ist vorbei?“

„Ja.“

„Aber euer Panzer ist zerrissen, der Wurm hat euch verletzt. Lasst mich sehen.“

Sie kniete und strich Panzerringe wie auch Wams zur Seite. Eine schwarze, gezackte Wunde, weder tief noch lang, war an seiner Brust zu sehen. Zuerst nahm sie den Schlauch von ihrer Schulter, reichte Beowulf die Milch. Als er trank, senkte sie ihr Haupt an die Wunde, legte den Mund auf und begann zu saugen. Blut und bittres Gift.

„Lass sein mein Kind, das Gift des Drachens ist in meinem Herzen, lass es sein.“

Doch sie hörte ihn nicht, saugte weiter, der König schloß die Augen, bis ihre Hände über seinen Körper zu gleiten begannen, zärtlich und sicher.
Er öffnete seine Augen, rotgoldenes Haar lag auf seiner Brust, ein goldbesticktes Biberfell deckte ihn und sie. Klare Augen, volle Brüste ein warmer Leib. Eine sanfte Stimme sprach.

„Lass es geschehen mein Liebster, sein ein Mann für mich, dies letzte Mal.“

Tiefe Züge nahm der König, bis der Schlauch geleert war, während sie ihn koste. Als der Schlauch geleert am Boden lag, zog sie die schwarze Feder aus seinem Haar. Sie zeichnete die Linien des Alters in seinem Gesicht. Schließlich zog sie das Rabenkleid über seine Lippen. Feuer leuchteten in beider Augen bis der Schlaf kam, zärtlich und auf leisen Sohlen. Unter dem Biberfell ruhten beide, an den Leib des Drachen gelehnt. Noch verströmte der Drachenkörper sanftes Licht, warm und dunkel war es in der Halle unter dem Berg.

Schließlich öffnete Beowulf noch einmal seine Augen. Ein Gesicht, älter als die Zeit, tief gefurcht, mit klarem Blick, war seinem nahe.

„Warum Herrin, freie Vanadis, musste der Knabe Offa sterben, warum konnte er nicht leben?“

„Die Zeit der Götter ist getrennt von der, in der die Menschen leben. Ein Mann dessen Ahnen noch nicht geboren sein mögen, kann der Grund sein, für Taten, die tausend Jahre schon vergangen sind. Manch Morgen ist Grund für das Gestern. Manch Heute ist schon lang vergangen, manch Gestern noch nicht geschehen.“

Beowulf wollte den Mund öffnen, doch sie legte ihm den Finger quer über die Lippen.

„Schlaf nun Gotenheld, schlaf tief, bis wir uns wiedersehen, in Einaugs goldner Halle, wenn Goldkamm uns krähend ruft.“

Langsam wurde es dunkler in der Halle unter dem Berg, der Atem des Königs leichter, bis der Tod ihn holte. Lange lag sein Körper neben dem Drachen, ehe die Gier die Menschen trieb den Hort zu holen. Hoch wurde die Erde aufgeworfen, tief hinab senkten sie seinen Leichnam und bald nachdem das grüne Gras ihn deckte, war der Held vergessen.
 

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Beowulf
Veröffentlicht von ekmek am 17. 12. 2006 19:09

Beowulf



„Dem Gott ist alles schön und gut und gerecht;
nur den Menschen aber scheint das
eine Recht, das andre[red] Ungerecht[/red] (ungerecht).“
Heraklit, DK 103



Über der Halle des Schildkönigs hingen tief die Wolken. Rauch stieg langsam über den Hütten auf. In der großen Halle,(kein Komma) die fest gefügt,(kein Komma) sich am Gipfel des Hügels erhob, schliefen die Männer noch. Der Eindruck des Friedens trog. Großes Unheil kam über sie alle, ein Drache erwachte aus langem Schlaf(Komma) um Feuer und [red] Tot [/red] zu bringen und dem Reich Verwüstung. Ein großer König, Schild seines Volkes, dem Ende seines Lebens nahe, eines Lebens großer Taten, stand ein letztes Mal auf.

I

Das Gras war nass vom Tau des Morgens, als der alte König aus der Tür seiner Halle schritt. Lange schon war er nicht mehr in den kalten Morgennebeln zu Fuß gegangen. Bald schon waren seine [red] Tuchsolen [/red] (Tuchsohlen) durchnässt. Seine Zehen begannen zu frieren. Er zog den grauen Mantel aus einfachem Tuch enger um seine Schultern. Der [red] rauhe [/red] (raue) Stoff scheuerte an Hals und Kinn.

Als er durch die Tore seiner Halle schritt, waren seine Hände über den geschnitzten Türstock geglitten. Das in endlosen Winternächten kunstvoll geschnitzte Holz war in langen Jahren glatt geworden. Geglättet von Sonne, Sturm und Wind. Aber auch von so mancher Hand, die wie seine eigene aus Freude an der Schönheit darüber gestrichen war. Nicht ohne Wehmut ließ er den Türstock hinter sich und hüllte sich enger in den grauen Wollmantel.

Er zog die Kapuze tiefer ins Gesicht, bevor er vorsichtig durch das Dorf strich. Die Siedlung lag auf einem Hügel und war von einer niedrigen Steinmauer umgeben, die eigentlich nur aus grob aufgeschichteten Steinen von den Feldern ringsum bestand. Der Königshalle gehörte die Mitte, um sie herum die Ställe und die Vorratskammern. Im engsten Kreis um die Halle und die heiligen Erlen und Eichen um sie herum, lagen die Häuser seiner [red] Mägen [/red] (Mägde) und Dienstmannen. Am Rande endlich die Höfe der reicheren Familien und ganz am Rande die Katen der Tagelöhner. Grau waren die Steine der Hütten und der Himmel über ihnen, [red] Grün [/red] (grün) das Gras und [red] Braun [/red] (braun) die Erde.

Der Alte schritt durch eine kleine Öffnung in dem Mauerring, ein paar rohe Treppen hinab, nachdem er die letzten Hütten hinter sich gelassen hatte. Dort(Komma) wo der Hügel in die (mit) Wald bestandene Ebene überging.

Aus dem Dunkel der Wand löste sich ein Schatten und war mit einem Schritt bei ihm. Lange, rotblonde Locken flogen, ein teures, glänzendes Biberfell rutschte über eine nackte Schulter und nacktes, warmes Fleisch, dürftig verdeckt von dünnem Linnen, schmiegte sich an ihn. Bloße, weiße Arme umfingen seine Schultern, weiche Schenkel schlangen sich um seine Hüften und ein feuchter, lebendiger Mund küsste seinen Hals. Dort(Komma) wo auch das Alter und die Jahre, die Winter und die Wunden, noch weiche Stellen gelassen hatten, dort küsste sie ihn.

Er konnte die Frau durch den Kettenpanzer, den er unter seinem Mantel trug, spüren. Ihren heißen Atem auf der Haut und das Versprechen nach einem wohlig warmen Bett(Komma) das in ihren Glieder steckte, und ihm unhörbar zuflüsterte. Ein Flüstern, das von einem Versprechen auf lange Jahre voll Glück und Zufriedenheit sprach, von Liebe und Vertrautheit, warmen Decken im Winter und einsamen Wiesen an dunklen Teichen im Schatten der Eichen im Sommer und Frieden.

Ihr Gewicht trug er leicht, obwohl jetzt seine Kraft [blue] klein [/blue] (gering) war, verglichen mit den lang vergangenen Tagen seiner Jugend. Ihre Glieder schienen leicht, er straffte seinen Rücken und blickte ihr direkt in die klaren Augen. Kurz vermochte sie seinem Blick standzuhalten, dann senkte sie den ihren und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Verschämt, aber nicht ängstlich. Biberpelz glitt in das feuchte Gras.


Langsam presste er sie sanft gegen die moosbewachsenen Steine der Mauer und küsste die Frau(Komma)[blue] während sie ihre Schenkel um seine Hüften schlang[/blue] (Wiederholung). Küsste sie innig. Abrupt machte er sich von ihr los, löste ihren Griff um Hals und Hüften, hart fasste er sie an. Er bückte sich, hob das wunderbare Fell auf, legte es um ihre Schultern.
Dabei strich er über den goldroten Reif an ihrem Oberarm. Die Hand zuckte zurück, denn das Muster zeigte die Midgardschlange, die Mutter aller Drachen. Dann löste er gefasst die Fibel seines Umhangs, er trug sie auf der Innenseite, denn niemand sollte sie sehen, das Gold hätte ihn ansonsten sicher verraten.
Während er die Nadel der Spange durch das Biberfell drückte, hob sie an zu sprechen.

„Prinz der Goten, bleibt bei mir, geht nicht in den Tod, der das Leben von den Gliedern trennt. Lasst die Arbeit jüngeren und genießt die Früchte [red] eures [/red] (Eures) Lebens und [red] eurer [/red] (Eurer) Herrschaft. Bleibt bei mir und ich werde [red] euch [/red] (Euch) sein, was je eine Frau einem Mann war.“

Ihren Kopf neigte sie sacht, so dass ihr Haar, rot wie Gold, sich schimmernd regte.

„Ihr schleicht euch wie ein Dieb davon, in die Morgennebel. Stehlt nicht [red] euren [/red] Männer [blue] deren [/blue] (die) Ehre. Ihr beschämt alle, wenn [red] ihr [/red] (Ihr) alleine geht. Bleibt(Komma) Herr(Komma) bleibt.“

Ernst blickte sie. Ihr Hemd war wieder verrutscht, [red] ein [/red] (eine) runde bloße Schulter zeigte sich. Weißes junges Fleisch(Komma) lockend und versuchend.

„Eure Männer sind stark und jung, lasst sie die Last der Arbeit tragen, geht wenigstens nicht allein.“

„Diese Arbeit kann einer so gut wie hundert tun, mein Kind. Ich werde nicht zurückkehren, einen Feuerdrachen besteht niemand. Es sollen nicht so viele sterben, die auch leben könnten.“

„Herr(Komma) bleibt bei mir und schenkt mir ein Kind, einen Erben, der [red] euer [/red] Reich sichert. Schenkt [red] euch [/red] selbst Frieden.“

Lebe und kämpfe, kämpfe und stirb, Einaug erwartet alle, dachte der alte König bei sich. Zum Mädchen aber sprach er: (kein Absatz)
„Frieden, mein Kind, schenkt nur der Tod. Ich schenke dir die Spange. Einst trug sie eine Kaiserin, sie war ihrer Schönheit weniger würdig(Komma) als du es bist.“




II

Am Waldrand, unter den Bäumen verborgen, wartete ein Knabe, die Hände am Halfter eines Schimmels. Das frische Grün der Blätter hob sich von den feuchten schwarzen Stämmen ab. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, hunderttausende kleine Tropfen klopften an die Blätter. Ab und zu sammelte sich Wasser und ein schwerer Tropfen fiel auf den dunklen Waldboden. Der Knabe hob grüßend die Hand(Komma) bevor er dem König die Zügel übergab.

„Gut, dann seid [red] ihr [/red] Hygd nicht begegnet?“

„Doch, Offa, an der Mauer.“

„Und [red] ihr [/red] habt sie einfach stehen[blue] gelassen[/blue] (lassen)?“

„Wie du siehst“(Punkt)

„Warum?“

„Ich hab sie dir gelassen, alte Männer und junge Frauen zusammen bringen Unglück.“

Ein großer Tropfen fiel klatschend auf seine Kapuze und lief ihm langsam übers Gesicht, bis er in den [red] Barstoppeln [/red] (Bartstoppeln) auf des Königs Wange verschwand.

„Wie soll ich so ein Mädchen freien, wenn [red] ihr [/red] mir keine Gelegenheit dazu gebt? Nur Helden und Reichen ist so etwas möglich, denn Hygd ist schön und reich. Mein Vater ist arm, und nur wenn ich vom Drachen zurückkomme(Komma) bin ich ein Held.“(Wenn der Junge ans Heiraten denkt, ist er kein Knabe mehr. Jüngling oder junger Mann wäre treffender)

„Keine Sorge, jedem Mann begegnet sein eigenes Monster, an dem er zum Helden werden kann.“

„Aber[red] ihr[/red] , Herr, seid schon einer. Warum [red] überlässt ihr [/red] (überlasst Ihr) den Drachen nicht mir?“

„An einem Feuerdrachen wird man nicht zum Helden, man kann nur als einer sterben. Der Drachen [red] läßt [/red] (lässt) einem keine Wahl. Keiner kehrt von dort zurück. Du aber(Komma) Offa(Komma) sollst leben. Ich bin zum Sterben alt genug, du noch nicht.“

Er strich dem Knaben übers Haar und schwang sich in den Sattel. Seine Füße froren, er war durchnässt und seine Glieder waren steif, fast wäre er wieder heruntergefallen. Zwischen den Zähnen fluchte er, beugte sich zum Hals des Schimmels, tätschelte den muskulösen Hals
„Möge der Drachen gnädig mit uns beiden sein, Hemming(Komma) mein Alter“
und trabte in den Wald davon.

Der Junge stand noch eine Weile unter dem schützenden Dach der alten Erle und schaute dem König nach, auch(Komma) als dieser schon lange aus seinem Blickfeld verschwunden war. Dann machte er sich auf den Weg zurück.

Der Alte ritt den ganzen Tag dahin, zuerst durch den Frühlingswald, dann kam er höher hinauf, dort ging der Laubwald zuerst in Nadelholz über, um dann einer braunen Moorlandschaft zu weichen. Hier und da waren vom Torf schwarze Tümpel zu durchqueren. Der Nieselregen hielt an, auf der Passhöhe vereinigte er sich mit dem kalten Wind, in dem noch der Schnee des letzten Winters zu riechen war.
Der Regen war wie Nadeln auf der Haut und der Alte bald bis auf die Knochen durch gefroren. Einen warmen Mantel wünschte er sich, so wie das Mädchen einen gehabt hatte, auch sie selbst wäre ihm willkommen gewesen. Alt werde ich, dachte er, früher hätte ich so ein Wetter genossen, heute rieche ich im Wind nur noch den Tod.

Bald begann sich die Ebene zu senken. Grau in [red] Grau [/red] (grau) gingen See und Himmel ineinander über. Eine tief ins Landesinnere reichende Bucht, zur Ebbe seicht, mit festem, sandigem Boden(Komma) erstreckte sich vor dem Reiter und dem Pferd. Über ihnen sangen die Möwen ihr fremdartiges Lied. Er stieg ab und kniete in den Sand. Neben ihm ragte ein von der See und Jahrtausenden ausgespülter Torbogen in den Himmel. Das Licht war so flach, dass sogar der gelbe Sand grau schien. Er nahm eine Handvoll auf, dort(Komma) wo noch die Wellen hinreichten, und ließ das mit aufgenommene Wasser durch seine Finger fließen, bis nur noch der Sand seine Handfläche bedeckte. Dann führte er sie zum Gesicht und roch, lange.

So war es damals auch gewesen, als sie über die große Walstraße hinunter in den Süden fuhren, um Hrothgars Halle und seine Königswürde zu retten. Genau hier hatten sie das Boot zu Wasser gelassen, ausgelassen und froh, keiner ahnte [red] des [/red] (das) Unheil, das im Land der Speerdänen ihrer harrte. Unbekümmert und wild waren sie gewesen. Ob auch ohne solch Unbekümmertheit ein Sieg zu erringen war? Er bezweifelte es. Danach, als sie glücklich und als Helden zurückgekommen waren, ließen sie hier die Schiffe ins Wasser(Komma) wenn wie jetzt im Frühling die Reise in den Süden ging. Zu den reichen Städten und den dunkelhaarigen, kohlenäugigen Mädchen und zum roten Wein. Wie(getrennt)viel Gold hatten sie mit nach Hause gebracht, was war ihm davon geblieben. Die goldenen Spange, einzig aus unlesbaren Schriftzeichen gebildet, hatte er dem Mädchen geschenkt, nur mehr sein Panzer war übrig. Gold verfaulte schneller als Brot, übrig blieb nur der Geschmack des Schimmels auf der Zunge. Er straffte sich, richtete sich mit einem Ruck auf, ignorierte die steifen Glieder und den schmerzenden Rücken.
Was ein Mann nicht verteidigen kann, gehört ihm nicht. Der Wahlspruch seiner Ahnen galt auch ihm. Er war König, ihm gehörte das Land, gegen wen auch immer, musste er es verteidigen. Auch wenn der Gegner ein Kind der Midgardschlange war.

Langsam stieg er in den Sattel und trieb den Schimmel ins seichte Wasser der Bucht hinaus. Das Wasser war kalt und der Hengst warf den Kopf zurück, den langen gebogenen Hals gestreckt. Der König beugte sich zum Ohr des Pferdes und flößte dem Tier Zutrauen ein. Bald reichte die sanfte Dünung bis auf den Sattelgurt des Tiers.

Auf geradem Weg zum Drachenberg. Keinen Umweg. Da nahm er eine Rabenfeder wahr, die im Wasser trieb, schwarz und ölig glänzend. Er beugte sich aus dem Sattel und fischte die Feder auf. Sie war lang und wohlgestalt. Er steckte sie unter der Kapuze in [red] einen [/red] (eine) seiner langen Haarflechten, denn ein Wahrzeichen blieb ein Wahrzeichen. Er hatte schon vor langer Zeit den Unterschied zwischen Glück und Gotteswunsch aufgegeben, er nahm die Zeichen einfach hin.


III

Unter den Linden am anderen Ufer der Bucht stand eine Kate. Langsam ritt er näher. Die Kate war alt und ärmlich, die Mauern aus moosigem Stein fast völlig vom strohgedeckten Dach verborgen, das teilweise bis zum Boden reichte. Rauch stieg auf, so band er sein Pferd an den Eibenstamm(Komma) der tot vor der Hütte stand. Ein Überbleibsel aus besseren Tagen, fast wie der Alte selbst.

Kurz scheute Hemming, denn eine Schlange kroch langsam und ohne Furcht über den Hof und verschwand im Dachstroh. Laut rief er, und trat gebückt ein, während er das schwere Fell, das schmutzig und stinkend vor den kalten Winden von der See her schützen sollte, zur Seite zog.

Obwohl draußen Regen und Nebel regierten, mussten sich seine Augen erst an das Dunkel der Hütte gewöhnen. Zu Beginn sah er nichts, nicht einmal die Feuerstelle. Alles(Komma) was er wahrnahm, war der Geruch alter Milch und eines schlecht genährten, qualmenden Feuers. Langsam gewahrte er die Feuerstelle in der Mitte des Raumes, nur spärlich drang Licht durch das Rauchloch im Dach. Er ließ den Vorhang hinter sich fallen und trat einen Schritt hinein in den Raum. Der Boden war uneben, mit altem Schilf bestreut.

„Was willst du(Komma) Krieger, mit deinem Schwert und deinem Panzer.(besser Fragezeichen) Bist du gekommen(Komma) um das Brot und den Met eines alten Weibes zu nehmen?“

„Nein“(Punkt)

„Dann bist du gekommen, du reicher Mann, um deinen Spott mit meiner Armut zu treiben. Über mein Alter lachen kannst du nicht, denn ich sehe, auch du trägst die Furchen der Zeit. Was willst du also.(besser Fragezeichen)“

„Speise und Trank, ich zahle auch, du sollst es nicht bereuen(Komma) Weib.“

„So einer bist du also. Einer(Komma) der zahlt. Früher einmal wärest du mein Gast gewesen, heute bist du nur mein Kunde. Sag selbst, alter Mann, wärest du nicht lieber Gast gewesen, als ein Geldsack.(besser Fragezeichen)
Tritt zum Licht und lass dich sehen, dann sollst du haben(Komma) was du willst, deinem Schwert kann ich es sowieso nicht wehren.“

Wieso kann sie mich sehen, aber ich sie nicht, [red] schoß [/red] (schoss) ihm durch den Kopf, als er zum Feuer trat. Er wärmte seine Hände an der blakenden Feuerstelle. Er hatte [blue] wieder [/blue] (überflüssig) direkt ins Feuer geschaut, darum war der Raum ringsum wieder Dunkel wie zuvor. Nur aus der Dachluke kam ein wenig Lichtschein herein, aber die Schwärze in der Hütte schien das Licht aufzusaugen. Lange bevor es noch den Boden erreichen konnte, war es schon verschluckt. Mit ausgestreckten Armen kniete er behutsam nieder, die steifen Knie knackten wie trockenes Holz.

„Was ist [red] euer [/red] Geschäft, [red] dass euch [/red] (das Euch) in den Norden, zum Drachenberg hin treibt, ihr seid alt genug(Komma) um zu wissen, [red] das [/red] (dass) Lokis Kinder nicht den Ruhm, sondern nur den Tod bedeuten für einen sterblichen Mann.“
Er vernahm sie im Dunkeln hantieren, sah auch ihren Schatten und die Konturen ihres gebeugten Körpers, hörte ihre schlurfenden Schritte.

„Ich suche die Steine von den Sternen, aus denen die scharfen Schwerter und todbringenden Äxte gemacht werden. Hoch oben in den Bergen des Nordens sind sie zu finden, tief im Niflheim.“

„Ihr sehr mir aber nicht wie ein Schwarzschmied aus.“

Sie trat aus dem Dunkel an ihn heran, bedeutete ihm einen grob bearbeiteten Baumstrunk, den er zuvor übersehen haben musste, auf den er sich zu setzen hatte und reichte ihm eine Schüssel und einen Kanten Brot.

Sie ließ sich auf einen Schemel nieder, direkt neben ihm, und bedeutet ihm zu essen. Er war hungrig, den ganzen Tag lang hatte er nichts zu essen gehabt. Das Wohlleben hatte ihn verweichlicht, stellte er sachlich fest. Trotz seines Hungers schielte er über den Rand der hölzernen Schale, während er hastig aß. Das Gesicht der Frau vor ihm ließ ihn nicht los.
Er bemerkte nicht(Komma) was er aß, noch wie viel. Falten zogen sich wie Täler über ihr Gesicht, das dünne weiße Haar hing ihr in wirren Strähnen um den Kopf. Die Stirn war hoch und majestätisch,(Leerfeld)um die Augen zogen sich Falten, die Spott ebenso wie gutmütiges Lachen auszudrücken schienen. Die Frau war alt, uralt, gegen sie fühlte er sich wie ein Knabe[blue] vor dem Weib[/blue] (überflüssig) , doch ihre Augen waren klar. Klar wie die eines Mädchens(Komma) das zur Sonnenwende durchs Feuer springt. Keine Spur der Trübe(Komma) wie er sie ansonsten in den Augen der Alten und Ältesten zu sehen gewohnt war. Auch in seinen Augen musste wohl schon der graue Schleier für die anderen zu sehen sein, von seinem eigenen Alter kündend. Ihr Körper, wie auch ihr Hinterkopf(Komma) war in einen tiefschwarzen Mantel gehüllt, an dem einzelne Strohhalme hingen.
Um ihren faltigen Hals schien Gold zu blitzen, es schien ihm wie das besondere Glitzern, das nur ältesten und schönsten Schmuckstücken eigen ist. Wenn sie den Kopf bewegte(Komma) schimmerten auch grüne und rote Steine. Ein hoher Preis war einst für diesen Schmuck gezahlt worden, von der Frau wie auch von anderen, dessen war sich der König sicher.

„Ihr kommt doch von der Königsburg, wohin [red] ihr [/red] auch das Sternensteineisen zu bringen gedenkt.“

„Ja“(Punkt)

„Habt [red] ihr [/red] gehört, was der König zu tun plant? Wird er wirklich sein Leben dort am Drachenstein dem Enkel von Loki [blue] zu [/blue] (überflüssig) schenken? Beowulf, der Prinz der Goten(Komma) hat keinen Erben, hatte nie ein Weib, der Streit ums Reich wird entbrennen.“

Schweigen, die feuchten Zapfen und Scheite im Feuer knackten.

„Ihr wisst, dass ein solcher Krieg der Mächtigen immer auf dem Rücken der Armen und Kleinen, der Frauen und Kinder ausgetragen wird.“ Eine kurze Pause, bevor sie bitter hinzufügte(Doppelpunkt) „Sie müssen zahlen, die Männer sterben bloß“(Punkt)

Aus einem Korb hinter sich warf sie Tannenzapfen ins Feuer, kleine Funken stoben(Komma) als die Hitze die Samenkapseln platzen ließ.

„Was bloß kann einen solchen Mann, der in seiner Jugend ein Held war, um dann ein weiser und gerechter König zu werden, zu einer solchen Tat, der Tat eines unreifen Kindes(Komma) bringen?“

„Ihr tragt doch ein Schmuckstück um den Hals. So schön(Komma) wie ich noch nie eines sah. Jetzt seid ihr alt und arm, früher aber muss das [red] anderes [/red] (anders) gewesen sein. Welche Tat und welche Scham müssen mit diesem Kleinod zusammen verbunden sein und doch tragt [red] ihr [/red] es, stolz wie einst in den Tagen eurer Jugend. Obwohl [red] euch [/red] der Reichtum und die Schönheit längst verlassen haben, und [red] ihr [/red] wissen müsstet, [red] das [/red] (dass) es [red] euch [/red] nicht mehr ansteht(Komma) es zu tragen, und doch tut [red] ihr [/red] es.“

Kurz sah der König ihre klaren Augen flackern, nun(Komma) da die Sonne untergegangen war, schien er in der Hütte schärfer zu sehen. Was er sah(Komma) ließ sein Herz nicht froh werden, oft schon hatte er sich in seinem Leben der Angst gegenüber gesehen. Würgend und grimmig wie ein Wolf, der über dem Schaf steht, die Kehle rot von Blut, so war sie ihm gegenüber gestanden. Doch noch nie hatte er diesen Kampf verloren, immer mit harter Hand den Schrecken in seinem Herzen bezwungen. Aber noch nie so knapp wie an diesem Tag, in dieser Kate, diesem Weib gegenüber. Erleichtert war er(Komma) als sie die Augen von ihm abwandte, ins Feuer blickte, und zu ihm sprach.

„Führt [red] euren [/red] Schimmel hinter das Haus in den Stall, dort sind keine Tiere, ich halte dieser Tage keine mehr. Doch für [red] euren [/red] Hemming ist gesorgt. Dann kommt zurück, ich werde den Met gewärmt haben, der [red] euer [/red] Herz erfreuen soll.“

Draußen war es bereits dunkel, durch die Linden rauschte der Wind. Woher die Alte wohl die Tannenzapfen haben mochte, hier gab es weit und breit keine Nadelbäume. Er trat zu seinem Pferd und streichelte es sanft, flüsterte ihm eine Entschuldigung ins Ohr und führte es hinter die Kate, wo wirklich auch ein alter Schuppen stand, baufällig und windschief, aber gut genug für eine Nacht. Es fand sich auch eine Krippe mit Hafer und Stroh sowie klares Wasser. So ließ er den Schimmel allein, und ging zurück in die Kate.

In der Hütte war der Geruch nach[blue] gebrochener Milch[/blue] (was ist das? Nie gehört von gebrochener Milch), Alter und Krankheit verschwunden, an seine Stelle war ein scharfer, würziger Geruch getreten. Es war hell, Kienspäne waren entzündet worden, ein warmes Licht erfüllte den Raum, ließ aber die Ecken und Winkel im Schatten geborgen. Der König trat ans Feuer und setzte sich auf den Baumstrunk(Komma) auf [red] dem [/red] (den) eine dicke, grobe Decke gebreitet war. Das Weib hatte sich die Haare aus dem Gesicht gestrichen, Zeichen von Schönheit und Freude waren zu erkennen.


Die Alte reichte eine Schale über das Feuer, nachdem sie aus einem tiefen Krug geschöpft hatte.

„Trinkt(Komma) mein König. Es soll [red] euch [/red] bekommen. Recht hattet[red] ihr[/red] , mit dem(Komma) was [red] ihr [/red] gesagt habt, mutig waren [red] eure [/red] Worte. Die Klinge eines Mannes ist immer nur so scharf wie sein Geist und seine Zunge.“

„Vergebt mir Herrin, denn ich war verletzt und töricht, [red] euch [/red] so anzusprechen.“

Sie blickte wieder ins Feuer(Komma) nachdem beide tief aus der Schale getrunken hatten, füllte sie wieder und sprach,(kein Komma) von der Vergangenheit Worte(Komma) die dem König fremd blieben, obwohl er sie zu verstehen meinte: (kein Absatz)

„Die Wahrheit ist selten ein gern gesehener Gast. Früher gab ich, was ich hatte(Komma) frei und freudig. Vielen und nicht alle waren wert, von mir beschenkt zu werden. Doch da gab ich um des Gebens und nicht des Bekommens Willen, blieb alles[red] Frei, Schön und Gut[/red] (frei, schön und gut). Doch als ich gab, was ich hatte(Komma) um zu bekommen, wonach mein Herz sich sehnte, war die Unschuld und die Schönheit nicht mehr frei und verschwand. Zurück blieb ein Makel, der nie mehr von mir weichen wird. Doch ich trage ihn, denn es ist mein Makel und dieses Band um meinen Hals ist Zeichen meines Makels wie auch meiner Unschuld(Komma) die verloren ging. Frei war ich(Komma) aber bin es nicht mehr.“

Er reichte ihr die Schale zurück und sie trank.

„Ihr habt mich an Dinge erinnert(Komma) die ich schon lange vergessen glaubte, habt Dank(Komma) Beowulf, ein würdiger König der Goten seid ihr, wie noch nie einer war.“

Wieder füllte sie die Schale und reichte sie dem König, der Geschmack nach Harz und Honig, würzig und bitter, süß und klar zugleich(Komma) bezauberte seine Zunge und seinen Geist. Über die Schale blickte er hinüber, wo die Alte saß, die ins Dunkel hinter des Königs Schulter sah.


„Du weißt(Komma) warum ich den Wurm im Berg einen Enkel Lokis nannte?“

„Ja, denn er war der Vater der Midgardschlange, die sich um die Erde legt, in vielfachen Schlingen, und von der manche sagen, dass es ihr Leib ist, auf dem wir wohnen, wenn er aus der ewigen See hervorschaut.“

„Wie zeugte Loki denn seine beiden Kinder, die Schlange und den Wolf?“

„Ich weiß es nicht, Herrin“

„Er zeugte sie gar nicht, er gebar sie, als er durch die Welt strich. An einem Feuer vorbei kam, an dem Menschen ein schreckliches Unheil begangen hatten. Eine Frau war verbrannt worden, auf einem Scheiterhaufen aus Lindenholz, lindenholz-weiß wie dein hölzerner Schild, den du am Sattel führst. Die Frau war verbrannt, eine Hexe nannten sie die[red] unverständigen[/red] (Unverständigen) . Nur mehr der Duft nach verbranntem Fleisch hing in der Luft, die Toren waren schon verschwunden. Doch in der Glut und in der Asche fand Loki das Herz der Frau, vom lindenholz-Feuer geröstet, doch innen roh. Dieses Herz aß er, so dass das Blut über sein Kinn lief, gierig wie eine Schlange und ein Wolf, schlang er es hinunter.“

„So kamen also die Unholde in die Welt.“

„Ja, durch ein Verbrechen aus Dummheit.“

„Was willst du mir damit sagen, Herrin? Dass die Monster nur an ihrem Herzen verwundbar sind?“

„Nein, nicht am(Komma) sondern durch das Herz. Weder Grendel noch seine Mutter hast du am Herzen verwundet, sondern mit deinem Herzen. Vergiss das nicht(Komma) Kriegskönig. So auch den Drachen, das sagt dir Syr, die Alte.“

Am nächsten Morgen erwachte der König, fand eine Schale Mus am Feuer, aß es und ging hinaus zu seinem Pferd. Die Alte kam nicht mehr zum Vorschein. Nur die Schlange, die anderntags seinen Weg gekreuzt hatte, glitt wieder vor ihm über den schmalen Pfad, als er durch den Lindenhain ritt.
Später folgte er dann dem nächsten Fluss hinauf in die Berge. Wieder hingen die Wolken tief, es nieselte und binnen kurzem war der Alte nass bis auf die Haut. Nur die Wärme des Pferdeleibs unter ihm half dem König.




IV

Ein Drachen bedeutet mehr als nur einen [red] ungeheurer [/red] (ungeheuren) Leib, mit Schwingen und Feueratem. Mehr als nur Schuppen und Klauen, Zähnen und Gift. Nicht alle Verwüstung besorgt er selbst, nicht alle Verwüstung, zumal nicht die schlimmste, ergibt zerstörte Felder und entvölkerte Landstriche. Die Schwachen erliegen seinem Feuergeist zuerst, aus Angst vor [red] Tot [/red] und Schmerz wahnsinnig geworden, brechen sie aus den Banden, die Liebe und Gesellschaft um sie geschlungen, aus. Folgen nur mehr der eigenen Spur, werden kleine Abbilder ihres eigenen Herren. So kam der König, je näher er dem Drachenberg kam, auch an Höfen vorbei, die nicht der Zahn und Atem des Kindes der Weltschlange verwüstet, sondern Menschenhand. Durchnässt und müde erreichte der König ein Dorf. Auf einem kleinen Hügel lag es, unter sich ein klarer Fluss. Freundlicher Rauch aus herzerfreuenden Feuerstellen stieg aus den dunklen Dächern auf. Der Alte beschleunigte den Schritt des Schimmels, den Hügel hinauf, durch die Bäume hindurch.

Als der Pfad die Hügelkuppe erreichte, und der Gotenprinz die Siedlung erblickte, ihm der Rauch in die Nase stieg, erkannte er seinen Fehler. Hier waren keine Menschen mehr, an deren Feuerstelle er Nahrung und Wärme finden konnte. In den Linden am Straßenrand baumelten Leichen im leichten Wind. Die Häuser und Hütten waren schwarz verkohlt, die Dächer und Mauern gebrochen. Betrübt wollte er das müde Pferd zurück in den Schritt zwingen, als er den wohl vertrauten Klang von Stahl auf Stahl vernahm und heisere Männerstimmen.

Am anderen Ende der Dorfstraße war eine Versammlung zu sehen, ein Kreis, in dem zwei Figuren sich bewegten. Die Jahre hatten seinen Augen viel von ihrer Schärfe genommen, er konnte nicht allzu viel ausmachen. Nur die Schläge und die Schreie,(kein Komma) der Männer und der Raben, die in Festtagslaune an den Toten fraßen(soso, die Männer und die Raben fraßen an den Toten!), vernahm er klar und sicher.

Noch hatten sie ihn nicht bemerkt, er warf den nassen Mantel hinter sich auf den Pferderücken, strich die langen grauen Flechten seines Haares aus der Stirn und verknotete sie im Nacken. Den Helm setzte er sich nicht auf den Kopf, denn im Getümmel ist die Größe des Sichtfeldes entscheidender als der Schutz von Eisen und Leder. Dann nahm er den Lindenschild vom Sattel, warf ihn sich über die Schulter und richtete sich zur vollen Größe auf. Dann rief er den [red] Männer [/red] (Männern) die Straße hinunter seine Warnung zu.

Sofort öffnete sich der Kreis, der König erkannte einen Knaben im Kampf mit einem Mann. Der Mann schlug dem Kind die Waffe aus der Hand, sofort nahmen ihn zwei Männer in die Mitte. Der mit dem Schwert trat aus dem Kreis und seine Männer folgten ihm.

„Seht euch den zahnlosen Greis an. Der Geifer läuft ihm aus dem Mund. Alter, seid froh(Komma) wenn ihr noch auf [red] euren [/red] beiden Beinen zu stehen vermögt, alles andere ist [red] euch [/red] zu viel.“

Gelächter seiner Männer.

„Es ist die Drachenzeit, die Blutzeit, die Wolfszeit. Die Zeit der Starken. Lasst die Schwachen verrotten, das Ende der Zeiten zieht herauf. Alter(Komma) geh heim, wenn du den Abend noch sehen willst.“

Sie kamen immer näher.

Beowulf hörte in sich hinein, auf das Feuer in seiner Seele. Früher brannte es hoch und hell lodernd, kaum zu bändigen. Jetzt war es nur mehr ein schwaches Glimmen, eine Glut kurz vor dem Verlöschen, doch noch war sie da. Der König schlug dem Schimmel auf die Hinterbacken, mit einem Wiehern verschwand das Pferd hinter den Häusern. Nun machte er sich daran, in sein Seelenfeuer zu blasen, wie er es als Kind gelernt. Die Glut neu zu entfachen, den Kampf zu führen. Den zerlumpten Haufen(Komma) der auf ihn zu kam, nahm er nur als Schemen wahr, all seine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Glut in ihm. Sein Herz wurde heiß, seine Arme durchflog lange nicht mehr gekannte Stärke. Kälte und Nässe wich aus seinen Gliedern. Geschmeidig zog er sein Schwert, schwang es langsam im Kreis vor sich, wie um sich an dessen Schwere zu gewöhnen. Doch kannte er es seit langem, aus dem Haus unter dem Meer hatte er es. Fremdartige Zeichen liefen an der Blutrinne in der Mitte der Klinge entlang. Es glänzte nicht hell wie die Schwerter der Goten, es war matt und grau. Nicht geglättet schien seine Oberfläche dem Auge, sondern körnig und uneben, doch wenn der Finger über den Stahl glitt, so war der Eindruck der einer unfassbaren Geschmeidigkeit. Fast weich schmiegte sich das Metall an die Finger.
Stark loderte nun das Feuer im Herzen des Königs, sein Schwert lag glühend heiß in seiner Faust, und laut sang es sein grausames Lied von Blut und Tot und Kampf.

Seinen Streichen waren die Räuber nicht gewachsen, neue Tote gesellten sich zu den Toten in den Bäumen und Häusern. Bald war der ungleiche Kampf zu Ende, doch den Knaben erreichte er zu spät. Eine rachsüchtige Hand fügte dem Gefesselten eine Wunde zu,[blue] der König kam zu spät[/blue] (Wiederholung) . Wenig mehr war ihm möglich(Komma) als den Sterbenden zu laben und später den Toten zu ehren. Er kniete, den Körper des Knaben im Arm, auf der Erde.

„Warum bist du mir doch nachgeritten, hast nicht auf mich gehört, ich kannte das Ende dieser Reise für[red] Dich[/red] (dich).“

„Alle ließen [red] euch [/red] allein(Komma) Herr, ich wollte [red] euch [/red] beistehen.“

Der Knabe schluckte schwer. Sein Atem ging stoßweise.

„Werde ich die goldene Halle des Einaugs sehen, Herr, werden wir uns dort wieder(getrennt)sehen, unter den Helden der Zeiten?“

Gern hätte er den Knaben beruhigt und getröstet, aber Lüge blieb Lüge. Für ihn gab es keine Gnade der Unwissenheit.

„Nein. Viel hab ich gesehen von der Welt in meiner Zeit. Im Westen glauben sie an andere Götter, im Süden an nur einen Gott, im Osten, in den endlosen [red] weiten [/red] (Weiten) der Wälder und Sümpfe, wo die Flüsse gewaltig sind wie die See selbst, dort glauben sie an die Seele der Natur. An viel glauben die Menschen, aber nur wir an Walhalla. Glaubst du wirklich(Komma) Einaug und sein Weib würden auf so viele starke Krieger verzichten, wenn es sie und ihre goldene Halle wirklich gäbe?“

„Nur wir Schwertgoten sind wirklich stark, alle andern sind nur Abbilder der Stärke(Komma) Herr. Der Herr und die Herrin können sie nicht brauchen, nicht so wie uns.“

„Ich wünschte(Komma) du hättest Zeit genug gehabt(Komma) um zu lernen, was du jetzt noch nicht weißt(Komma) mein Junge“

Der Knabe in seinen Armen war tot. Er beugte sich tief über die Brust des Knaben, roch das Blut des Kindes, den Geruch des Todes.

Die Zeiten gehen dem Ende zu, wenn das Alter lebt und die Jugend stirbt. Lange trauerte der König um den Sohn(Komma) der ihm nie geboren, den er nie gehabt und den er nun für immer verloren hatte. Als langsam das Seelenfeuer in seinem Herzen niederbrannte, bis wiederum nur noch ein wenig Glut tief unter der Asche zu finden war, stand er auf. Er spürte einen Kratzer auf der Wange,(kein Komma) und eine Zerrung in den Waden. Er blickte die Straße hinunter. Den Weg(Komma) den er zurückgelegt hatte, säumten Leichen. In verzerrten Stellungen, verstümmelt, lagen sie im Matsch der Dorfstraße. Zwischen den dunklen [red] Körper [/red] (Körpern) der Männer sah er einen hellen Fleck. Langsam ging er darauf zu. Die Füße schleiften über den Boden, müde war er und ausgelaugt. Über [red] dem [/red] (den) Körper des Anführers,(kein Komma) beugte sich eine kleine Gestalt in hellen Leinenkleidern, halb verdeckt von der Leiche eines Räubers. Darum hatte sie der König nicht sofort bemerkt.

„Was machst du da(Komma) Kleine, wo kommst du her(Fragezeichen)“

Ohne Scheu blickte ihm das Kind in die Augen. Es war ein Mädchen von etwa [blue] 10 [/blue] (zehn) Jahren, schwarzes Haar und helle, klare Augen. Zart gebaut, mit einem Blütenkranz aus Akelei im Haar.

„Ich wohnte hier, meine Eltern hatten mich in [red] dem [/red] (den) Wald geschickt, als die Männer kamen, und jetzt kann ich sie nicht mehr finden“(Punkt)

Kurze Pause(Punkt)
„Er lebt noch. Seht nur, sein Atem erzeugt Bläschen im Blut vor seinem Mund.“

Beowulf zog sein gebogenes Messer aus dem Gürtel und kniete in den [red] feuchte [/red] (feuchten) Matsch der Straße. Blut und Exkremente durchtränkten seine Beinkleider.

„Was habt [red] ihr [/red] vor.(kein Punkt)?“

„Ich werde ihn erlösen.“

„Wie denn? Meine Mama sagt, nur Gott kann die Menschen erlösen?“

„Der Tod erlöst den Menschen, er allein.“

Mit einem Schnitt, quer durch die Kehle, das Blut [red] floß [/red] (floss) dick und rot aus der klaffenden Wunde, fand der Mann Erlösung. Ein kurzes Zucken und Aufbäumen, dann war er gegangen. Für immer.

„Hinter den Hütten steht ein Pferd, ein weißes. Bring es her. Es ist ein freundliches Tier, Hemming ist sein Name, es wird dir folgen, nimm es einfach am Zügel.“

„Mach ich“(Punkt (aber schick das Kind erst nach dem Pferd, es muss den Todesstreich nicht mit ansehen)

Das Mädchen machte sich auf die Suche nach dem Pferd. Der Alte lehnte sich gegen die Körper der Toten, wie auf die Polster, an die sich die Prinzessinnen des Südens lehnen. Nur glänzten seine nicht von Seide und Gold, sondern von Blut und Eisen. Überall hüpften Raben, mit glänzenden Federn, auf den Leichen umher, um sich Leckerbissen zu suchen.

„Ich habe [red] euer [/red] Pferd, Herr.“

Beowulf öffnete die Augen.

„Gut, lass uns die Toten auf einen Haufen schaffen, auch die von den Bäumen und ein Feuer entzünden. Je länger wir warten, um so ärger wird die Arbeit“(Punkt)

Die Kleine sah ihn ungläubig an.

„Wie nannten deine Eltern dich?“

„Hörn rief mich der Vater.“

„Ich werde mit dem Tier die Toten bringen,(Leerfeld)Hörn und du(Komma) Kleine, schneidest ihnen die Nägel an Händen und Füßen, und vergiss die Haare am Kopf nicht.“

„Ich habe Angst, warum soll ich das tun?“

„Haben dir deine Mutter und dein Vater nicht von Naglfar erzählt?“

„Nein.“

„Das ist das Schiff der Riesen, die Planken gefertigt aus den Nägeln der Toten, die Taue aus deren Haaren. Wir wollen doch nicht die Riesen über den Ozean zu uns kommen lassen, denn dann...“

„...beginnt der Ragnarök. Das haben mir die Leute im Dorf erzählt, aber Mama hat immer gesagt(Komma) ich soll nicht auf die Lügenmärchen hören. Mama kam aus dem Süden, Vater hat sie mitgebracht, sie war Christin“(Punkt)

„Es ist aber auch wichtig(Komma) die Toten nach deren eigenem Glauben zu ehren, egal(Komma) was sie auch im Leben Schlimmes oder Gutes angestellt haben mögen. In den Tod hinein sollten die Lebenden nicht zürnen.“

Es war eine lange Arbeit, bis in die Nacht hinein. Endlich loderte der Scheiterhaufen in den Nachthimmel.


V

Irgendwann später lag er in einer kleinen Rindenhütte im Wald. Nahe am Feuer, sein Mantel war zwar noch klamm(Komma) aber nicht mehr[red] naß[/red] (nass) . Es war warm, aber in ihm war es kalt. Dämmrig fragte er sich, wie er in die Hütte gekommen war. Die Kleine hatte ihn geführt, an der einen Hand er, an der anderen das Pferd. Jetzt saß sie ihm gegenüber. Dann schlief er wieder ein.

Als er das nächste(getrennt)mal die Augen öffnete, war es noch immer Nacht, oder schon wieder. Die Kleine beugte sich über ihn, mit einer Schale voll Milch. Er wollte selbst trinken, aber konnte sich nicht aufsetzen, geschweige denn die Schale halten. So fütterte ihn das Kind wie ein Neugeborenes. Sein Kopf lag in ihrem Schoß, ihre Hand stützte ihn, während er langsam trank. Warme, dicke, süße Milch war in der Schale, lange und sorgsam über dem Feuer gekocht. Vorsichtig schluckte er, bis die Schale leer war. Danach füllte das Mädchen nach, noch(getrennt)einmal fütterte sie ihn(Komma) worauf er wieder in tiefen Schlaf fiel.

Die Sonne kitzelte ihn in den Augen, weckte ihn. Golden fiel ihr Strahl durch die frischgrünen Birkenblätter in die Rindenhütte. Er setzte sich auf, da kam das Mädchen zur Tür herein.

„Ihr habt viel getrunken, Herr. Meine Ziege gibt nicht soviel Milch, [red] ihr [/red] müsst bald weiterziehen. Mir scheint(Komma) [red] euer [/red] Name ist nicht ganz der rechte.“

„Wie meinst du das?“

„Ihr heißt Beowulf, der Bienenjäger. Der Bär liebt die Bienen und ihren goldenen Saft. Ihr seht auch aus wie ein Bär, doch scheint [red] ihr [/red] mir eher ein großer Jäger meiner Süßmilch zu sein.“

Der König musste lächeln.

„Danke für alles, Hörn. Sag, wo sind [red] dein [/red] (deine) Eltern.(besser Fragezeichen) Waren sie unter den Toten?“

„Nein, zuerst töteten sie die Männer und hängten sie in die Bäume. Dann sperrten sie die Frauen in die Häuser und gingen hinein, um sich mit ihnen zu vergnügen. Ihre Schreie waren schrecklich. Wenn meine Eltern sich liebten, war es für beide schön, woher kommt der Schrecken in der Liebe?“

„Früher war Liebe nur Schönheit und Freude. Freia gab frei und mit vollem Herzen. Doch dann fiel ein Schatten auf ihre Seele, die Dverge hatten ein Halsband geschaffen. Das Gold und die Steine dieses Kleinods verdunkelten ihr Herz. Um das Stück zu bekommen(Komma) verkaufte sie ihren Körper den drei Schmieden. Jedem von ihnen war sie eine Nacht zu Diensten. Die Gier und das Haben-Wollen verschmutzten die Liebe, und seitdem ist sie nicht mehr rein und frei, sondern kann auch schrecklich und hässlich sein(Komma) mein Kind.“

„Seid [red] ihr [/red] krank(Komma) Herr, dass [red] ihr [/red] solange geschlafen habt?“

„Meine Krankheit ist das Alter. Die schwere Arbeit ließ mich lange schlafen.“


„Wer seid [red] ihr [/red] Herr, woher kommt ihr, warum [red] wißt [/red] (wisst) [red] ihr [/red] soviel?“

„Weit gereist bin ich (in) den Tagen meiner Jugend, vieler Völker fremden Zungen habe ich gelauscht, und nicht alles vergessen. Darum weiß ich einiges, nicht vieles. Ich komme aus dem Süden, von der Küste her. Darum bin ich so müde. Beowulf ist mein Name, zum König wurde ich, als der Stamm meines [blue] Schwesterbruders [/blue] (was ist das? Wenn sie seine Schwester ist, ist ihr Bruder auch sein Bruder) im Krieg sein Ende fand und verdorrte. Darum bin ich hier, den Drachen zu töten.“

„Ihr seid Beowulf, der Kriegskönig, der Frieden brachte den Goten und Tod den Fremden? Der damals den Grendel erschlug, Hrothgars und der Dänen Befreier, dessen Taten die Goten in aller Welt berühmt machten? Viel habe ich von den Taten deiner Jugend gehört, Gotenkönig, kannst du es erzählen, so(Komma) wie es wirklich war?“

„Viel Kunde aus alter Zeit hast du gehört und in deinem Herzen bewahrt, mein Kind. Sag, was weißt du von dem Drachen.(besser Fragezeichen)“

„Mär gegen Mär lasst uns tauschen, Herr.“

„Mär gegen Mär(Komma) mein Kind und noch einen Trank von deiner Süßmilch, dann will ich dir erzählen, was schon lange keiner mehr gehört von mir.“

Das Mädchen schöpfte mit der [blue] hürnenen [/blue] (da die Kelle wohl aus Horn ist, kann sie nicht hürnern sein. Schreib einfach Hornkelle) Kelle aus dem schwarzen Topf über dem Feuer. Dem Alten fiel auf, dass ihr helles Linnenkleid nun unter einem schwarzen Mantel verborgen war. Sie setzte sich zum ihm, er begann zu erzählen(Komma) während draußen der Sonnenuntergang die Welt in ein rotgoldenes Licht tauchte, bevor es dunkel wurde.

„Jung war ich, durch meine Mutter mit dem König verwandt. Doch wenig achteten mich die Männer der Goten. Zwar war ich hoch gewachsen, doch selten sprach ich, noch seltener lobte ich die [red] eigenen [/red] (eigene) Tat. Am Fuße der Tafel des Königs saß ich, als letzter bedient mit Fleisch und Trank. Ungeachtet.“

Er nahm einen tiefen Zug, die Milch lief in seinen Bart hinein.

„Doch ich hörte viel, von Weibern und Männern, lernte(Komma) was ich konnte, denn damals war mein Geist wie Feuer. Wissen verzehrte er wie trocken Holz und Torf, verlangte stets nach mehr. So hörte ich auch von Hrothgar und den Herren der Dänen. Wie der Sohn großer Väter seine Halle Heorot baute, als ich noch ein Kind war. Doch ein Unheil suchte jede Nacht die Halle heim. Eine Strafe [blue] seiner [/blue] (für seinen) Hochmut schien es und es nährte sich an den starken Körpern der Helden, die vom Met berauscht in der Halle schliefen. Das Monster kam mit den Nebeln der Nacht und ließ nur die blutgetränkten Decken zurück, von den Körpern fehlte jede Spur, wenn des Morgens der Sonnenwagen aus der See stieg.
Mir war dieser Grendel, wie sie ihn nannten, ein Zeichen der Hoffnung, nicht länger ein armer Mann zu bleiben. Ein Zeichen war es mir auf Achtung und Respekt. Ich sammelte Männer um mich, wenige waren Freunde, die meisten gierig auf die Beute. So nahm ich von meinem König Urlaub, baute ein Schiff und fuhr über die Walstraße ins Reich der Dänen. Schwer war die Reise, als Wind und Wellen Reigen tanzten.
Im Reich der Dänen war es schwer, denn niemand glaubte mir, viele waren misstrauisch. Ein unbekannter Fremder sollte leisten, was die Dänenhelden nicht vermocht. Doch der König traute mir und ließ mich und meine Männer in der Halle schlafen.“

„So weit kenne ich die Mär, mein König. Erzählt mir doch(Komma) was ich noch nicht weiß.“

„Die Nacht schien endlos, die Feuer waren ausgegangen, obwohl es Sommer war, schlich die Kälte auf leisen Sohlen in den Saal. Die Lider unserer Augen waren schwer wie Gold. Einer nach dem anderen sank in seine Decken zurück, wandelte ins Reich der Träume. Auch ich schlummerte. Ein junges Mädchen lag in meinem Arm, dem ich ein Held schien.“


„Doch der Geruch nach Moor, unwirklicher Kälte und altem Blut weckte mich. In der Tür stand der Unhold, der aus der Tiefe emporgestiegen war. Gedämpft schienen mir meiner Schritte Laut, seltsam verzögert meine Bewegungen, wie im Traum. Mühelos und [red] Gehemmt [/red] (gehemmt) zugleich. Die Tür, in der er stand, schien nicht näher zukommen, doch plötzlich war ich dort. Bei ihm, wir [red] rungen [/red] (rangen) mit bloßen Armen, denn er kannte keine Waffen und ich führte keine.“

„War es denn ein Mensch, ein Moorhold oder einer der Jotünen?“

„Ich weiß es nicht(Komma) mein Kind, nie wieder sah ich einen seiner Art. Niemand hatte, auch nicht die Weisen und die Dverge, je von solchem Wesen gehört. Große Stärke war in seinen Armen, in seiner Brust, in seinem Rücken, doch die Füße waren schwach, wie die eines Kindes. Bald hätte ich verloren, allein ich kannte die Kniffe der Ringkunst, er nicht. Ich betrog ihn mit seiner Unwissenheit, zurück blieb ich, geschunden und gewürgt, er floh, doch sein Arm blieb in meiner Hand.“

„Dann verblutete er im Moor, der Grendel?“

„Nein. Davon später. Wie alles [red] lebende [/red] (Lebende) hatte er eine Mutter. Sie kam(Komma) um ihren Sohn zu rächen. In der Nacht, auf leisen Sohlen, mit den Nebeln(Komma) schlich sie in die Halle. Ich folgte ihren Spuren. Schön waren sie, zart im Tau des Morgens, im hohen Gras.“

„So war sie eine echte Frau? War sie schön.(besser Fragezeichen)“

„Vielleicht war sie eine echte Frau. In ihrem Palast,(kein Komma) sah ich sie dann. Schön war sie wie der Morgen und die See. Keine vermochte seither mein Herz zu rühren.“

Der König machte wieder eine Pause und nahm einen Zug aus der Milchschale.

„Tief unter dem Meer lag ihr Haus. Schimmernd wie das [red] innere [/red] (Innere) der Muschel. Rosig und glänzend. Es schien mir(Komma) als könne ich im Wasser atmen, fischgleich.“

„Dort stand sie, in einer marmor-weißen Halle, mit hohen Säulen. Dort sprach sie auch zu mir. Sie [red] wieß [/red] (wies) mir ein Schwert, das ich jetzt noch führe, und hieß mich(Komma) ihrem Sohn den Kopf zu nehmen, sein Leiden zu enden. Der Unhold lag auf einem weißen Stein, sein Blut lief zu beiden Seiten hinab, alles war getränkt davon. Er dauerte mich, sein Gesicht war schmerzverzerrt, er klagte in hohlen Tönen. Meine Hand war schwach, ich vermochte es nicht.

„Bring zu Ende, was du begonnen, Gotenheld. Erlöse mein Kind, das dir so hässlich scheint, mir aber[red] Schön, Gut und Gerecht[/red] (schön, gut und gerecht). Die Frucht meines Leibes, nimm sie dir ganz, beende auch mein Leid. Ich habe ihn geboren und dir geschenkt, damit du an ihm zum Helden werden konntest. Töte ihn, den du verstümmelt hast, gedankenlos.“

„Ich vermag es nicht.“

„Dann heile ihn, wenn du auch dies nicht vermagst, so sollst du großes Leid in dir tragen, dein ganzes Leben, und dein Ende, denn es wird kommen, soll ein jammervolles sein.“

So nahm ich das Schwert und schlug ihm den Kopf vom Leib. Dann nahm mich die Herrin mit sich, labte mich mit ungekannten Speisen, wir aßen aus Muschelschalen und nie gesehenen Tierpanzern. Dabei strich sie mir übers Haar und erzählte mir die Geschichte ihrer Mutterschaft und seiner Kindheit.“

„Erzählt(Komma) Herr, erzählt.“

„Nicht alles soll man erzählen, nicht alles kann ich erzählen. Es ist schon spät, morgen muss ich weiter, zum Drachenberg. Was weißt du von ihm.(besser Fragezeichen)“

„Lange hat er geschlafen(Komma) der Drachen, auf einem Hort aus rotem Gold. So erzählten die Alten im Dorf. Zweimal im Jahr,(kein Komma) tanzten wir ums Feuer und sangen den Feurigen tiefer in seinen Schlaf. Er war der Hüter eines Horts aus alter Zeit, das Kriegsgold der Wanen sollt er hüten, als der Krieg der Götter tobte. Doch als Wotan Freia heim geführt und die Asen herrschten, da vergaßen die Wanen ihn, denn nur Tote wussten noch um ihn. Im Dorf lebten die Hüter des Drachen, wir sangen. Meine Mutter glaubte nicht daran, Vater hatte sie im Süden geraubt. Für sie gab es keine Drachen, keine Götter und kein Gold, tief im hohlen Hügel. Doch der Wechsel der Generationen verwirrte die Gesänge,(kein Komma) und ein fremder Dieb fand so den Weg in den Berg, er weckte den Drachen aus seinem Schlaf. Seitdem wütet er im Land und in den Köpfen der Menschen.“

„Schlaf(Komma) mein Kind, auch ich werde schlafen, und morgen weiterziehen. Hab dank für deine Mär und deine Milch.“

Satt und zufrieden drehte sich der Alte um, wickelte sich in seinen Mantel, nahe am Feuer und der Schlaf küsste ihm süß die Lider.


VI


Die Sonne kam gerade über [red] den [/red] (dem) Bergrücken in Sicht, als Beowulf sein Pferd bepackt hatte und sich daran machte(Komma) in den Sattel zu steigen. Seine Glieder waren noch steif von [red] den [/red] (der) Nacht, es fiel ihm nicht leicht.

„Nehmt mich mit(Komma) Herr. Euer Pferd ist stark genug für zwei. Ich werde für [red] euch [/red] kochen, denn Essen müsst[red] ihr[/red] . Außerdem will ich nicht allein bleiben. Nehmt mich mit(Komma) Herr.“

Ein frischer Kranz aus Akelei in ihrem Haar, die Stimme war so bestimmt und fest, dass Beowulf sie ergriff und vor sich in den Sattel hob. Dann erst stieg er selber auf.

Längere Zeit ritten sie(Komma) ohne ein Wort zu sprechen. Beide genossen den Frühling, jeder auf seine Weise. Das Licht in den jungen, grünen Blättern, der Duft der Erde und der Blumen, ihr bereitete es Freude(Komma) ihm Trauer. Der Weg führte stetig bergan, langsam ließen sie das fruchtbare Grün des Tales hinter sicht. [red] Rauhe [/red] (Raue) Felsen und verkrüppelte Kiefern prägten bald das Bild. Der Frühling wurde wieder zum Winter, bald waren Schneeflecken zu sehen und der Wind blies kalt, obwohl die Sonne schien.


Beide Reiter teilten sich den einen Mantel und ihre Körperwärme und der große Leib des Pferdes unter ihnen ließ es ihnen nicht kalt werden.

„Sagt(Komma) Herr(Anführungszeichen), unterbrach sie das Schweigen, „Grendels Mutter habt [red] ihr [/red] nicht getötet, so wie die Geschichten es erzählen?“

Das Mädchen drehte sich im Sattel und blickte dem König ernst ins Gesicht.

„Ich habe sie getötet. Mit dem Schwert, das sie mir gab(Komma) um ihren Sohn zu erlösen. Nachdem sie mich gefüttert hatte und ich [red] ihn [/red] (in) ihren Armen gelegen war.
Sie schlief sanft und auch ihr trennte ich das Haupt vom Rumpf.“

„Warum habt [red] ihr [/red] das getan, sie fütterte [red] euch [/red] und war [red] euch [/red] nicht gram? Auch ich habe euch gefüttert und gepflegt, werdet auch [red] ihr [/red] mir den Kopf vom Körper und die Glieder vom Leben trennen mit [red] eurem [/red] Schwert?“

„Von allen Taten meines Lebens war ich nie überzeugter(Komma) das Richtige getan zu haben, im Augenblick(Komma) als ich es tat. Aber auch nie war ich mir danach sicherer(Komma) das Falsche gewählt zu haben. Ich war jung und hatte Angst. Vor ihrer Schönheit und Liebe noch mehr als vor ihrem Sohn.“

„Wie kann man vor Schönheit Angst haben? Meine Mutter war schön, vor ihr hatte ich keine Angst.“

„Grendels Mutter hatte mein Herz gefangen, ich wollte mich befreien. Aber nachdem ich sie getötet hatte, merkte ich, dass die Tote mein Herz noch immer in ihrer Hand hielt. Und nicht mehr loslassen würde.“

„Darum seid ihr unbeweibt geblieben?“

„Ja, wo andere ein schönes Weib sahen, sah ich nur einen blinden Fleck.“

„Dann war der Knabe(Komma) den ihr auf dem Scheiterhaufen legtet, zu dessen Ehren ihr die anderen verbranntet, gar nicht [red] euer [/red] Sohn? Aber ich sah die Tränen in [red] euren [/red] Augen.“

„Ich hatte keinen Sohn, ich werde auch keinen mehr haben, er war nur ein Knabe.“

„Ihr habt die Räuber gewürgt, als ob [red] ihr [/red] Tyr selbst wäret. Aber [red] ihr [/red] habt [blue] noch [/blue] (hat die nicht jeder?) zwei Arme, daher konntet [red] ihr [/red] nicht der Schwertgott sein. Ich dachte(Komma) [red] ihr [/red] wütet so, weil sie [red] euren [/red] Sohn gefangen hielten.“

„Auch ohne Blutsbande kann man lieben. In diesem Knaben sah ich viel[red] schönes[/red] (Schönes) . Er hätte nicht sterben sollen.“

Sie ritten schweigend weiter, der König schien in [red] den [/red] (die) Erinnerungen seines Lebens versunken, er hörte die helle Stimme des Mädchens nicht mehr, und so verstummte mit der Zeit auch sie.

Mit der Zeit, als der Sonnenwagen immer höher in (den) Himmel stieg und dann wieder zu sinken begann, wurden die Drachenzeichen immer deutlicher. Der König fand immer einen Weg im Schutz von Bäumen und Felsen, er mied das offene Land.

In einer zerstörten Kate, durch deren geborstenes Dach der Himmel blau mit schwarzen Wolken zu sehen war, ruhten sie. Vorsichtig machte [red] des [/red] (das) Mädchen Feuer und kochte vorsichtig die Milch, die sie in einem Schlauch aus Ziegenleder mit sich geführt hatte.
Beowulf hatte sich um das Pferd gekümmert, lange seinen Kopf an dessen Hals geschmiegt [red] zugesehn [/red] (zugesehen Komma) wie es gefressen hatte. Nun saß er in seinen Mantel gehüllt mit starrem Blick an die Wand gelehnt.

Beowulf fühlte sich alt und schwach, ausgelaugt und lethargisch. Plötzlich überkam ihn die Angst vor dem Tod, er wollte nicht so sterben, einfach an die Wand gelehnt, bevor er den Enkel Lokis [red] gesehn [/red] (gesehen) hätte. Doch seine Lider waren schwer, seine Glieder kalt und fühllos. Immer tiefer sank er in einen warmen, schwarzen Abgrund. In dessen unermesslicher Tiefe glänzten Sterne wie Schmucksteine. Immer schneller drehte sich das Bild, die Sterne bildeten ein Muster, wunderschön und lebendig. Aus Schwarz wurde Mitternachtsblau, eine unsichtbare Sonne ging auf und Beowulf vermeinte hinter einem Tor grüne Wiesen und goldenen Hallen zu sehen. Er schritt durch einen wohlgeschnitzten Türstock, der wie sein eigener in der Königshalle war. Er fühlte das glatte, dunkle Holz, da fror das Bild ein. Das Gefühl der Freiheit verschwand, er fühlte eine Hand an seiner Schulter. Unsanft rüttelte sie ihn, der Duft von warmer Milch stieg in seine Nase.

„Trink(Komma) Beowulf, trink.“

Wieder hielt sie sanft seinen Kopf, strich [red] im [/red] (ihm) die grauen Haarflechten aus dem Gesicht und flößte ihm schluckweise die Milch ein. Mit jedem Schluck kehrte er einen Schritt mehr in die Welt zurück. Als die Schale wieder gefüllt worden war und geleert am Boden lag, öffnete der alte Gotenprinz seine Augen. Verschwommen sah er ein Gesicht über sich, zuerst meinte er die Alte aus der Hütte am Meer zu sehen, doch es war nur seine Müdigkeit(Komma) die ihn täuschte, es war das kleine Mädchen.

„Ihr habt tief geschlafen(Komma) Herr, aber ich habe [red] euch [/red] geweckt(Komma) weil ich dachte(Komma) dass ihr hungrig seid, und dem war auch so. Ihr habt zwei Schalen getrunken. Mein Vater war auch ein starker, großer Mann, aber auch nach harter Arbeit konnte er nur eine Schale von Großmutters Milch trinken.“

Mit einer Mischung aus Spott und Stolz blickte sie auf ihn hinab. Beide waren nun in den Mantel und eine Decke gehüllt, das Feuer war ausgegangen, der Mond aufgegangen. Das Mädchen hatte Stroh und trockenes Gras gesammelt, es unter ihnen zum Bett und rings um sie zur Dämmung aufgeschüttet. Beide wärmten einander.

„Werden wir morgen zum Drachenberg kommen(Komma) Herr?“

„Ja, zur Mittagszeit“

„Sollten wir nicht besser nächtens kommen, wenn der Drachen schläft?“

„Wann schlafen Lokis Erben, schlafen sie überhaupt? Ich weiß es nicht. Wenn du es weißt, dann sag es mir. Ich glaube(Komma) so oder so ist es gleich. Ich werde hingehen und den Wurm erschlagen.“

„Sind Drachen nicht groß und unverwundbar, mit welcher Waffe wollt [red] ihr [/red] den Steinharten Panzer durchdringen, habt [red] ihr [/red] einen Plan geschmiedet? Gibt es Waffen(Komma) die einen Drachen zu verletzen mögen?“

„Im Süden, wo viele Menschen leben, in großen Städten, unter Kaisern und Kalifen, da gibt es auch Waffen gegen einen Drachen.“

„Habt [red] ihr [/red] so eine Waffe bei[red] euch[/red] , Herr? Zeigt sie mir.“

„Ich besitze keine, ich habe sie nur gesehen(Komma) als ich Söldner eines großen Kaisers war.“

„Was ist ein Söldner?“

„Ein Mann(Komma) der nur für Gold und Beute kämpft, sein Schwert und seine Axt vermietet.“

„Warum habt [red] ihr [/red] das getan?“

„Ich war jung und wollte die Welt sehen. Wir fuhren die großen [red] Flüssen [/red] (Flüsse) des Ostens entlang, bis sie eines Tages in ein Meer mündeten, das wiederum in ein anderes Meer mündet. Dort liegt eine große Stadt, dort wurde ich Söldner, dort sah ich auch die Waffen gegen einen Drachen.“

„Was sind das für Waffen?“

„Riesigen Bögen sind sie gleich, deren Pfeile, dick wie Tannenstämme(Komma) weithin(getrennt)schattend fliegen. Auch Rohre gibt es dort, die Feuer[red] speihen[/red] (speien) , viele Schritt weit.“

„Dann lasst sie uns bauen Herr, diese Waffen(Komma) von denen ihr sprecht.“

„Ich habe nicht gelernt(Komma) solche Waffen zu bauen(Komma) mein Kind, auch weiß ich nicht(Komma) ob ein Drachen, der sich bewegt und vielleicht auch zu fliegen weiß, überhaupt zu treffen ist.“

„Wie wollt [red] ihr [/red] dann den Drachen töten?“

„So wie man Ungeheuer tötet, mein Kind.“

Sie blickt ihn fragend an.

„Mit dem Herzen(Komma) mein Kind, nicht mit Waffen.“

„Das verstehe ich nicht“

„Zuerst muss man sich selbst überwinden, bevor man das Wesen besiegen kann. Jede Waffe ist nur zweitrangig. Man muss sein Leben gegen das andere Leben setzen, nur so kann es getan werden. Nur wenn ich bereit bin(Komma) mein Leben zu opfern,)kein Komma) “

„Aber eine Waffe braucht [red] ihr [/red] auch dazu, wird [red] euer [/red] Schwert nicht brechen,(kein Komma) am Panzer des Drachen?“

„Es hielt Grendels granitenen Schuppen stand, allem Stahl eines Kriegerlebens, ohne jemals schartig zu werden. Auch den Drachenpanzer wird es bestehen. Aus dem Meerhaus habe ich es, von der schönen Frau, die sein Opfer wurde. Alt ist es und keinem Schwert gleich(Komma) das ich je sah.“

„Zeigt es mir, mein Herr.“

„Es ist wild und blutdürstend. Wenn ich es ziehe, muss es trinken, dein Blut aber ist mir heilig, du meine Ernährerin. Schlaf nun, morgen ist es soweit, morgen werden wir sehen.“

Der König schlief, das Mädchen wachte und ließ ihre Finger über den Griff des Schwertes gleiten, [red] dass [/red] (das) dort an der Wand lehnte. Altes Leder, ölig und fleckig(Komma) war um den Griff gewunden, kalt fühlte es sich an. Dann schlief auch die Kleine ein, an ihn gelehnt.


VII


Die Höhle führt in die Flanke eines grauen Hügels(Komma) dessen Kuppe schneeweiß glänzte.
Verbrannt war das Land ringsum, die verkrüppelten Kiefern waren schwarz verkohlt, das braune Gras verbrannt. Das Loch im Berg war frisch gegraben, denn noch nicht lange war es her, dass der Dieb den Feuerdrachen geweckt. Mann und Mädchen standen vor dem Tor, verborgen hinter Felsen. Eine Weile warteten sie, dann ging er allein auf die dunkle Öffnung zu und verschwand in ihr. Das Kind kauerte sich in die Felsen und wartete.

In der Höhle blieb Beowulf stehen und horchte in sich hinein. Er hoffte, dass er das Feuer noch einmal lodern machen könnte, ein letztes Mal. Unter der Asche in seinem Herzen [red] waren [/red] (war) kaum noch Glut, und lange dauerte es(Komma) bis Flammen züngelten. Geduldig blies der König, sanft und gleichmäßig nährte er die Flamme mit seinem Atem. Endlich loderte es in seinem Herzen, doch das Feuer war ihm fremd. Lange überlegte er(Komma) was ihn befremdete. Es war etwas Neues im Feuer, etwas[red] unbekanntes[/red] (Unbekanntes) . Es erinnerte ihn an Butter, die geklärt in heiliges [red] Feuere [/red] (Feuer) gegossen, ihren Duft verströmte. Endlich erkannte er das Unbekannte. Die Süßmilch nährte das Feuer, nicht sein Selbst. Süßmilch schmeckte er auf seiner Zunge und in seinem Herzen. Sanft und gleichmäßiger als sonst brannte die Lohe seiner See. Verwundert schüttelte er das Haupt, zog den Helm über Gesicht und Kopf. Dann fasste er den Schild und sein Schwert, bis seine Waffen vom Seelenfeuer heiß und leicht waren, dann machte er sich auf den Weg in den Berg hinein.

Manches(getrennt)mal war der Weg schmal, manches(getrennt)mal niedrig, an manchen Stellen beides und der König musste auf Knien kriechen. Endlich weitete sich der Stollen in eine Halle. Weit und hoch war sie, die Decke wie ein Schiffsrumpf aus dem Stein geschnitten, dunkel glänzte rotes Gold und Waffenschmuck.

Klein schien der Drachen, drei Hengste lang und auch nicht höher. Die Schwingen angelegt, der Schwanz, in Körperlänge, peitschte wild umher. Heiß war sein Atem, heiß sein Körper, doch Beowulf spürte die Hitze nicht, denn ebenso heiß war seine Seele.
So tanzten Mann und Wurm, nah einander, bis zärtlich aneinander geschmiegt sie nieder sanken. Der Drachen tot, das lange Schwert im Leib, aus vielen Wunden blutend. Der alte Held erschöpft, sein Panzerhemd zerrissen, sein Wams versengt, sank an den Leib des Drachens.

So fand ihn das Kind. Ihre Augen fanden einander.

„Ihr habt ihn getötet(Komma) Herr. Es ist vorbei?“

„Ja.“

„Aber [red] euer [/red] Panzer ist zerrissen, der Wurm hat [red] euch [/red] verletzt. Lasst mich sehen.“

Sie kniete und strich Panzerringe wie auch Wams zur Seite. Eine schwarze, gezackte Wunde, weder tief noch lang, war an seiner Brust zu sehen. Zuerst nahm sie den Schlauch von ihrer Schulter, reichte Beowulf die Milch. Als er trank, senkte sie ihr Haupt an die Wunde, legte den Mund auf und begann zu saugen. Blut und bittres Gift.

„Lass sein(Komma) mein Kind, das Gift des Drachens ist in meinem Herzen, lass es sein.“

Doch sie hörte ihn nicht, saugte weiter, der König [red] schloß [/red] (schloss) die Augen, bis ihre Hände über seinen Körper zu gleiten begannen, zärtlich und sicher.
Er öffnete seine Augen, rotgoldenes Haar lag auf seiner Brust, ein goldbesticktes Biberfell deckte ihn und sie. Klare Augen, volle Brüste(Komma) ein warmer Leib. Eine sanfte Stimme sprach.

„Lass es geschehen(Komma) mein Liebster, sein ein Mann für mich, dies letzte Mal.“

Tiefe Züge nahm der König, bis der Schlauch geleert war, während sie ihn koste. Als der Schlauch geleert am Boden lag, zog sie die schwarze Feder aus seinem Haar. Sie zeichnete die Linien des Alters in seinem Gesicht. Schließlich zog sie das Rabenkleid über seine Lippen. Feuer leuchteten in beider Augen(Komma) bis der Schlaf kam, zärtlich und auf leisen Sohlen. Unter dem Biberfell ruhten beide, an den Leib des Drachen gelehnt. Noch verströmte der Drachenkörper sanftes Licht, warm und dunkel war es in der Halle unter dem Berg.

Schließlich öffnete Beowulf noch einmal seine Augen. Ein Gesicht, älter als die Zeit, tief gefurcht, mit klarem Blick, war seinem nahe.

„Warum(Komma) Herrin, freie Vanadis, musste der Knabe Offa sterben, warum konnte er nicht leben?“

„Die Zeit der Götter ist getrennt von der, in der die Menschen leben. Ein Mann(Komma) dessen Ahnen noch nicht geboren sein mögen, kann der Grund sein, für Taten, die tausend Jahre schon vergangen sind. Manch Morgen ist Grund für das Gestern. Manch Heute ist schon lang vergangen, manch Gestern noch nicht geschehen.“

Beowulf wollte den Mund öffnen, doch sie legte ihm den Finger quer über die Lippen.

„Schlaf nun(Komma) Gotenheld, schlaf tief, bis wir uns wieder(getrennt)sehen, in Einaugs goldner Halle, wenn Goldkamm uns krähend ruft.“

Langsam wurde es dunkler in der Halle unter dem Berg, der Atem des Königs leichter, bis der Tod ihn holte. Lange lag sein Körper neben dem Drachen, ehe die Gier die Menschen trieb(Komma) den Hort zu holen. Hoch wurde die Erde aufgeworfen, tief hinab senkten sie seinen Leichnam und bald nachdem das grüne Gras ihn deckte, war der Held vergessen.


eine nette Nacherzählung der alten Sage.
lg
 



 
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