Betriebsausflug

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anemone

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Als ich auf dem Vergnügungsdampfer ankam, war die Party bereits in vollem Gange. Man hatte es mir ermöglicht um 16 Uhr an einem anderen Kai zuzusteigen, da ich einen wichtigen Termin nicht verschieben konnte.
Das Vergnügen pur sprang mir in die Augen und im ersten Moment wäre ich liebend gerne wieder umgekehrt. Es gab Kollegen die tanzten und wiegten sich im Takt der viel zu lauten Musik. Einige saßen an der Bar und kippten irgendwelche Getränke in sich rein und in der Ecke, unten auf dem Boden, sah ich Roger, meinen hochgeschätzten Kollegen mehr auf, als neben unserem Lehrmädchen liegen. <Ich bin zu nüchtern!>, stellte ich bereits nach kürzester Zeit fest und bestellte mir gleich ein paar Körnchen, die ich nur ungerne trank, aber ihre Wirkung auf meinen Zustand nicht verfehlten.
Mutig lief ich wieder in die Richtung, wo ich zuvor Roger gesehen hatte. Er sah mich mit blitzenden Augen aus den Augenwinkeln an, zog Bea an der Schulter neben sich her und verschwand mit ihr und seinem neuen Anzug unter Deck.
Ich wendete mich den übrigen Kollegen zu. Liane, die noch relativ nüchtern war, verwickelte mich in ein Gespräch über Natursteinlampen und ich hörte ihr mit halbem Ohr zu, den Eingang zum Unterdeck nicht aus den Augen lassend.
Ich trank Martini, der mir wesentlich besser schmeckte und wohl auch etwas zu viel davon, denn schon nach kürzester Zeit musste ich die Toilette aufsuchen. Von dort kam mir Bea entgegen. Sie wirkte frisch gepudert und ihre Lippen waren mit einem grellen Rotstift nachgezogen. Solche Utensilien besaß ich zwar auch, doch ich benutzte sie nicht oder nur selten.
Ich wollte immer noch mich selbst erkennen, wenn ich in den Spiegel vor mir sah und mit einem grellen Lippenstift war ich jemand anderes, der ich nicht sein wollte.
Auf dem Weg zum Tresen stellte ich fest, dass sich die Musik geändert hatte. Ein anderer Kollege legte jetzt die CDs auf und mit einem flüchtigen Blick in seine Richtung musste ich erkennen, dass dieser Kollege Roger war.
Natürlich! Seine Musik hatte er sorgfältig ausgewählt. Der Rhythmus versprach Erleichterung. Bea saß in seiner Nähe und versuchte ihn zu sich zu locken. Sicher gefiel es ihr nicht, dass er jetzt die Musikanlage bediente. Roger unterhielt sich mit Bernd und rauchte dabei die Zigarette danach.
Hellhörig wurde ich, als er die Scheibe Yesterday von den Beatles auflegte. Das war doch ganz und gar nicht der Hit,
den Bea von ihm erwartete und gelangweilt blies diese den Rauch in die Luft, dabei immer wieder seine Augen suchend, die noch vor einiger Zeit so genussvoll blitzen konnten.

Hinter dem Tresen suchte Roger immer wieder meinen Blick. Ob er es bemerkte, dass ich ihn beobachtete, dass ich registrierte, dass sein Hemd falsch zugeknöpft war? >Ach, er kann mich mal!>, ging es mir durch den Kopf und ich wechselte meinen Platz. Ich steuerte auf den Tisch zu, um mich mit den älteren Herrschaften des Betriebes zu unterhalten.
Eine zeitlang fiel es mir nicht auf, doch als das Lied spielte "Missing you!" von John Wate, wurde ich wieder hellhörig. Grinsend stand Roger hinter dem Tresen und ich zeigte ihm mit meiner freien Hand eine lange Nase. Seine Antwort darauf war Jennifer Rush's "A broken Heart". Die Herrschaften beschlossen, sich kurz am Vorderdeck die Beine zu vertreten.
Ich nahm meine Jacke, um ihnen ebenfalls zu folgen. Ich meine, er ließ die Musik etwas zu laut "Please don't go", von KC spielen. Als wir mit vertretenen Beinen zurückkamen hatte Bea Roger die CD-Anlage abgenommen. Es wurden nur noch flotte moderne Lieder gespielt und wie der weitere Tag verlief blieb mir leider nicht im Gedächtnis haften, denn es wurde durch Alkohol noch empfindlich gestört.
 



 
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