Bimsstein und Kernseife

MDSpinoza

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Bimsstein und Kernseife

Wir saßen alle beim Abendessen, als es an der Tür klingelte. Vater runzelte die Stirn, Mutter wußte auch nicht, daß sich jemand angekündigt hätte. Vater stand auf und öffnete die Tür. Er sprach ein paar Sätze, dann hörte ihn das ganze Viertel.
„SIIIIIEEEEEMON!“
Ich setzte mein Sonntagsgesicht auf und stiefelte mit perfekt eingeübter Unschuldsmiene zur Tür. Zwei grüne Streifenhörnchen standen da und hielten ihre Schirmmützen in den Händen.
„Was ist los?“
„Erzähl doch mal, was du heute mittag wieder angestellt hast. Die Schule war um Eins aus, du bist aber erst um halb Drei daheim angekommen. Wo warst du, Sohnemann?“
„Ich habe mich noch mit Kevin und Murad festgequatscht. Murad hat ein neues Fahrrad, das mußte er uns unbedingt vorführen.“
„Von den fünf üblichen Verdächtigen schon mal drei auf einem Haufen. Yvonne und Emine waren diesmal verhindert?“
„Die kamen später dazu.“
„Diese, äh, Herrschaften hier, erzählen, ihr seid im Schloßpark gesehen worden, als es dort einen, äh, Vorfall, gegeben habe.“
Eine dieser ‚Herrschaften’ war eine Polizeiobermeisterin, eigentlich viel zu hübsch für so einen Job. Sie lief leicht rot an. Vielleicht war sie ja sonst auch ganz nett...
„Vorfall? Ich weiß von nichts.“
„Simon, ich wette, du hattest deinen Camcorder dabei. Das wäre einer der ersten Streiche in den letzten fünf Jahren, den du nicht auf Video hättest. Soll ich mal die Cassette abspielen?“
„Ich habe heute morgen eine neue eingelegt, da ist noch nichts drauf.“
„SIIIEEEEEMON!“
„Stimmt aber.“
„Erzähl es einfach. Ach ja, sie suchen dich nicht, weil sie dich beschuldigen wollen, sondern nur als Zeugen. Weiß der Geier, wie du das hingekriegt hast, aber du scheinst dich zu bessern. Spuck’s einfach aus.“
„Na ja, Emine und Yvonne haben von Freundinnen erzählt bekommen, daß im Schloßpark ein Typ im Gebüsch lauert, der sie mit runtergelassener Hose erschrecken will, und dabei an seinem besten Stück spielt.“
Die Polizistin nickte.
„Gegen den Mann sind schon ein paar Anzeigen erstattet worden, aber ohne Zeugen können wir da nicht viel machen. Außerdem hat er einen festen Wohnsitz, da können wir ihn nie lange festhalten. Für eine Anklage hat es nie gereicht.“
„Hast du da etwa ein Video von gemacht?“
„Äh, nicht direkt.“
„Sieeemon, das Essen wartet.“
„Herr Dr. Jester, wir können auch gerne zu einem anderen Zeitpunkt wiederkommen, wenn Ihnen das jetzt ungelegen kommt...“
„Nein, das regeln wir jetzt.“ Vater hatte den diskreten Versuch, hereingelassen zu werden, wohl verstanden, aber er tat so, als würde er ihn nicht einmal ignorieren.
„Simon, erzähl’s einfach.“
„Na ja, besonders Svetlana und Yasemin haben vor dem Kerl Angst. Der sieht vielleicht auch ein bißchen unheimlich aus. Groß, mager und richtig haarig. Wenn der im Gebüsch steht und seinen Piepel reibt, ist schon ein seltsamer Anblick. Kevin wollte einfach nur ein Video machen und an die Polizei schicken, aber Murad wußte schon, daß die nichts tun würden.“ Die Polizistin schaute verlegen zu Boden, ihr Kollege lief rot an, aber eher vor Wut. Da hatte ich wohl einen wunden Punkt erwischt. Mußte ich mir merken.
„Na ja, da habe ich mich an die Geschichte mit dem Unterbodenschutz erinnert, die mit dem Zeug aus der Spraydose. Murad hat seinem Vater davon zwei abgeschwatzt und wir sind dann nach der Schule in den Park gegangen. Das haben wir jetzt jeden Tag die letzten zwei Wochen gemacht. Wir haben ausgekundschaftet wo der Typ seine Show abzieht, wie das Gelände aussieht, von wo aus man am besten anschleichen kann, und heute haben wir ihn erwischt. Yvonne, Emine und Yasemin haben ihn abgelenkt, war nicht weiter schwer, einfach ‚iiih’ geschrien und Yasemin ist ganz rot angelaufen, weil sie nie so genau hingeschaut hat wie heute, und Murad und ich sind von hinten an ihn ran.
Der war total mit den Mädchen und sich selbst beschäftigt. Erst als wir ihm den ganzen Bauch bis zu den Beinen runter mit Unterbodenschutz eingesprüht hatten, kam der zu sich. War nichts mit La Fontaine. Der hat dabei so ein blödes Gesicht gemacht, daß sogar Yasemin sich kaputtgelacht hat, trotz aller Angst, und dann hat er sich die Hose hochgezogen und ist abgewetzt, so schnell er konnte. Das war schon alles.“
„Was für Unterbodenschutz war das?“
„Was wir auch benutzt haben, der auf Teerbasis.“
„Das ist das Zeug, das man besser nicht auf die Haut kriegt, nicht wahr?“
„Ja, und falls man es in die Haare kriegt, geht es nur mit den Haaren wieder runter...“
„Der wird jetzt wohl ein Weilchen zu tun haben und sich ein Wenig aus dem öffentlichen Leben zurückziehen müssen.“
„Ja, Herr Dr. Jester. Ihr Sohn hat damit der Öffentlichkeit wohl einen Gefallen getan. Jedenfalls ist das für uns damit erledigt. Einen schönen Abend noch, Herr Dr. Jester, auch für Ihre Familie.“
Vater warf ihnen noch einen fragenden Blick nach, ihm war nie wohl, wenn Streifenhörnchen höflich wurden, dann schloß er die Haustür hinter ihnen.
„Simon, Simon, du läßt nach. Jetzt wirst du schon ein Wohltäter an der Öffentlichkeit. Was habe ich da nur in die Welt gesetzt...“
Dann grinste er breit und gab mir einen Klaps auf die Schulter.
„Unterbodenschutz. Wie hast du bloß die Sauerei von deinen Klamotten weggekriegt?“
„Ich hab mir aus deiner Praxis diese langen Handschuhe stibitzt und eine Plastikschürze.“
„Ha! Das ist Vorsatz und niedrige Motive! Verdunklung und Vernichtung von Beweismaterial. Mit anderen Worten, praktizierte Intelligenz. Aus dir wird vielleicht doch noch etwas.“
 



 
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