Bipolar

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BikeXdream

Mitglied
Aus dem Tagebuch eines "Schwermütigen"

Bipolar

Ein Pfropfen im Kopf will mich zersprengen.
Ohnmacht drückt mich in das Nichts.
Nicht gesagte Worte morden meinen Willen,
und doch ist alles schon erwähnt.
Das Leben tobt um mich herum,
und doch bin ich einsam.
Ich spüre die Pranken der Verzweiflung in meinem Nacken.
Bipolare Störungen sabotieren mein Leben
und schleudern mich vom Hoch ins Tief,
vom Tief ins Hoch und immer tiefer.
Ich habe alles und doch nichts.
Der Suizid zerfrisst mein Gehirn
während die Kinder fröhlich lachen.
Verzeiht all das Unheil das ich über euch zerstreue.
Verzeiht meine Gleichgültigkeit und Müdigkeit,
das hin und her, das auf und ab, das rein und raus.
Bald reiß´ ich wieder Bäume aus,
alle auf die ihr flüchten wollt,
wenn ich euch rastlos treibe
in erneuter Manie.
Nur eine Hand die meine Seele berühren kann.
Einmal nur will ich sie spüren.
Ich schreie um Hilfe, klanglos und still.
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo BikeXdream,

ein eindrucksvoller Text, der mich nachdenklich stimmt.

"Nur eine Hand die meine Seele berühren kann."
Erfahrungsgemäß gibt es doch viele helfende Hände in solchen Lebenssituationen - und sie ändern wenig am Erleben einer solchen Erkrankung. Das Sich-nicht-verstanden-Fühlen scheint das zentrale Thema zu sein. Mit noch so gut gemeinten Worten erreicht man die Betroffenen (meiner Erfahrung nach) aber nicht.
Wie könnte diese "Hand" aussehen, die eine Seele berührt? Reicht das tiefe Verständnis eines Menschen, der Ähnliches erlebt hat, aus? Kann man als Außenstehender die Seele eines Depressiven überhaupt erreichen?

Schöne Grüße, NDK
 

BikeXdream

Mitglied
Hallo NDK, :)

Ich freue mich, NDK, dass du dich hier zu dem Text in dieser Form gemeldet hast!


Ja, aus der Sicht der Therapeuten gibt es wohl verschiedene Möglichkeiten eine Behandlung durchzuführen, also "zu helfen". Ob durch Medikamente die vielleicht gewisse Botenstoffe im Gehirn verstärken (kenne mich da aber auch nicht besonders aus) oder durch Psychotherapie.
Dies mag wohl auch, sollte es denn richtig durchgeführt werden, auch zu einer Verbesserung führen.

Außenstehende können nicht helfen, auch wenn sie es manchmal zu glauben scheinen, denn sie können die Seele des Depressiven nicht erreichen, wie du so schön formuliertest.
Oft verschlimmern sie die Situation sogar.

Aber diese "Zeilen" sind aus der Sicht eines Menschen in genau diesem zutiefst depressiven Zustand geschrieben worden.
In dieser Situation sieht der betroffene (fast immer) keine Möglichkeit der Hilfe von außen.

Meistens bleiben diese Zustände den gewöhnlichen Außenstehenden sogar ganz verborgen, d.h. sie bemerken es gar nicht, denn der "Depressive" versucht in der Regel seinen
Zustand nicht offen zu zeigen und zieht sich zurück.
Lediglich den engsten Vertrauten kann er sich evtl. offenbaren.
Vielleicht kann er sich auch irgendwann überwinden, sich einem Therapeuten anzuvertrauen,
doch bis dahin, wenn überhaupt, ist es ein leidvoller Weg für den Betroffenen, als auch für seine engsten Lebensgefährten (Familie), die seine Zustände ertragen, verstehen und akzeptieren sollten/müssen/dürfen.

Die Hand, welche die Seele des Betroffenen berühren kann, existiert in diesem Fall als Illusion seiner Phantasie. Ein Wunschdenken das trügerisch sein kann. Seine Seele sehnt ich nach Ruhe und Geborgenheit die er mit einer Person teilen möchte.
Doch diese Person gibt es nicht, so dass der Betroffene sich in sein eigenes Seelenleben zurückzieht und „trauert“, denn das was er eigentlich sucht, das findet er nicht in "dieser Welt".

Diese Beschreibung muss und wird natürlich nicht für alle Betroffenen so zutreffen, sie kann variieren. Aber ich denke dass sich auch viele, die solche Probleme haben, damit irgendwie identifizieren können.

Vielleicht diskutieren wir hier noch ein wenig über das Thema, um in das „Forum Lupanum“ verschoben zu werden, weil wir nicht über den Text an sich sprechen.
Aber eigentlich war es auch mein Anliegen dieses Thema in die Diskussion zu stellen.

Aber um auch ein wenig beim Text zu bleiben:
Ich würde mich über Eindrücke von „Betroffenen“ freuen, um diese „Psychische Störung“ lyrisch genauer und dichter beschreiben zu können.


LG
Bike
 
M

Melusine

Gast
Hallo Bike,
dein Text beeindruckt mich.
Ich weiß wenig über "bipolare Störung", aber ich denke du hast das gut beschrieben. Gut genug jedenfalls, dass ich es mir vorstellen kann und glaube, es nachempfinden zu können.
Ich wage zu vermuten, dass ein Großteil der Schreibenden sich mit psychischen Problemen herumschlägt. Für mich ist Schreiben nicht zuletzt auch zu einem Gutteil eine Art Selbsttherapie, um mit seelischen Verletzungen klarzukommen. Depressionen sind mir nicht fremd. Das ist etwas anderes, ich weiß. Vielleicht kannst du mit meiner Antwort dennoch etwas anfangen.

Liebe Grüße,
Mel
 

BikeXdream

Mitglied
Hallo Melusine, :)
Danke für deine Zeilen!

Ich glaube dass du recht hast und viele (auch hier) psychische Probleme haben. Die wenigsten werden das aber offen zugeben. Ja, das Schreiben kann für viele Betroffene eine Art Selbsttherapie sein. Ein Ventil, um die Probleme irgendwohin zu „bugsieren“! Ich habe diesen Text geschrieben, um vielleicht auch einen „Einstieg“ in das Thema „psychische Probleme“ zu finden.
Ich denke es ist ein sehr interessantes, aber auch heikles Thema.
Ob ich diese spezielle Art „bipolare Störung“ bzw. "manisch-depressive Erkrankung" einigermaßen gut beschrieben habe, weiß ich nicht. Vielleicht kann mir ein Betroffener mal was dazu sagen.
Mit deiner Antwort kann ich was anfangen, danke nochmals dafür!

LG
Bike :)
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo BikeXdream,

Du schreibst "Ich schreie um Hilfe, klanglos und still.".
Im Gegensatz zu einer leichteren depressiven Verstimmung ist bei einer Depression im Sinne der üblichen medizinischen Definition doch gerade das Nicht-fühlen-Können ein wichtiger Aspekt. Mir persönlich kommt es so vor, als ob sich die Seele in diesen Fällen eine Art Auszeit nimmt. Eine manische Phase dürfte m.E. so ungefähr dem Hochgefühl von Frischverliebten entsprechen, die ja manchmal auch völlig neben der Spur sind.
Könnte der Leidensdruck nicht schlicht daraus resultieren, dass der Betroffene für eine Weile nicht mehr in das von der Gesellschaft bzw. seiner sozialen Umgebung vorgegebenen Schema passt und nicht mehr so "funktioniert", wie es von ihm erwartet wird bzw. wie er es selbst von sich erwartet?

Schöne Grüße, NDK
 

BikeXdream

Mitglied
Hallo NDK,

das ein "nicht fühlen können" ein Merkmal einer Depression sei, ist mir neu. Dies kenne ich weder aus den Beschreibungen anderer, noch aus eigenen Erfahrungen.
Ich denke dass genau das Gegenteil der Fall ist, also ein sehr starkes Gefühlsleben den Betroffenen heimsucht, welches aber in der Regel nur nach innen gerichtet ist.
Die Wahrnehmung der Außenwelt allerdings kann in diesen Phasen oft erheblich gestört, oder besser verändert, anders, von der Norm abweichend sein.
Die Seele nimmt sich keine Auszeit, denke ich, sondern ist in diesen Situationen ganz besonders gestresst.
Eine manische Phase würde ich nicht mit dem Gefühl des „verliebt seins“ vergleichen,
sondern eher mit dem Gefühl „alles erreichen zu können, wenn man nur will“.
Das heißt, die Glückshormone, wie sie beim „verliebt sein“ ausschlaggebend sind, spielen hier eine untergeordnete Rolle, was nicht heißt dass sie nicht auftreten können.
Aber ein wenig hast du Recht, man verliert den Sinn für die Realität, man wird „blind“, ähnlich wie beim „verliebt sein“!

Könnte der Leidensdruck nicht schlicht daraus resultieren, dass der Betroffene für eine Weile nicht mehr in das von der Gesellschaft bzw. seiner sozialen Umgebung vorgegebenen Schema passt und nicht mehr so "funktioniert", wie es von ihm erwartet wird bzw. wie er es selbst von sich erwartet?
Ja, zum Teil! Es ist ein Teufelskreis!
Zum einen passt er in seinen „Phasen“, ob manisch oder depressiv, nicht mehr so richtig in die Gesellschaft. Und zum anderen wird ihn das Wissen um diese Situation ihn in eine erneute „depressive Phase“ drücken, aus der er sich evtl. künstlich erzwungenen Optimismus befreien will, was wiederum in eine „manischen Phase“ führt.
Evtl. spielt der körpereigene Hormonhaushalt hierbei eine große Rolle, der sich im ständigen Ungleichgewicht befindet!?


LG
Bike :)
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo BikeXdream,

ich meinte das “Gefühl der Gefühllosigkeit", das bei schweren Depressionen häufig beschrieben wird. Dieses Symptom wird auch als "emotionales Erstarren" bezeichnet. Möglicherweise erlebt das aber jeder Betroffene anders. Ich kann mir auch nicht recht vorstellen, wie man Gefühllosigkeit "fühlen" will... vielleicht sollten wir mal einen davon Betroffenen zu Rate ziehen. ;)

Schöne Grüße, NDK
 
M

Melusine

Gast
Bike, ich war noch nie in Therapie und das laienpsychologische Geschwätz von Leuten, die sich ihre Weisheiten angelesen haben, interessiert mich nicht.
Was ich aus eigener Erfahrung sagen kann ist, dass ich mal "krank" wurde, weil ich psychische Belastungen nicht mehr aushielt. Später wurde mir klar, dass das eine depressive Verstimmung oder so war. Somatisch äußerte es sich als chronische Müdigkeit, Schwindelgefühle, extrem starke "Kreislaufstörungen".
Psychisch resultierte es praktisch in Arbeitsunfähigkeit. Das Verständnis der Umgebung tendierte gegen Null, was die Sache auch nicht gerade leichter machte.
Ratschläge wie "reiß dich zusammen", "lass dich nicht so gehen", "mach mehr Bewegung, geh spazieren, laufen, radfahren..." (toll, wenn man vor Schwindelgefühlen fast umkippt), geh zum Arzt (meine Erfahrung mit Ärzten: sie schicken dich zu irgendwelchen Durchuntersuchungen in irgendwelche Labors und wenn du sagst was dir "fehlt", sagen sie bestenfalls freundlich: ja, ja, schlimmstenfalls geben sie dir deutlich zu verstehen dass du nix davon verstehst und gefälligst den Mund halten sollst) ... das war in etwa, was ich von meiner Umgebung kriegte.
Woher ich weiß, dass es Depressionen waren? Meine Schwester brachte mich auf die Idee (sie war damals gerade in Therapie) und dann las ich bisschen was dazu. Sobald ich wusste was es war, kriegte ich's dann auch wieder auf die Reihe. Es war wohl nichts wirklich "Schlimmes". Aber es lungert immer irgendwo im Hintergrund... mittlerweile kann ich damit umgehen.

LG Mel
 

NewDawnK

Mitglied
@ Melusine:

falls Du mich meinst: mein "laienpsychologisches" Geschwätz ist in diesem Fall laienpsychiatrisch, weil es sich bei den bipolaren Depressionen um echte Krankheiten handelt, die in erster Linie von Psychiatern(!) behandelt werden - und zwar mit Medikamenten.
Vielleicht hat Deine Depression ja einen Vornamen gehabt - vielleicht den von Deinem Chef oder von Deinem Ex oder sonstwem. In dem Zusammenhang ist es mir auch schon mal so gegangen, dass ich den Hintern morgens nicht hochkriegt habe. So was ist situationsbedingt, das hat jeder mal. Dann sollte man sich die Lebensumstände vom Hals schaffen, die einem nicht gut tun - und schon ist die "Depression" wie weggeblasen. Einfacher ist es natürlich, mit einem Schild um den Hals herumzulaufen, wo draufsteht "Ich bin depressiv". Dann wird man ordentlich bedauert, was im Einzelfall ja auch ganz reizvoll sein kann. Vielleicht trennt sich der Chef, Ex oder sonstwer dann auch aus eigenem Antrieb von einem. Und schon sieht die Welt wieder freundlicher aus...

Gruß, NDK
 
M

Melusine

Gast
Hallo Bike,
bitte entschuldige meinen vorigen Beitrag, ich merke eben, dass der mit deinem Text wirklich nichts mehr zu tun hatte.

NDK, das können wir woanders diskutieren, okay? (Falls du es diskutieren willst.)

LG Mel
 

BikeXdream

Mitglied
Hallo Mel,

welcher Kommentar hatte hier schon mit dem Text an sich zu tun!?
Bisher ist aber doch alles noch im grünen Bereich .. oder !? ;)

Aber ... gut ... ich würde mich auch über Beiträge zum TEXT selbst freuen!

LG
Bike :)
 

NewDawnK

Mitglied
@ Melusine

Es gibt natürlich auch Leute, die laufen mit ihrer hausgemachten "Depression" zum Psychiater, und lassen sich wegen ihrer Stimmungsschwankungen krank schreiben. So ein Psychiater ist ja auch nur ein Mensch. Gedankenlesen können die wenigsten. Und wenn so eine Fehldiagnose dann erst mal in der Krankenakte steht, wird man den Stempel nie wieder los. Es sei denn, man ist Privatpatient. Für die gibt es Stempel-Maßanfertigungen und farblich passende Radiergummis - je nach Zahlungsbereitschaft.

Ich denke, damit ist der inhaltliche Bezug zum Ausgangstext wiederhergestellt.

Gruß, NDK
 

Mirko Kussin

Foren-Redakteur
MODERATION

Eigentlich wollte ich den Text direkt ins Lupanum schieben, weil sich die Diskussion überhaupt nicht auf den Text bezieht, sondern um die generelle Problematik depressiver Erkrankungen.
Da aber sowohl Melusine, als auch Bike im thread um textbezogene Kommentare gebeten haben, lass ich ihn erstmal hier im Tagebuch.
Textbezogen heißt für mich: Diskussionen über Wortwahl, Metrik, Umsetzung der Thematik, Originalität, u.ä.
Textbezogen heißt für mich nicht: In dem Text geht es um Depressionen und jetzt diskutieren wir über Depressionen und andere psychische Krankheiten. Das ist für mich Plauderei und kann prima per PM oder mail geklärt werden ;)
Gruß
Mirko
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Mirko,

Du hast einen sehr originellen Humor.
Der Sinn eines jeden "normalen" Tagebuchs ist die Dokumentation und Reflektion von Gedanken und Gefühlen.
Ich persönlich kenne keinen einzigen Menschen auf dieser Welt, dem im Zusammenhang mit einem Tagebucheintrag formale äußere Kriterien wichtiger wären als der Inhalt. Vielleicht solltet Ihr aus gegebenem Anlass zur Vermeidung von Missverständnissen diese Rubrik umbenennen? Z.B. in Richtung "Tagebuch für lyrische Zwangsneurotiker". Das nur mal so als Anregung. Ich möchte mich nicht einmischen, schließlich gehört Dir diese Rubrik hier - allein Du bestimmst die Regeln...! ;)

Schöne Grüße, NDK
 



 
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