Bis der Tod uns scheidet

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe hat die Farbe rot

„Schönes Wochenende“ hieß es überall auf den langen Klinikfluren. Für die, die dienstfrei hatten, war diese sonnige Freitagnachmittag wie geschaffen für einen erholsamen Auftakt bis Montag.

Auch Schwester Sibylle löschte im OP-Saal die letzten Lichter und ließ den Blick prüfend über die blitzenden Flächen gleiten. Lag nichts herum? Alles aufgeräumt und an Ort und Stelle? Es sah ganz danach aus. Alles war still. Sie war die Letzte und blickte wie immer vor dem Gehen auf die große Uhr über der Tür. Feierabend seit drei Minuten... wie schön.

Sie ging zur Schiebetür und warf einen Blick in den menschenleeren Gang. Dann wandte sie sich um und ging in den OP-Saal zurück Sie trat an den Instrumentenschrank und nahm ein kleines Skalpell heraus. Steril in Folie verpackt, glänzte es verführerisch und schien sie anzulächeln. Ja, benutze mich , ich bin scharf.. So scharf. Ich gleite durch Fleisch wie durch zimmerwarme Butter...

Sibylle ließ das Messer in die Tasche ihrer Schwesterntracht gleiten und ging zur Tür. Plötzlich hörte sie ein leises Rascheln, das ihr nur zu vertraut war. Arztkittel... und einen Moment später stand Oberarzt Dr. Müller vor ihr.

„Na, alles fertig? Haben Sie dienstfrei oder Bereitschaft am Wochenende?“ sprach er sie an und seine kleinen blauen Schweinsäuglein glitten über ihr Gesicht und verweilten am Ausschnitt ihres Kittels.

Sibylle hätte ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt. Dieser widerwärtige Fiesling, übergewichtig schon mit Mitte Dreißig, ledig und ein Frauenheld. Am liebsten würde sie das Skalpell schon ausprobieren ... an ihm. Es ihm in die Herzgegend oder in die Halsschlagader rammen. Wie sich das wohl anfühlte??

Statt dessen lächelte sie Dr, Müller gewinnend an. Ja, ihr Schwesternlächeln, da fiel jeder drauf rein. „Ich habe dienstfrei und werde das Wochenende genießen, bei dem Wetter ja kein Problem“ erwiderte sie ihm und strahlte ihn aus geweiteten Augen an.

Dr, Müller räusperte sich. „Oh, wie schön für Sie. Ich habe leider Rufbereitschaft, aber wenn Sie auch Dienst gehabt hätten, wäre es sicher gemütlich geworden...“. Sibylle konnte sich schon vorstellen, wie diese Gemütlichkeit ausgesehen hätte: Fummeleien unterm Kittel ... widerlich.

Sie verabschiedete sich von ihm und ergriff die Flucht. Nachdem sie ihre Alltagskleidung wieder angezogen hatte, fuhr sie nach Hause, denn nun war keine Zeit mehr zu verlieren. Um 19 Uhr würde ihr Liebster kommen.

Er.... der best aussehendste Mann , den sie jemals gesehen hatte. Seit drei Jahren war er ihr Geliebter. Ja, er war ein guter Liebhaber, aber wie alle Spezies dieser Sorte Mensch war er nicht frei. Seit zwölf Jahren nannte er Frau und Kinder sein eigen und war nicht bereit , seine Familie für sie aufzugeben.

Und sie war nicht mehr bereit, ein Schattendasein zu führen. Heute würde er sie wie immer besuchen, aber er würde sein letzter Besuch sein.

Und der letzte Tag seines Lebens, aber das wusste er nicht.

Wenn sie ihn nicht haben konnte, sollte ihn seine Frau auch nicht haben.

Bis der Tod uns scheidet, hieß es doch so schön bei der Eheschließung. Sein Tod würde heute eintreten. Aber vorher gab es noch eine besondere Henkersmahlzeit, bevor sie ihn mit einem gezielten Stich in die linke Herzkammer töten würde.

Sie hatte genug Operationen am offenen Herzen miterlebt, um dieses Organ genau zu kennen.

Nun aber würde sie ihm eine wunderbare Mahlzeit zubereiten, denn alles würde rot sein. So wie sein blutiges Ende.

Sie enthäutet die Tomaten für die Suppe, wusch sorgfältig die roten Kartoffeln, rührte die rote Grütze mit Vanillesoße an und bemühte sich, das Roastbeef schön rosa zu braten....

Der Tisch bekam ein weißes Tischtuch, das mit unzähligen roten Rosenblättern verziert wurde. Die Kerzen waren natürlich auch rot.... und dass der Rotwein schon sein Bouquet entfalten durfte, verstand sich von selbst.

Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Sie zog ihr neues rotes Cocktailkleid an und ließ das Skalpell in die rechte Tasche gleiten.

Punkt 19 Uhr klingelte es und er schloss sie in seine Arme und bedeckte ihren Mund mit Küssen. Seine Hände glitten über ihren Körper und sie bekam schon Angst, er könnte das Messer fühlen.... sanft entzog sie sich ihm und sagte: „Lass uns erst essen, ich habe mir solche Mühe gegeben, alles pünktlich fertig zu bekommen....“

„Wow“, sagte er, als er die Tischdekoration sah, „ Du hast Dich ja selbst übertroffen. Alles in rot?? Sogar Du!“

Sibylle flüchtete in die Küche, damit er ihre Verwirrung nicht sah. Verdammt sie liebte ihn immer noch, würde sie es wirklich schaffen, ihm ein Messer ins Herz zu stoßen?

Sie aßen die Suppe und unterhielten sich, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Immer wieder musste sie in sein Gesicht schauen, auf das Spiel der Muskeln, während er kaute,...wann sollte sie es tun??

Im Bett? Wenn er wehrlos war und nicht damit rechnete? Wenn sie es dann aber nicht mehr wollte? Nein, dann lieber vorher.....

Sie brachte die Suppenteller in die Küche und goss die Kartoffeln ab. „Soll ich Dir noch etwas helfen?“ rief er aus dem Wohnzimmer herüber. „Nein“, erwiderte sie,“ ich muss nur noch das Fleisch schneiden., dann bin ich fertig...“

Plötzlich stand er doch in der Küchentür und umfasste sie von hinten. „Ich muss Dir unbedingt etwas sagen“ murmelte er in ihr Haar, „ich kann nicht mehr warten, bis wir beim Nachtisch sind“.

Sibylle zuckte zusammen. Jetzt würde er sich von ihr trennen. Nun gut, dass würde seinen Tod nur noch schneller herbeiführen....

Er flüsterte in ihr Ohr: „ Ich habe mich entschlossen. Ich werde meiner Frau alles sagen. Zwischen uns klappt es doch schon lange nicht mehr... in keiner Hinsicht. Ich möchte mit Dir zusammenleben....“

Sibylle dachte, sie würde ohnmächtig. Vorsichtig dreht sie sich zu ihm herum und blickte ihn an. „Wirklich?“ hauchte sie und schlang die Arme und seine Taille. „Wirklich“ bekräftigte er und hielt seine rechte Hand hoch. „Hast Du nicht gesehen, dass ich meinen Ehering nicht mehr trage ????“

Tatsächlich, der Ringfinger war leer. Das war ihr ja gar nicht aufgefallen. Sie hatte dieses Zeichen der Liebe doch so gehasst. Der Abdruck war noch deutlich zu erkennen.

„Hast Du Dir alles genau überlegt? Was ist mit den Kindern?“ wollte sie wissen.

„Ich war schon beim Anwalt. Es ist alles zu regeln. Geld spielt ja keine Rolle bei mir... mein Liebes, ich möchte jetzt sofort mit dir schlafen....“

„Nein, dazu war es zu viel Arbeit mit dem Essen. Setz dich wieder hin, ich schneide nur noch das Fleisch“ entschied Sibylle und dirigierte ihn sanft in Richtung Wohnzimmer.

Das Glück überspülte sie mit einer solchen Macht, dass ihr schwindelig wurde. Was nun? Sie hatte Mordpläne – und er wollte sich endlich zu ihr bekennen!

Sie wollte ein Messer aus der Schublade nehmen, um das Fleisch zu schneiden, da fiel ihr das Skalpell wieder ein. Was sollte sie nun damit anfangen?

Aber ja, es war wie geeignet dafür, das Roastbeef in schöne, dünne und gleichmäßige Scheiben zu schneiden, so scharf wie es war.

Und das tat sie. Anschließend ließ sie das Skalpell im Küchenschrank verschwinden. Sie würde es am Montag einfach wieder mit in die Klinik nehmen. Hoffentlich würde das nicht auffallen....

Er staunte über die wunderbar geschnittenen Scheiben, als sie das Essen auf den Tisch stellte.„Wie hast du das denn geschafft“, fragte er. „Ach, ich habe mir neue Messer zugelegt und heute war die gute Gelegenheit, sie auszuprobieren. Und nun lass es dir schmecken“ erwiderte sie.

Sie aßen und leerten dabei zwei Flaschen Rotwein. Die anschließend verbrachte Zeit im Bett ist nicht zu beschreiben. Sibylle war im siebten Himmel und konnte ihr bevorstehendes Glück kaum fassen. Bald würde es immer so sein....Wie konnte sie nur auf den Gedanken kommen, ihn umzubringen? Sie hatte ja noch nicht einmal gewusst, was sie mit der Leiche angefangen hätte...

Gegen Morgen trennten sie sich. „Bald gehört das der Vergangenheit an,“, tröstete er sie, „schon heute Abend werde ich die ersten Sachen vorbeibringen!“

Sie küssten sich lange und zärtlich und dann ging er zu seinem Wagen.

Als er außer Sichtweite war, glitt seine Hand in die recht Hosentasche. Er zog den dünnen Weißgoldring heraus und streifte ihn auf seinen rechten Ringfinger.

Das war ja so gerade noch einmal gut gegangen. Diese Frau war wahnsinnig. Er hatte das Messer sofort unter dem dünnen Stoff des neuen Kleides gespürt.

Nie wieder würde er sie besuchen. Sie war unberechenbar...

Oder doch nicht?
 
Schön makaber

Hoffentlich habe ich die Tendenz richtig aufgefasst - ich fand es vor allem amüsant.

Übrigens gibt es für das "Essen in Rot" eine Parallele. Im Film "Cowboy junction" von Gregory Christian verfährt die Ehefrau ebenso, als es um die Beziehung schon sehr schlecht steht. Das soll jetzt keine Kritik sein, schon gar nicht ein Plagiatvorwurf. Mich würde nur interessieren, ob es noch weitere Parallelen gibt. Vielleicht ist es ja inzwischen ein Bild, das öfter angewandt wird, nur mir erst seit kurzem bekannt. Und man kann auch ganz allein auf diesen Einfall kommen.

Arno Abendschön
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja Arno, der Text sollte vor allem amüsieren, auch wenn es etwas makaber klingt und zeigen, wie der Mann die Frau austrickst. Ich habe es mir tatsächlich selbst ausgedacht, den von Dir angesprochenen Film kenne ich gar nicht.
Gruß!
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe hat die Farbe rot

„Schönes Wochenende“ hieß es überall auf den langen Klinikfluren. Für die, die dienstfrei hatten, war diese sonnige Freitagnachmittag wie geschaffen für einen erholsamen Auftakt bis Montag.

Auch Schwester Sibylle löschte im OP-Saal die letzten Lichter und ließ den Blick prüfend über die blitzenden Flächen gleiten. Lag nichts herum? Alles aufgeräumt und an Ort und Stelle? Es sah ganz danach aus. Alles war still. Sie war die Letzte und blickte wie immer vor dem Gehen auf die große Uhr über der Tür. Feierabend seit drei Minuten... wie schön.

Sie ging zur Schiebetür und warf einen Blick in den menschenleeren Gang. Dann wandte sie sich um und ging in den OP-Saal zurück Sie trat an den Instrumentenschrank und nahm ein kleines Skalpell heraus. Steril in Folie verpackt, glänzte es verführerisch und schien sie anzulächeln. Ja, benutze mich , ich bin scharf.. So scharf. Ich gleite durch Fleisch wie durch zimmerwarme Butter...

Sibylle ließ das Messer in die Tasche ihrer Schwesterntracht gleiten und ging zur Tür. Plötzlich hörte sie ein leises Rascheln, das ihr nur zu vertraut war. Arztkittel. Einen Moment später stand Oberarzt Dr. Müller vor ihr.

„Na, alles fertig? Haben Sie dienstfrei oder Bereitschaft am Wochenende?“ sprach er sie an und seine kleinen blauen Schweinsäuglein glitten über ihr Gesicht und verweilten am Ausschnitt ihres Kittels.

Sibylle hätte ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt. Dieser widerwärtige Fiesling, übergewichtig schon mit Mitte Dreißig, ledig und ein Frauenheld. Am liebsten würde sie das Skalpell schon ausprobieren ... an ihm. Es ihm in die Herzgegend oder in die Halsschlagader rammen. Wie sich das wohl anfühlte??

Statt dessen lächelte sie Dr, Müller gewinnend an. Ja, ihr Schwesternlächeln, da fiel jeder drauf rein. „Ich habe dienstfrei und werde das Wochenende genießen, bei dem Wetter ja kein Problem“ erwiderte sie ihm und strahlte ihn aus geweiteten Augen an.

Dr, Müller räusperte sich. „Oh, wie schön für Sie. Ich habe leider Rufbereitschaft, aber wenn Sie auch Dienst gehabt hätten, wäre es sicher gemütlich geworden...“. Sibylle konnte sich schon vorstellen, wie diese Gemütlichkeit ausgesehen hätte: Fummeleien unterm Kittel ... widerlich.

Sie verabschiedete sich von ihm und ergriff die Flucht. Nachdem sie ihre Alltagskleidung wieder angezogen hatte, fuhr sie nach Hause, denn nun war keine Zeit mehr zu verlieren. Um 19 Uhr würde ihr Liebster kommen.

Er.... der best aussehendste Mann , den sie jemals gesehen hatte. Seit drei Jahren war er ihr Geliebter. Ja, er war ein guter Liebhaber, aber wie alle Spezies dieser Sorte Mensch war er nicht frei. Seit zwölf Jahren nannte er Frau und Kinder sein eigen und war nicht bereit , seine Familie für sie aufzugeben.

Und sie war nicht mehr bereit, ein Schattendasein zu führen. Heute würde er sie wie immer besuchen, aber er würde sein letzter Besuch sein.
Und der letzte Tag seines Lebens, aber das wusste er nicht.

Wenn sie ihn nicht haben konnte, sollte ihn seine Frau auch nicht haben.

Bis der Tod uns scheidet, hieß es doch so schön bei der Eheschließung. Sein Tod würde heute eintreten. Aber vorher gab es noch eine besondere Henkersmahlzeit, bevor sie ihn mit einem gezielten Stich in die linke Herzkammer töten würde. Sie hatte genug Operationen am offenen Herzen miterlebt, um dieses Organ genau zu kennen.

Nun aber würde sie ihm eine wunderbare Mahlzeit zubereiten, denn alles würde rot sein. So wie sein blutiges Ende.
Sie enthäutet die Tomaten für die Suppe, wusch sorgfältig die roten Kartoffeln, rührte die rote Grütze mit Vanillesoße an und bemühte sich, das Roastbeef schön rosa zu braten.

Der Tisch bekam ein weißes Tischtuch, das mit unzähligen roten Rosenblättern verziert wurde. Die Kerzen waren natürlich auch rot.... und dass der Rotwein schon sein Bouquet entfalten durfte, verstand sich von selbst.

Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Sie zog ihr neues rotes Cocktailkleid an und ließ das Skalpell in die rechte Tasche gleiten.

Punkt 19 Uhr klingelte es und er schloss sie in seine Arme und bedeckte ihren Mund mit Küssen. Seine Hände glitten über ihren Körper und sie bekam schon Angst, er könnte das Messer fühlen.... sanft entzog sie sich ihm und sagte: „Lass uns erst essen, ich habe mir solche Mühe gegeben, alles pünktlich fertig zu bekommen....“

„Wow“, sagte er, als er die Tischdekoration sah, „ Du hast Dich ja selbst übertroffen. Alles in rot?? Sogar Du!“

Sibylle flüchtete in die Küche, damit er ihre Verwirrung nicht sah. Verdammt sie liebte ihn immer noch, würde sie es wirklich schaffen, ihm ein Messer ins Herz zu stoßen?

Sie aßen die Suppe und unterhielten sich, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Immer wieder musste sie in sein Gesicht schauen, auf das Spiel der Muskeln, während er kaute,...wann sollte sie es tun??
Im Bett? Wenn er wehrlos war und nicht damit rechnete? Wenn sie es dann aber nicht mehr wollte? Nein, dann lieber vorher.....

Sie brachte die Suppenteller in die Küche und goss die Kartoffeln ab. „Soll ich Dir noch etwas helfen?“ rief er aus dem Wohnzimmer herüber. „Nein“, erwiderte sie,“ ich muss nur noch das Fleisch schneiden., dann bin ich fertig...“

Plötzlich stand er doch in der Küchentür und umfasste sie von hinten. „Ich muss Dir unbedingt etwas sagen“ murmelte er in ihr Haar, „ich kann nicht mehr warten, bis wir beim Nachtisch sind“. Sibylle zuckte zusammen. Jetzt würde er sich von ihr trennen. Nun gut, dass würde seinen Tod nur noch schneller herbeiführen.

Er flüsterte in ihr Ohr: „ Ich habe mich entschlossen. Ich werde meiner Frau alles sagen. Zwischen uns klappt es doch schon lange nicht mehr... in keiner Hinsicht. Ich möchte mit Dir zusammenleben....“ Sibylle dachte, sie würde ohnmächtig. Vorsichtig dreht sie sich zu ihm herum und blickte ihn an. „Wirklich?“ hauchte sie und schlang die Arme und seine Taille. „Wirklich“ bekräftigte er und hielt seine rechte Hand hoch. „Hast Du nicht gesehen, dass ich meinen Ehering nicht mehr trage ????“

Tatsächlich, der Ringfinger war leer. Das war ihr ja gar nicht aufgefallen. Sie hatte dieses Zeichen der Liebe doch so gehasst. Der Abdruck war noch deutlich zu erkennen.
„Hast Du Dir alles genau überlegt? Was ist mit den Kindern?“ wollte sie wissen. „Ich war schon beim Anwalt. Es ist alles zu regeln. Geld spielt ja keine Rolle bei mir... mein Liebes, ich möchte jetzt sofort mit dir schlafen....“

„Nein, dazu war es zu viel Arbeit mit dem Essen. Setz dich wieder hin, ich schneide nur noch das Fleisch“ entschied Sibylle und dirigierte ihn sanft in Richtung Wohnzimmer.
Das Glück überspülte sie mit einer solchen Macht, dass ihr schwindelig wurde. Was nun? Sie hatte Mordpläne – und er wollte sich endlich zu ihr bekennen!

Sie wollte ein Messer aus der Schublade nehmen, um das Fleisch zu schneiden, da fiel ihr das Skalpell wieder ein. Was sollte sie nun damit anfangen? Aber ja, es war wie geeignet dafür, das Roastbeef in schöne, dünne und gleichmäßige Scheiben zu schneiden, so scharf wie es war.
Und das tat sie. Anschließend ließ sie das Skalpell im Küchenschrank verschwinden. Sie würde es am Montag einfach wieder mit in die Klinik nehmen. Hoffentlich würde das nicht auffallen.

Er staunte über die wunderbar geschnittenen Scheiben, als sie das Essen auf den Tisch stellte.„Wie hast du das denn geschafft“, fragte er. „Ach, ich habe mir neue Messer zugelegt und heute war die gute Gelegenheit, sie auszuprobieren. Und nun lass es dir schmecken“ erwiderte sie.

Sie aßen und leerten dabei zwei Flaschen Rotwein. Die anschließend verbrachte Zeit im Bett ist nicht zu beschreiben. Sibylle war im siebten Himmel und konnte ihr bevorstehendes Glück kaum fassen. Bald würde es immer so sein....Wie konnte sie nur auf den Gedanken kommen, ihn umzubringen? Sie hatte ja noch nicht einmal gewusst, was sie mit der Leiche angefangen hätte...

Gegen Morgen trennten sie sich. „Bald gehört das der Vergangenheit an,“, tröstete er sie, „schon heute Abend werde ich die ersten Sachen vorbeibringen!“

Sie küssten sich lange und zärtlich und dann ging er zu seinem Wagen.

Als er außer Sichtweite war, glitt seine Hand in die recht Hosentasche. Er zog den dünnen Weißgoldring heraus und streifte ihn auf seinen rechten Ringfinger.

Das war ja so gerade noch einmal gut gegangen. Diese Frau war wahnsinnig. Er hatte das Messer sofort unter dem dünnen Stoff des neuen Kleides gespürt.

Nie wieder würde er sie besuchen. Sie war unberechenbar...

Oder doch nicht?
 



 
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