Bitterböse Träume 6

Fredy Daxboeck

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eins

Müde, mit unsicheren Schritten und bleischweren Lidern tapste Connie Mc´Neal auf nackten Sohlen verschlafen ins Badezimmer. Der Radiowecker hatte sie ziemlich unsanft mit lauter, hämmernder Rockmusik aus ihren verworrenen Träumen gerissen. Erschrocken war sie hochgesprungen ... und hätte im ersten Moment fast um sich geschlagen, so sehr war sie noch von den Geistern ihres Schlafes gefangen; nur um festzustellen, dass sie allein im Bett saß.
Mike, ihr derzeitiger Freund, war wieder einmal lange vor ihr aufgewacht. Mit Sicherheit saß er schon in der Küche bei schwarzem Kaffee und Brötchen. Ein Frühaufsteher. Connie schnaubte verächtlich. Sie selbst schaffte es nur mit Hilfe einer kalten Dusche am Morgen die Augen wenigstens so weit aufzubekommen, dass sie zumindest in die Küche und ihre Kaffeetasse fand. Sie schüttelte missmutig den Kopf, stieß mit einem Ruck die Tür auf und schloss geblendet die Augen als das helle Licht aufflammte.
Verdammt, dachte sie, und ein glühender Schmerz bohrte sich in ihre Augen. Ich muss mir ein anderes Licht einbauen lassen, irgend etwas gedämpftes. Sie verharrte einen Moment, und tapste dann mit geschlossenen Augen weiter. Die kühlen Fliesen des Badezimmers fühlten sich angenehm unter Connies Füßen an. Sie stieg in die Duschkabine und drehte vorsichtig am Wasserhahn.
Als die ersten kalten Wasserstrahlen ihre Haut berührten und auf sie niederprasselten, rang sie entsetzt nach Atem und hielt für einen Augenblick erschrocken die Luft an; entspannte sich aber allmählich wieder. Behutsam atmete sie aus. Das kalte Nass wirkte nach dem ersten Schreck belebend und erfrischend. Nach einigen Minuten, in denen sie sich gereckt und gestreckt und mit der flachen Hand am ganzen Körper leicht massiert hatte, trat sie aus der Dusche, trocknete sich bibbernd ab und wandte sich dem Spiegel zu. "Hi Connie", krächzte sie ihrem Spiegelbild zu, während sie nach der Zahnbürste griff. "Du siehst ja heute wieder toll aus." Gequält grinste das Spiegelbild zurück.
Als sie zehn Minuten später auf dem Weg in die Küche einen Blick aus dem Fenster ihres Appartements im fünfzehnten Stock warf, entlockte ihr der Anblick nur ein weiteres Schnauben. Resigniert wandte sie sich ab. Seit Tagen bestand das Wetter nur aus einer dicken grauen Nebelsuppe, die sich wie eine schwere, feuchte Decke über die Stadt gelegt hatte. Sie erstickte jegliche Fröhlichkeit, Ausgelassenheit und gute Laune und ließ die Menschen mit eingezogenen Köpfen und griesgrämigen Gesichtern herumlaufen. Oh, wie sie dieses Wetter hasste!
Die Sonne lugte nur als fahle, milchiggraue Scheibe über die Dächer der Stadt. Zu schwach um mit dem Nebel fertig zu werden oder ein bisschen Wärme zu spenden, aber doch hell genug, den neuen Tag zu verkünden. Connie schauderte bei dem Gedanken an die Fahrt ins Büro. An dahinschleichende Autos, die feuchte Kälte und schlechte Sicht. Am besten wird sicher sein ich nehme ein Taxi, dachte sie, und trat in die hellerleuchtete Küche.
"Guten Morgen!" Mike Benton, ihr Freund, grinste fröhlich hinter seiner Kaffeetasse die er in der rechten Hand hielt hervor und kramte mit der Linken in seinen Papieren, die er wie üblich auf der breiten Frühstücksbar, auf der auch Brötchen, Butter, Marmelade und eine weitere Kaffeetasse standen, ausgebreitet hatte.
Er war erst sechsundzwanzig, konnte aber gut für dreißig durchgehen. Eher noch ein bis zwei Jahre älter. Sein gut geschnittenes Gesicht und seine fröhlichen, blauen Augen bewirkten, dass die meisten Menschen ihn für äußerst sympathisch einstuften; besonders natürlich Frauen. Bei ihnen konnte er seinen jugendlichen Charme ausspielen, und nutzte gerne auch manche Gelegenheit. Wie immer war er mit einem zweireihigen Anzug mit dezent gemusterter Krawatte und farblich perfekt abgestimmtem Hemd bekleidet. Äußerst korrekt gestylt. Connie war anfangs verblüfft, wie schnell Mike es so früh am Morgen schaffte, wie aus dem Ei gepellt auszusehen. Er trug sein dichtes, schwarzes Haar kurz, rasierte sich zweimal am Tag, und bekam einmal nahezu einen Kollaps, weil er einen Pickel in seinem Gesicht entdeckte. Zudem schaffte Mike seine morgendliche Toilette in einer knappen halben Stunde.
Connie dagegen brauchte morgens mindestens die doppelte Zeit bis sie überhaupt ansprechbar war. Mike war mit Sicherheit der einzige Mensch den Connie kannte, der auch frühmorgens gut gelaunt war. Zu einem Zeitpunkt an dem Connie sich noch fühlte, als wäre sie von einem fahrenden Güterzug gestoßen worden.

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sieh hinter den Horizont und finde . . . mich
copyright by fredy daxboeck
 

Fredy Daxboeck

Mitglied
Hey, warst du das, der ich da über die Schulter gesehen habe?

Aber vorsicht, es geht noch weiter.
Dies ist erst der 6. Post von meinem Roman.
Freut mich aber trotzdem, das du dich damit identifizieren konntest

schöne Grüße

fredy

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langsam komm ich wieder hoch . . . es dauert bloß
 



 
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