Blasse Selbstlosigkeit

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Carlo Ihde

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Blasse Selbstlosigkeit (September 2006)



Ja, es wäre wichtig gewesen, im Gespräch die Rolle des Anderen einzunehmen, die unmittelbaren Auswirkungen des Gesprochenen auf die anderen kalkulieren zu können, weil man "die anderen" wär.
Die Frau dort im Fernsehen, mit einfachen, glatten, einfach straff nach hinten gekämmten Haaren - vielleicht gar nicht mal gekämmten, nur hervorgerufen der glatte Sitz durch ein festes Zopfgummi am Hinterhaupt - die farblose Frau also war unser aller Spontanbeispiel für die sich neuerdings manifestierende Sockel-Unterschicht. Ihr Mann: krank und pflegebedürftig, sie deshalb nur geringfügig erwerbstätig, die drei Kinder werden irgendwie durchgebracht, nahe der Grenze, die Menschenskinder dieser "Schicht" selbst nicht als Armutsgrenze bezeichnen würden.
Im Anschluss reichte man dieses Beispiel an Vertreter der Legislative weiter, wie ist das möglich, fällt da wer oder sogar eine ganze Schicht durch ein soziales Netz, wie sieht es überhaupt mit der Beschaffenheit der sozialen Netze aus? Besonders blonde Moderatorinnen, die sich das Wort SELBSTLOSIGKEIT auf die Stirn geschrieben - gar tätowiert - haben, trafen den Ton in der Fragestellung perfekt.
Politiker:
"Wir müssen ein Gesetz machen, das es verbietet, in solcher Armut zu leben. Wenn die Gesetzesgrundlage existiert, ist es den Bürgern, um nicht mit Gefängnis bestraft zu werden, ein enormer Anreiz, aus eigenem Antrieb wieder in eine bessergestellte Schicht aufzusteigen. Aufstieg wird dann nicht nur der Wille sondern die Pflicht eines jeden Bürgers sein. Das führt auch dazu, dass solchen Polit-TV-Fichten, wie Sie eine sind, die empörungsreichen Zustände (der Politiker wird immer böser, immer zynischer, er verarscht die Moderatorin)in dem von uns regierten Land nicht mehr zum zitieren zur Verfügung stehen. Das Versagen politischen Handelns wird dann nicht mehr prägnant sein, weil es getilgt ist. Einzelschicksale von in Armut lebenden Menschen, Sie Schickse Sie, müssen dann nicht mehr herhaltenfür ihr pseudo-investigatives, pseudo-plebiszitäres Format. Leid in seiner Nichtexistenz macht sie doch arbeitslos (er ist so böse, dass er beinahe brüllt, das erklärt auch, warum man ihn noch hört, obwohl ihm gerade sein Mikrophon ausgeschaltet wurde)Ok, dann enstünde vielleicht Ihr Leid, dann wären Sie arbeitslos, aber das ist den Menschen egal, Sie gewissenlose Spitzenverdienerin, es hätte nicht die Qualität für eine wöchentliche Sendung, weil die Menschen wissen WÜRDEN, DASS ES IHNEN WENIGSTENS ZEITWEISE MEHR ALS GUT GEGANGEN IST..................................."

Der Politiker wurde auf einer Bahre hastig raus getragen. Man schaltete das Blaulicht ein und fuhr schnell davon. Es bestand also noch Hoffnung.
Das Beste für alle Beteiligten zu wollen, konnte nie verkehrt sein. Politik blieb, in all ihren Gegenwarten quer durch die Geschichte, hinter diesem Anspruch zurück, genau wie das Polit-TV hinter seinem vermeintlich selbstlosen Dokumentationsanspruch.
Aber wenigstens sah die Moderatorin, die Verwalterin der vielen Verfehlungen, total gut gestylt aus. Jedoch störte da etwas. Wahrscheinlich das leicht überpuderte Tattoo auf ihrer Stirn. Links und rechts war die Stirn nämlich von voluminösen, blonden, zurecht gestylten Haarsträhnen umkränzt. So las man insgesamt nur noch ein blasses: BSTLOSI.
 

Carlo Ihde

Mitglied
Hallo lieber Carlo, hier spricht dein Alter Ego. Die andere Häflte deiner gespaltenen Persönlichkeit. Weißt noch, wir waren früher mal "Eins". Finde deinen Text weder gut noch schlecht, lässt mich eher kalt. Naja...
 



 
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