oder
Wie die Verse mich fanden
Der Rest aus meiner Klasse hatte sich mit einer Flasche Lambrusco in den Burggarten verzogen. Es war 1977 kein Problem mit sechzehn Jahren an Alkohol zu kommen, wirklich interessiert hat das niemanden.
Es wird wohl wieder die alte Diskussion gelaufen sein, wer denn nun die bessere Band sei - Deep Purple oder Black Sabbath. Darauf verspürte ich an diesem Tag überhaupt keine Lust, weil mich Annette nach der Schule versetzt hatte um zum Klavierunterricht zu gehen. Es wäre wohl auch die denkbar schlechteste Ausgangsposition gewesen um an diesem Streitgespräch teilzunehmen.
So führte mich mein Weg wie an vielen Nachmittagen zum großen Eingangsportal der Stadtbibliothek. Es war immer ein großer Moment, wenn ich die Innentüre öffnete. In Bibliotheken herrscht ein ganz besonderer Geruch - irgenwie abgestanden, aber trotzdem erhaben. Noch heute rieche ich erst an einem neuen Buch, bevor ich es aufschlage.
Der Bibliothekar begrüßte mich wie einen alten Bekannten und hat nur kurz aufgesehen, als ich meinen Weg in den ersten Stock zur Erwachsenenliteratur nahm.
Hier durfte ich sie alle kennenlernen - Frisch, Böll, Grass und Andersch. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft ich mich zwischen den Büchern verloren habe und deshalb der letzte Bus ohne mich nach Hause gefahren ist, sehr zum Leidwesen meines Vaters.
Wahllos habe ich wie immer Bücher aus den Regalen gezogen, um mich letztendlich in einem Roman festzusaugen. Während meiner Suche fiel mir ein Buch einer Schriftstellerin in die Hände, von der ich noch nie gehört hatte - Rose Ausländer.
Ein Blick auf den Umschlag ließ mich mit Erschrecken feststellen, dass es sich um Gedichte handelt. Ich fühlte mich fast ertappt bei einer bösen Tat und wollte das Buch dann doch nicht zurückstellen ohne einen Blick hingeworfen zu haben.
So bin ich auf folgende Worte gestoßen:
noch darfst du lieben
Worte verschenken
noch bist du da
Es war ein regelrechter Schock, den ich dadurch erlitten habe. Ich klemmte mir das Buch unter den Arm und habe es ausgeliehen. Den Blick des Bibliothekars werde ich nie vergessen, irgendwie erstaunt, aber mit einem verschmitzten Grinsen um die Mundwinkel.
Den Bus habe ich an diesem Tag nicht versäumt und es war mir auch egal, wer denn nun die Könige des Hardrocks sind.
Kaum zu Hause angekommen, riss ich ein Blatt aus einem Schulheft und habe meinen ersten Vierzeiler darauf geschrieben:
Ein Schuss in der Ferne,
sein Klang verhallt satt.
Ich wüsste nur zu gerne,
wen es nun getroffen hat.
Eigentlich hätte ich ja ein Gedicht für Annette schreiben sollen, aber sie hat nie eines von mir gesehen.
Den Zettel habe ich heute noch, was aus ihr geworden ist - wer weiß.
Wie die Verse mich fanden
Der Rest aus meiner Klasse hatte sich mit einer Flasche Lambrusco in den Burggarten verzogen. Es war 1977 kein Problem mit sechzehn Jahren an Alkohol zu kommen, wirklich interessiert hat das niemanden.
Es wird wohl wieder die alte Diskussion gelaufen sein, wer denn nun die bessere Band sei - Deep Purple oder Black Sabbath. Darauf verspürte ich an diesem Tag überhaupt keine Lust, weil mich Annette nach der Schule versetzt hatte um zum Klavierunterricht zu gehen. Es wäre wohl auch die denkbar schlechteste Ausgangsposition gewesen um an diesem Streitgespräch teilzunehmen.
So führte mich mein Weg wie an vielen Nachmittagen zum großen Eingangsportal der Stadtbibliothek. Es war immer ein großer Moment, wenn ich die Innentüre öffnete. In Bibliotheken herrscht ein ganz besonderer Geruch - irgenwie abgestanden, aber trotzdem erhaben. Noch heute rieche ich erst an einem neuen Buch, bevor ich es aufschlage.
Der Bibliothekar begrüßte mich wie einen alten Bekannten und hat nur kurz aufgesehen, als ich meinen Weg in den ersten Stock zur Erwachsenenliteratur nahm.
Hier durfte ich sie alle kennenlernen - Frisch, Böll, Grass und Andersch. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft ich mich zwischen den Büchern verloren habe und deshalb der letzte Bus ohne mich nach Hause gefahren ist, sehr zum Leidwesen meines Vaters.
Wahllos habe ich wie immer Bücher aus den Regalen gezogen, um mich letztendlich in einem Roman festzusaugen. Während meiner Suche fiel mir ein Buch einer Schriftstellerin in die Hände, von der ich noch nie gehört hatte - Rose Ausländer.
Ein Blick auf den Umschlag ließ mich mit Erschrecken feststellen, dass es sich um Gedichte handelt. Ich fühlte mich fast ertappt bei einer bösen Tat und wollte das Buch dann doch nicht zurückstellen ohne einen Blick hingeworfen zu haben.
So bin ich auf folgende Worte gestoßen:
noch darfst du lieben
Worte verschenken
noch bist du da
Es war ein regelrechter Schock, den ich dadurch erlitten habe. Ich klemmte mir das Buch unter den Arm und habe es ausgeliehen. Den Blick des Bibliothekars werde ich nie vergessen, irgendwie erstaunt, aber mit einem verschmitzten Grinsen um die Mundwinkel.
Den Bus habe ich an diesem Tag nicht versäumt und es war mir auch egal, wer denn nun die Könige des Hardrocks sind.
Kaum zu Hause angekommen, riss ich ein Blatt aus einem Schulheft und habe meinen ersten Vierzeiler darauf geschrieben:
Ein Schuss in der Ferne,
sein Klang verhallt satt.
Ich wüsste nur zu gerne,
wen es nun getroffen hat.
Eigentlich hätte ich ja ein Gedicht für Annette schreiben sollen, aber sie hat nie eines von mir gesehen.
Den Zettel habe ich heute noch, was aus ihr geworden ist - wer weiß.