Blau

julimaus

Mitglied
"Was ist?"
"Nichts."
"Doch. Du schaust mich schon minutenlang an."
"Du hast schöne Augen."
"Ach, hör auf."
"Doch, wirklich. Ich überlege, was es für ein Blau ist. Ist es wie der Himmel? Himmelblau? Nein, viel tiefer, viel dunkler. Jetzt zumindest. Wie der Himmel, dann, wenn die Nacht gerade begonnen hat. Weißt du, was ich meine? Wenn du zum Himmel siehst und glaubst, dass du fällst und dabei stehst du doch ganz fest auf dem Boden. Und dann fängst du an zu wanken."
"Was hast du nur…"
"Es ist immer anders. Jetzt ist es tief und dunkel. Aber manchmal, wenn du wütend bist, wird es blasser. Wie gerade nach Sonnenuntergang. Die Farbe, die der Himmel dann im Osten annimmt. Die ist es. Ja. Wie wenn du mit dem Rücken zur Sonne stehst und fühlst, dass es kälter wird. Aber du siehst die Sonne nicht, die untergeht, und kannst dir noch einige Augeblicke lang vorstellen, es sei Tag."
"Warum erzählst du mir das?"
"Warum nicht? Habe ich etwa etwas Falsches gesagt?"
"Nein. Na ja. Ich weiß auch nicht. Es ist nur so... Vergiss es. Danke."
"Was meinst du? Hätte ich das nicht sagen sollen?"
"Doch. Vergiss es."
"Du denkst doch nicht, dass ich… Marie?"
"Unsinn. Ich sagte doch, vergiss es."
"Okay."

"Lara?"
"Was?"
"Nein, nichts. Vergiss es."
 

GabiSils

Mitglied
Hallo julimaus,

nun ist diese Dialogszene schon so kurz, und doch sagst du fast zuviel, und andererseits zuwenig.

Der Hintergrund des Gesprächs ist spätestens bei "Du glaubst doch nicht, daß ich ..." klar. Am Schluß machst du es aber nochmals zusätzlich deutlich, so daß der Leser das Gefühl bekommst, du wolltest dich vergewissern, daß er es gemerkt hat; eins von beiden ist dann zuviel.
Es handelt sich also um zwei Frauen.
Es steckt aber mehr in der kleinen Szene als dieser Aha-Effekt. Du hast das sehr schön beschrieben. Sie sind sicherlich sehr gute Freundinnen; die eine, Lara, spricht mit den Worten einer Liebenden, aber ihre Gefühle sind ihr selbst nicht ganz bewußt. Die andere, Marie, spürt das; reagiert zuerst ablehnend auf die unvermittelt entstandene, unausgesprochene erotische Spannung ("Warum erzählst du mir das?"), aber es läßt ihr dann doch keine Ruhe.
Letztlich wagt aber keine von beiden, offen darüber zu reden.
Die Szene hätte sich zwischen einem Mann und einer Frau ganz genau so abspielen können, wenn nicht dieser eine Satz zuviel wäre; dadurch reduzierst du den Inhalt unnötig auf die lesbische Komponente.
Laß das hier weg:
"Du denkst doch nicht, dass ich… Marie?"
"Unsinn. Ich sagte doch, vergiss es."
und schreibe dafür oben "Was meinst du, Marie?" - so hast du den Namen und damit das Geschlecht auch drin, führst aber den Leser nicht zu sehr an der Leine.

Gruß,
Gabi
 



 
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