Blau gemacht

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Casalia

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„Ich wußte gar nicht, dass dein Teamleiter auch hier ist.“ Dabei ist mir heute wirklich nicht zum Spaß zumute. Ich ärgere mich, wieder mal auf einen der trockenen Scherze meiner Freundin Jana hereingefallen zu sein. Offiziell haben wir beide einen Krankenschein – theoretisch. Praktisch gehen wir brunchen in unserem spanischen Lieblingscafé, wieder einmal ein Ausweg aus dem täglichen Bürostress. „Blau gemacht“, die ehrgeizige Marketingexpertin Jana mit Super-Studium und ich, die Kundenmanagerin mit der vom Tellerwäscherin-zur-Millionärin-Karriere – na ja, fast. Vor 10 Jahren noch war ich Sekretärin. Mein Teamleiter, Thomas Berger, bald Geschäftsführer unserer Firma, schätzt mein Engagement und hat mir so eine Beförderung nach der anderen verschafft. So bin ich unfreiwilliges Mitglied einer Erfolgsspirale, die ich manchmal liebe, meistens aber verabscheue, besonders heute. Burn-Out-Syndrom nennen das moderne Wissenschaftler.

Erfolg hat auch Folgen. So kommt es, dass mich viele für die Mutter oder - mit ganz viel Glück - für die viel ältere Schwester meiner Freundin Jana halten. Wegen der Falten – Stressfalten. In diesem Moment kommen mindestens fünf Stressfalten hinzu. Der zusammengesunkene Mann am Ecktisch am Fenster mit der verwaschenen Jeans, dem ungebügelten Cordhemd – Gesicht unrasiert – ist mein Chef. Also dieses Mal kein Jana-Scherz. Was will er hier? Ist das peinlich, habe ich doch einen Krankenschein – theoretisch. Ein Entkommen ist nicht mehr möglich. Schon winkt Thomas Berger uns an seinen Tisch. „Ich lade Sie ein!“. Eine Bestimmung, der wir nicht widersprechen können, auch nicht wollen, wenn da nur nicht der Krankenschein wäre. Lange und mit starrer Miene sieht mich der Fast-Geschäftsführer an. Gedankensalat in meinem Kopf. Abmahnung?! Kündigung?! Job als Putzfrau?! Panik erfaßt mich. Nichts kann ich seinem Gesichtsausdruck entlocken. „Ich werde das Unternehmen verlassen. Ich kann nicht mehr! Mein Herz macht den Stress nicht mehr mit. Geniessen Sie Ihr Leben.“ Ich weiss nicht, was mich in diesem Moment fassungsloser macht: Mein schlechtes Gewissen? Der plötzliche Sinneswandel von Thomas Berger? Ein Erfolgsmensch, der aufgibt?

Er hat nicht nur blau gemacht, er macht kurzen Prozeß.
 

Zarathustra

Mitglied
ja Casalia

... trotz aller stilistisch noch abzuschleifender Ecken und Kanten, trotz der ein wenig "breiten" Prosa (für meinen Geschmack); - eine sehr gelungene Geschichte.

Täglich spielt sie sich ab.

Du hast gut beobachtet.
Oder du befürchtest etwas, was bald Realität werden kann.

L. G. Hans
 

San Martin

Mitglied
Klingt mehr wie ein Tagebucheintrag. Für Kurzprosa ist es dennoch ein bisschen leer, wie zuwenig Butter auf einem Brot verstrichen (verzeiht die Referenz). Bevor die Geschichte richtig los geht, ist sie auch schon vorbei. Sie hat etwas fragmentarisches.
 



 
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