Blind

Mr.Soap

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Blind

Warum? Warum hat sie das getan? Warum hab ich das getan? So dumm kann ein Mensch alleine doch gar nicht sein. Aber irgendwie hat sich das Ganze so ergeben, ich konnte mich einfach nicht dagegen wehren. Und ich wollte es auch nicht. Trotzdem: Ich hatte meine Prinzipien und es war absolut dämlich, sie zu brechen. Verliebe dich niemals in die beste Freundin. Fang nie was mit ihr an. Hat sie es nicht auch provoziert? Ging es nicht von beiden Seiten aus? Ich bin mir fast sicher, daß es auch von ihr ausging. Andererseits war ich auch monatelang blind. Vielleicht hab ich mir das nur eingeredet. Aber ich war verliebt, da ist das doch eigentlich normal. Sie meint, es wäre eine gute Freundschaft. Natürlich ist es eine gute Freundschaft gewesen.

Aber es wurde mehr. Zumindest von meiner Seite aus. Sie wußte es. Sie wußte es von Anfang an. Seit ich mehr für sie empfinde. Sie hat es länger geahnt, mehrfach nachgefragt. Und eines Tages war es mir einfach vollkommen egal. Es war ein beschissener Tag, so sieht’s aus. Geldprobleme, Semesteranfang, Bullen... meine erste Vorladung. Ich war vollkommen deprimiert und dachte mir, ich könnte es mir auch noch eben mit meiner besten Freundin verscherzen. Was kann ich dafür, daß ich nach so langer Zeit mehr für sie empfinde als reine Freundschaft? Ich hab ihr alles erzählt, mit einem Korb gerechnet. Oder damit, daß sie den Kontakt zu mir einstellt. Das hätte mir an diesem Tag nicht mal viel ausgemacht, der war eh im Eimer. So war es der wechselhafteste Tag meines Lebens. Mittags die Vorladung, abends Sätze wie „womit hab ich jemanden wie dich verdient?“ und Küsse von der schönsten und faszinierendsten Frau, die ich jemals getroffen habe. Ich weiß immer noch nicht, wie ich den Tag einordnen soll. Letztendlich war es irgendwie der schönste Scheißtag meines Lebens.

Ich wußte ganz genau, daß es nicht einfach wird. Dafür kannte ich sie zu lange und zu gut. Sie war immer kompliziert, aber irgendwie hab ich immer das Gefühl gehabt, sie verstehen zu können. Das erste Mal in meinem Leben, daß ich das Hirngespinst hatte, eine Frau zu verstehen. Mittlerweile weiß ich es leider besser. Es war falsch. Aber es mußte einfach raus. Hätte ich meine Gefühle nie erwähnt, wäre auch nur das Chaos ausgebrochen. Außerdem hätte ich viele verdammt schöne Tage verpaßt und mich durchweg selber belogen. Das kann keine Basis für eine Freundschaft sein. Wir waren immer offen zueinander, von daher war es wohl doch nicht ganz so falsch. Diese Unsicherheit... irgendwie muß man Ordnung in die Gedanken bringen können. Aber es war mir schlicht und ergreifend nicht möglich. Es ging einfach nicht. Je länger ich darüber nachdachte, desto schwachsinniger wurde alles. Aber sie sagte, es wäre richtig gewesen, das zu sagen. Und ihr Wort war mein Gesetz. Sie sagte etwas, ich fand es richtig. Früher habe ich Leute verachtet, die sich so verhielten. Ich fand es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt. Auch später noch. Ich hätte sie direkt vergessen sollen, eigentlich wäre es das einzig logische gewesen. Wer würde das nicht tun?

Einen Tag nach meinen kitschromanverdächtigen Liebeserklärungen meinte sie, sie würde für jemand anders mehr empfinden, als sie dachte. Prima Timing. Und wieder war ich ganz weit unten. Aber die Hoffnung blieb, denn ich wußte, was der Typ eigentlich für ein Depp ist. Sie wußte es eigentlich auch. Ich hab es ihr oft genug gesagt und ich war nicht der einzige. Wir vereinbarten vorher sogar eine Wette. Damals lief gar nichts zwischen uns. Es ging darum, daß sie seinen Namen und seine Adresse bekommt, denn mit diesen Daten war er immer mehr als vorsichtig und ich wußte niemanden, der das jemals aus ihm herausgekitzelt hat. Es wollte auch niemand wirklich, denn ihn mochte ja so gut wie niemand. Frauen schon gar nicht. Trotzdem brauchte sie verdammt lange, um endgültig herauszufinden, wie dumm er ist. Klischee. Im Netz der harte Mann, am Telefon ein verschüchtertes Weichei. Sie fand es faszinierend. Es zog sich mehrere Wochen. Sie besuchte ihn... nie hatte ich derart das Verlangen, mich zu betrinken, bis ich nichts mehr spüre. Bis ich sie verdränge. Aber ich habe diesem Verlangen widerstanden. Früher hätte ich genau das gemacht, die Sache wäre erledigt gewesen. Aber nicht dieses Mal. Ich hatte mich geändert. Sie hatte mich geändert. Und das war gut so. Denn ihr Besuch bei dem Deppen verlief irgendwie für sie so beschissen, wie es für mich eine Genugtuung war. Sie kam zurück. Sie kam zurück zu mir. Das dachte ich damals zumindest. Mein Gott, was sollte ich auch sonst denken? Sie wußte genau, was ich für sie empfand. Da verhält man sich nicht so wie sie nach ihrer Rückkehr, wenn man nicht ähnliches fühlt. Da sagt man dem anderen nicht, daß man ihn liebt, wenn man es nicht tut. Da verbringt man nicht mehrere Stunden auf dem Schoß des anderen oder in seinen Armen.

Aber ich war wieder glücklich. Glücklicher als vorher. Und länger als einen Tag. Leider nicht länger als einen Monat. Dann kam der nächste. Wieder ein Typ aus dem Internet. Aber den kannte ich diesmal nicht. Auf den letzten konnte ich nicht mal richtig eifersüchtig werden. Mir war viel zu klar, daß er ein Idiot war. Der andere schien ganz nett zu sein. Ich nahm Kontakt zu ihm auf. Irgendwas negatives mußte doch bei ihm zu finden sein. Ich fand nichts. Verdammt. Er war wirklich nett. Es war meine Idee, daß sie eine Beziehung mit ihm vortäuschte. Es würde den Deppen von vorher ärgern, also wäre es für alle spaßig. Es war eine sehr dumme Idee, aber aus diesem Spaß auch ernst zu machen, war ihre Idee. Er war Bayer, aber selbst das hat sie großzügig übersehen. Ist eigentlich nicht ihre Art gewesen. Bayern, Österreicher... niemals jemand aus dem Süden. Sagte sie mal. Aber Frauen wechseln ihre Stimmungen und Einstellungen manchmal wie andere ihre Unterwäsche. Na ja, so kenne ich sie schon immer, da konnte mich nicht mal das verwundern.

Und so viel Einfluß auf die Sache zwischen uns hatte er auch nicht. Ich war eifersüchtig, klar. Aber sobald es mir schlechter ging, hat sie mich getröstet. Und irgendwann kam die Zeit, daß der Bayer ihr auf die Nerven ging. Er nahm ja alles so ernst. Mein Gott, als hätte sie sich so mißverständlich ausgedrückt... man mußte es einfach ernst nehmen, was sie ihm erzählte. Sie haben sich nie getroffen. Bis heute nicht. Aber sie haben telefoniert. Und wie bei dem Deppen vorher bezeichnete sie es auch beim Bayern bereits als Beziehung, eh sie den Partner auch nur einmal gesehen hätte. Und jetzt war es falsch, daß er Erwartungen wie in einer Beziehung stellte. Okay, die Erwartungen waren überzogen, aber auch irgendwie teilweise nachvollziehbar. Es war ja nichts unmögliches. Trotzdem fühlte sie sich davon bedrängt. Wie auch immer, mir war’s vollkommen recht. Ich hab ihn für sie abgeschossen. Via Internet. Geschmacklos, aber es hat Spaß gemacht. „Finger weg, meins!“ Ich hab daran geglaubt, er nicht wirklich. Er sah mich immer als ihren großen Bruder. Als guten Freund, niemals mehr. Aber insgesamt hat es gereicht, damit er sein Interesse an ihr verliert.

Dann fing sie mit einem alten Thema an. Heiraten. Ich wollte nie heiraten. Zumindest niemals wirklich. Aber diesmal war ich mir sicher. Ich wollte heiraten. Und zwar sie. Nur sie und niemand anders. Sie war die Frau meines Lebens. Gut, sie hat mich bis dahin schon irgendwie seltsam behandelt, aber das war halt ihre Art, die mich so faszinierte. Ich wollte es. Ich will es. Also war die Hochzeit schnell beschlossene Sache. Früher, als wir „nur“ Freunde waren, haben wir schon unsere Späße gemacht. Eigentlich kam der erste derartige Spaß schon am ersten Tag. Aber damals war es halt reiner Spaß. Und mittlerweile war es von meiner Seite aus keiner mehr. Ich wollte mit dieser Frau mein Leben verbringen. Ich fragte sie, ob sie das wirklich ernst meinen würde, denn dann würde ich wirklich anfangen, für eine Hochzeit und eine Wohnung zu sparen. Sie meinte es sehr ernst, sagte sie. Sie sagte das öfters, ich habe immer wieder nachgefragt, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Ich war so glücklich. Verflucht glücklich. So glücklich wie nie zuvor. Meistens zumindest. Aber ich konnte noch nicht wirklich dran glauben. Dann bekam sie Urlaub, sie zog sozusagen bei mir ein, verbrachte mehrere Wochen hier. Wir taten nicht viel. Wir redeten, verbrachten viel Zeit mit so gewöhnlichen Dingen wie dem Internet. An sich keine Beschäftigung für mehrere Wochen, aber es hat Spaß gemacht. Es machte verdammt viel Spaß, denn ich war mit ihr zusammen. Ich tat alles für sie, was irgendwie in meiner Macht stand. Ich kaufte ein, ich versorgte sie, so gut ich konnte, ich kochte für sie, ich brachte ihr das Essen ans Bett. Ich hab mir den Arsch für sie aufgerissen. Und sie erzählte meinen Freunden, daß wir heiraten werden. Wie selbstverständlich. Das war der Moment, an dem ich ihr alles glaubte. Sie liebte mich. Natürlich liebte sie mich, warum sonst sollte man so was erzählen? Und schließlich wußte sie doch genau, daß ich sie liebe. Da hat man doch den Anstand, dem besten Freund zu sagen, wenn man nicht das gleiche empfindet. Und mittlerweile fuhr sie selber zu mir. Ich mußte sie nicht mal abholen. Ich mußte nicht nachfragen, ob sie mich besucht, sie tat es. War nicht ihre Art, so kannte ich sie nicht. Wir sprachen über Dinge, an die ich nie gedacht hatte. Über Familienplanung, über die Zukunft. Sie begann sogar, meine Musik zu hören. Musikalisch waren wir uns nie wirklich einig, ich mochte zumindest ein bißchen von dem, was sie hörte. Nicht alles, aber immerhin. Irgendwas fand sich immer. Aber sie lehnte meine Musik kategorisch ab. Jetzt nicht mehr. Sie hörte es sich an, sie meinte, es würde ihr sogar teilweise gefallen. Und sie würde mich nie belügen. Ich war glücklich.

Wir verbrachten mehrere Wochen auf engstem Raum. Es war einfach zu schön, um auch mal andere Leute zu sehen. Ich hab es auch nicht vermißt. Früher habe ich meine Freunde mehrfach in der Woche gesehen, jetzt wollte ich das nicht mal mehr. Ich war zufrieden, wenn ich sie bei mir hatte. Sie machte auch nie den Eindruck, als würde sie Wert darauf legen, mehrere meiner Freunde kennenzulernen. Zwei davon kannte sie. Aber mehr durch Zufall und auf mein Drängen hin. Rief jemand anders an, blockte ich ab. Sie machte immer den Eindruck, als wolle sie mit mir allein sein. Das mußte ja auch Gründe haben, also fand ich es in Ordnung. Ich hätte nie etwas getan, was sie nicht wollte. Ich wollte, daß sie glücklich ist. Mehr nicht. Meine Wünsche waren zweitrangig. Ich hatte eigentlich nicht mal mehr Wünsche. Ich war glücklich, wenn sie es war. Und ich war noch immer verliebt wie am ersten Tag. An diesem schönen Scheißtag.

Ihr Urlaub war fast vorbei. Schade, aber es war auch mal wieder Zeit, sich ein paar Tage nicht direkt auf dem Pelz zu hängen. Zuletzt gab es mal kleinere Streitereien. Nichts ernstes, nichts, was sich nicht leicht wieder aus der Welt schaffen ließ. Aber es reichte mir. Ich haßte es, mit ihr zu streiten. Es ging auch einfach nicht. Dafür war sie viel zu zickig. Sie schnappte so verdammt schnell ein... da vermeide ich den Streit doch lieber. Dann ist sie glücklich, dann bin ich es auch. Es machte mir doch nichts aus, auch mal ein wenig zurückzustecken. Es hatte sich ja gelohnt. Für die Frau seines Lebens mußte man doch auch mal Abstriche machen. Das war doch gar keine Frage.

Wir haben uns wieder vertragen. War gar kein Thema. Wir sprachen ein wenig drüber, alles war schnell vergessen. Sie nervte mich nicht, aber sie meinte, sie würde mich nerven. Frauen... irgendwie verstehen sie eh alles falsch. Aber sie nervte wirklich nicht. Jeder andere hätte mich mit diesem Verhalten zum Wahnsinn gebracht, sie nicht. Es machte mir nichts aus, ihr auch nachts noch was zu kochen, wenn ich 20 Stunden auf den Beinen bin. Es machte mir nichts aus, ihr nachts um vier den Rücken zu massieren. Ich habe es gerne getan, obwohl ich vielleicht todmüde war. Aber es machte sie glücklich und es war nichts Unmögliches. Also tat ich’s. Immer. Und ich bot ihr immer irgend etwas an. Aus Höflichkeit und weil ich es gern tat. Sie fühlte sich davon bedrängt. Vorher wäre sie beleidigt gewesen, wenn ich es nicht so gemacht hätte. Das hab ich nicht verstanden, aber ich habe es akzeptiert, kein Problem.

Am letzten Wochenende ihres Urlaubs erwarteten wir Besuch. Vier Leute. Sie waren Hobbyautoren, wie sie. Ich kannte sie nicht, aber wollte sie kennenlernen. Schließlich interessiert es mich auch, was sie tut. Ich wußte auch, daß sie einen der vier schon lange sehr faszinierend fand. Sein Schreibstil war so ungewöhnlich. Er war immer so nett in den E-Mails. Aber er war Österreicher. Und als er hier war, war er ruhig. Zu ruhig. Den ganzen Tag. Er sagte fast kein Wort. Und wenn doch, verstand man ihn nicht. Damit hatte sich das Thema wohl erledigt. Er mochte ein guter Autor sein, aber ansonsten schien nicht er nicht viel zu haben.

Sie sah das anders. Er hatte eben doch was. Sie war hin und weg. Aber sie sah auch, daß es keinen Sinn hatte. Sie wollte es einfach ignorieren, das würde schon klappen. Wie sollte es auch was werden, wenn er 1200 Kilometer weg wohnt und nicht mal die gleiche Sprache spricht? Sie schwieg ihn mir gegenüber tot. Zumindest versuchte sie es und wollte es. Sie meinte, das wäre kein Problem und ich sollte es vergessen. Ich wurde sehr unsicher, was sie betraf. Ich fand heraus, daß sie ihm einen Brief geschrieben hat, in dem sie offenbarte, was sie für ihn empfand. Daß er sie so faszinierte, daß sie mehr von ihm will. Mir erzählte sie nichts von dem Brief, aber durch einen dummen Zufall bekam ich es mit. Wir kamen auf die Idee, uns beide bei der gleichen Person auszuheulen. Es war der Bayer, ihre Beinahe-Beziehung. Er ahnte noch immer nicht, daß zwischen ihr und mir mehr war als Freundschaft, also erzählte er mir von dem Brief. Scheißtag. Wieder mal einfach ein Scheißtag. Das konnte sie mir doch nicht antun. Sie erzählte mir doch alles. Ich habe doch immer alles verstanden. Ich habe ihr immer zugehört. Ich liebte sie. Der Bayer machte sich Sorgen um mich. Er erzählte ihr das beim nächsten Gespräch. Das war nicht eingeplant. Ich wollte natürlich auch mit ihr darüber sprechen, aber nicht so schnell. Abwarten, bis sich die Sache gelegt haben würde. Konnte ja nicht so lange dauern. So mußte das Gespräch früher folgen. Sie meinte, ich hätte nicht den Eindruck gemacht, als würde ich darüber reden wollen. Sie meinte, sie nerve mich damit. Natürlich wollte ich darüber reden, immerhin machte es mich langsam, aber sicher absolut kaputt. Aber es war ihre Idee, die Sache zu ignorieren, dann habe ich es natürlich nicht angesprochen. Ich wollte sie nicht verärgern, Rücksicht nehmen. Verständnis zeigen.

Ich machte mir aber mittlerweile Gedanken, wie ernst sie die Sache mit mir überhaupt nahm. Ich kam mir vor wie ein Lückenfüller, der eben da war, wenn sie gerade nichts besseres greifbar hatte. Ein Arsch, der blöd genug ist, sie zu versorgen, bis sie jemand anders gefunden hatte. Der ihr alles glaubt, was sie erzählt. Der sie versteht und ihr zuhört. Aber letztendlich doch nur ein Idiot ist. Ich meinte zu ihr, ich hätte einiges in der letzten Zeit wohl ernster genommen als sie. Sie verstand nicht, was ich meinte. Ich sagte, daß ich sie wirklich heiraten möchte und mit ihr eine gemeinsame Wohnung beziehen will, sobald es finanziell irgendwie möglich ist. Sie sah es genauso. Sie wollte mich auch heiraten. Natürlich wollte sie das. Gar keine Frage.

Kaum eine Woche war vergangen, da war ihr Interesse an dem Österreicher schon wieder weg. Er hatte sich nicht gemeldet. Und sie hat gemerkt, daß sie das nicht mal stört. War wohl doch nur ein Strohfeuer. Aber eins, das mir sehr weh tat. Ich begann zu zweifeln. An allem. An mir, an ihr, an uns. Ich lag stundenlang einfach nur herum und starrte an die Decke. Ich schrieb lange Briefe. Nicht das erste Mal. Ich hatte früher schon lange Briefe geschrieben, die ich nie abgeschickt habe. Nur einmal, da hat der Brief mehr zerstört als repariert. Aber es mußte schon wieder sein. Ich traute mich wieder nicht, den Brief abzuschicken. Elende Feigheit. Irgendwann mußte aber mal einiges geklärt werden, das war mir absolut klar. So war das doch keine Lösung. Zusammenziehen und heiraten, aber zwischendurch immer wieder andere Freunde oder Beinahe-Freunde? Das konnte doch nicht gutgehen. Das war auch nie mein Ziel. Ich wollte sie. Nur sie. Ich traute mich immerhin, ihr am Telefon zu sagen, daß ich einen langen Brief geschrieben habe und daß sie sich aussuchen könne, ob sie ihn haben möchte oder nicht. Ich warnte sie vor, daß sie einiges falsch verstehen könnte. Ich sollte den Brief mündlich wiedergeben. Es war schwierig. Verdammt schwierig. Es waren so viele Fragen, die ich hatte. Dinge, die ich nicht verstand. Ich war mir nie klar darüber, daß es so viel war. Das meiste waren Kleinigkeiten, klar. Aber es summierte sich. Ich schrieb alles auf, ich versuchte, sie zumindest fast alles auch wirklich zu fragen. Vor allem interessierte mich natürlich, wie sie die Sache zwischen uns sah. Ich fragte sie und bekam nach der Antwort kaum noch einen Ton raus. Natürlich meinte sie es ernst, was sie sagte. Natürlich wollte sie mich noch immer heiraten. Natürlich wollte sie eine gemeinsame Wohnung. Natürlich konnte man sich sagen, daß man sich liebt. Natürlich bezeichnete sie sich nach wie vor als Single. Natürlich würde sie irgendwann einen anderen Freund haben. Natürlich ist reine Freundschaft eine viel bessere Basis für eine Ehe als eine „echte“ Beziehung. Sie war verwundert, daß ich doch das eine oder andere in den Monaten zuvor anders aufgefaßt habe. Natürlich hatte sie mir nicht gesagt, daß sie ihrerseits nie an mehr als Freundschaft interessiert war. Schließlich hatte ich ja nie danach gefragt. Und sie meinte es ernst, mich heiraten zu wollen. Nach wie vor. Ernsthaft.

Jetzt bin ich wieder an dem Punkt, wo ich kürzlich schon mal war. Extremer, erschütterter, zweifelnder, verzweifelter. Das kann sie doch nicht ernst meinen. Niemand heiratet aus purer Freundschaft. Das hab ich doch noch nie gehört. Das hat wahrscheinlich noch nie jemand gehört. Aber sie meint es so. Und sie ist überzeugt davon. Sie war es angeblich immer. Es ist nun mal nicht mehr als Freundschaft und das ist die beste Basis, die sie sich vorstellen kann. Basis wofür? Für ihre Suche nach dem Richtigen? Wie stellt sie sich das vor? Ich bin da, um sie zu versorgen, mich um sie zu kümmern, sie aufzurichten, wenn sie mal wieder irgendein Herz gebrochen hat und den Typen dann doch nicht will? Bin ich nicht selber einer von diesen Typen? Von vorne bis hinten verarscht worden? Oder hätte ich es nicht von Anfang an ahnen müssen? Eigentlich schon, ich kannte sie lange und gut genug. Warum hat sie mir das alles nicht direkt gesagt? Wir waren nun mal beste Freunde, ich habe mit einer Abfuhr gerechnet. Sie wußte es, weil ich es ihr sagte. Ich habe doch ein Recht darauf, so wichtige Sachen früh genug zu erfahren. Verdammt, ich habe mein Leben verplant. Ich habe Prinzipien gebrochen, die ich mein Leben lang hatte. Ich wollte sie heiraten. Ich habe sie über alles andere gestellt, sie vergöttert. Ihr alles geglaubt. Ich habe Freunde vernachlässigt. Ich hatte Streit mit der Familie. Ich habe Leute immer verachtet, die so handelten wie ich. Aber ich hatte immer den Eindruck, daß es bei mir anders war. Das war es nicht. Nie. Ich dachte immer, sie wäre es wert, so zu handeln. Ich war davon fest überzeugt. Ich habe all ihre Aktionen verteidigt, ich war immer auf ihrer Seite. Es kam mir alles irgendwie schlüssig vor, was sie tat. Ich meinte, sie zu verstehen. Ich dachte immer, ich wäre anders als die Typen, die sie vor mir abgeschossen hatte. Jetzt weiß ich es oder zumindest meine ich, es zu wissen. Ich bin wirklich anders. Mich hat sie nicht mal abgeschossen. Sie hat es nie als Beziehung betrachtet. Sie versteht nicht mal, daß ich mir von der Hochzeit mehr versprochen habe als Freundschaft. Sie hat mich auch nicht behandelt, als wäre da kein Deut mehr als Freundschaft. Mit einer guten Freundin rede ich nicht über eine gemeinsame Zukunft, Hochzeit, gemeinsame Wohnung, Kinder. Ich verbringe nicht jedes Krümelchen Zeit, das ich abzwacken kann, mit einer guten Freundin, lasse jederzeit alles für sie stehen und liegen, egal wann. Ich wohne nicht wochenlang bei einer guten Freundin, schlafe im gleichen Bett, verbringe Abende so wie wir manchmal. Ich küsse eine gute Freundin nicht. Zumindest nicht so wie sie. Das dachte ich zumindest immer. Sie sieht es offenbar anders. Angeblich sah sie es auch immer so. Aber ich kann es einfach nicht glauben. Ich müßte stinksauer auf sie sein, jedweden Kontakt zu ihr abbrechen. Aber das kann ich nicht. Nicht mal das. Ich bin eher sauer auf mich als auf sie. Ich verstehe gar nichts mehr. Ich schaffe es tatsächlich, das Ganze noch immer so zu verdrehen, daß die Schuld auf mir liegt. Und ich habe noch eine Menge zu verdauen und frage mich, wie es jetzt weitergehen soll. Die Sache wäre verdammt noch mal viel einfacher, wenn wir nicht fast nebenbei nach wie vor wirklich beste Freunde wären. Ich will zumindest diese Freundschaft erhalten, den Kontakt nicht abbrechen. Aber ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Vielleicht war die Zeit zu lang, in der ich mich so in ihr getäuscht habe, in der sie mich von vorne bis hinten verarscht hat. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sie das wollte. Ich kann nicht dran glauben, daß ich einfach nur ein weiteres „Opfer“ von ihr bin, daß alles so geplant war. Es macht irgendwie den Eindruck, aber irgendwie ist es auch zu absurd. Ich bin gespannt, was die Zeit bringt. Ich weiß nur eins:

Ich bin blind. Immer noch.
 
S

Sansibar

Gast
Guten Morgen Mr. Soap,
zunächst einmal: Willkommen auf der Lupe. Ich bin meistens ein höflicherMensch und begrüße daher jeden Neuen.
DieserText von dir las sich für mich sehr flüßig( obwohl ich lieber kürzere Texte bevorzuge) Doch es ist Mittwochmorgen, Feiertag und dann lese ich viele Beiträge der Lupis. Du kommst dir also richtig verarscht vor. Du hast keinen Durchblick bei den Frauen, nie weißt du w i r k l i c h was sie denken und fühlen und ob das was sie sagen, sie auch meinen. Männer sind meist unkomplizierter! Aus diesem "Spiel" des nichtververstehen, besteht doch der ganze Reiz zwischen den Geschlechtern. Sie sind der ewige Anlaß zu Streit, Kriegen, Versöhnungen, Verhöhnungen. Traurig nur, das derjenige der wirklich liebt sich "verarscht" fühlt. In eine neue Beziehung geht er dann vielleicht nicht mehr mit so viel Ehrlichkeit und darum ist es wirklilch schade. Aber man reift auch, wird klüger und kann das ein Schaden sein.? Aus den Verletzungen kann große Kreativität entstehen( was viele Künstler beweisen).
Meine Güte, ich komme mir vor wie ein "Lebensberater", na ja, schadet wohl auch dir nicht. Ich möchte dir nur Mut machen, schreibe weiter.
Gruß
Sansibar aus Sansibar
 

Mr.Soap

Mitglied
>>zunächst einmal: Willkommen auf der Lupe. Ich bin meistens ein höflicherMensch und begrüße daher jeden Neuen.

Vielen Dank. Vielleicht bin ich aber auch kein "neuer", sondern traue mich nur nicht, unter richtigem Namen zu veröffentlichen... Mir kam es nur irgendwie vor wie ein Drehbuch für eine Soap-Opera, daher der komische Name, unter dem ich's veröffentlicht habe.

>>DieserText von dir las sich für mich sehr flüßig( obwohl ich lieber kürzere Texte bevorzuge)

Ich habe diesen Text eigentlich nicht geschrieben, um ihn irgendwann mal zu veröffentlichen, sondern viel mehr, um meine Gedanken und Gefühle, die ich damals hatte, zu ordnen. Auf die Idee, alles zu veröffentlichen, brachte mich erst ein Freund, der es las. Ehrlich gesagt hatte ich mich damals einfach hingesetzt und den kompletten Text in weniger als 2 Stunden runtergetippt. Schön, daß man wohl trotzdem noch einiges verstehen kann. *freu*

>>Doch es ist Mittwochmorgen, Feiertag und dann lese ich viele Beiträge der Lupis. Du kommst dir also richtig verarscht vor. Du hast keinen Durchblick bei den Frauen, nie weißt du w i r k l i c h was sie denken und fühlen und ob das was sie sagen, sie auch meinen. Männer sind meist unkomplizierter!

Genau so kommt es mir vor, ja.

>>Aus diesem "Spiel" des nichtververstehen, besteht doch der ganze Reiz zwischen den Geschlechtern. Sie sind der ewige Anlaß zu Streit, Kriegen, Versöhnungen, Verhöhnungen.

Klar. Das ist schon ein Reiz... das ist überhaupt keine Frage. Nur: Irgendwann ist auch das Maß voll. Da wird aus diesem Reiz halt Frust. Und genau so ging es mir da. Es sind vielleicht nicht mal nur die "großen" Sachen, aber wenn immer mehr kleinere zusammenkommen, wird es auch ein großer Haufen Mist, um es mal etwas platt auszudrücken.

>>Traurig nur, das derjenige der wirklich liebt sich "verarscht" fühlt. In eine neue Beziehung geht er dann vielleicht nicht mehr mit so viel Ehrlichkeit und darum ist es wirklilch schade. Aber man reift auch, wird klüger und kann das ein Schaden sein.?

So gesehen hast Du natürlich recht. Das kann kein Schaden sein. Nur: Wenn man nicht klüger wird und weiter klammert, entsteht schnell ein großer Schaden. Da weiß ich, wovon ich spreche. Der Text ist auch nicht gerade erst entstanden, sondern schon ein wenig älter.

>>Aus den Verletzungen kann große Kreativität entstehen( was viele Künstler beweisen).
Meine Güte, ich komme mir vor wie ein "Lebensberater", na ja, schadet wohl auch dir nicht. Ich möchte dir nur Mut machen, schreibe weiter.

Danke auf jeden Fall.

Gruß,
Mr.Soap
 
S

Sansibar

Gast
Dear Mr Soap,
bin ich heute besonders sensibel? Ich "höre" ein Knurren.
Warum du nicht unter eigenem Namen schreibst ist mir letzlich egal. Ich verwende ja auch nicht meinen echten Namen.
Ich habe dir mit meiner Anwort etwas geschenkt - und zwar Aufmerksamkeit für deinen Text. Es scheint mir jedoch so zu sein, das es dich nicht interessiert. So jedenfalls kommt deine Anwort bei mir an.
ein heute bosnders aufmerksamer
Sansibar aus Sansibar
 

Mr.Soap

Mitglied
Hallo,

>>bin ich heute besonders sensibel? Ich "höre" ein Knurren.

wirklich? War aber absolut nicht so beabsichtigt. Ich habe mich wirklich drüber gefreut, daß jemand diesen Text wirklich und komplett gelesen hat. Ich wollte garantiert nicht pampig wirken. Sorry, falls es so rübergekommen ist.

>>Warum du nicht unter eigenem Namen schreibst ist mir letzlich egal. Ich verwende ja auch nicht meinen echten Namen.

Ok, da sind wir uns einig. :)

>>Ich habe dir mit meiner Anwort etwas geschenkt - und zwar Aufmerksamkeit für deinen Text. Es scheint mir jedoch so zu sein, das es dich nicht interessiert. So jedenfalls kommt deine Anwort bei mir an.

Tut mir wirklich leid. So war es keinesfalls gemeint. Vielleicht sollte ich mir demnächst für meine Antworten etwas mehr Zeit nehmen. Ich war heute morgen ziemlich in Eile... tut mir echt leid!

Gruß,
Mr.Soap
 



 
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